Die reiche Frau, ihre Manager und ein schweres Erbe:Frau Schickedanz ist nicht zu sprechen

Seit die Großaktionärin ihren Anteil an Karstadt-Quelle stetig vergrößert, blühen die Spekulationen über die Zukunft der Handelsgruppe - doch die Milliardärin schweigt

Von Stefan Weber und Uwe Ritzer

"Die wohnt hier schon irgendwo", murmelt der Mittvierziger im gelben T-Shirt, der vor seinem Haus die Straße kehrt. "Aber wo genau, weiß ich nicht."

Die reiche Frau, ihre Manager und ein schweres Erbe: Das Quelle-Logo

Das Quelle-Logo

(Foto: Foto: dpa)

Was eigentlich kaum vorstellbar ist, denn wer im gediegenen Fürther Stadtteil Dambach die Forsthausstraße mit ihren Villen, den hohen Zäunen und den Klingeln ohne Namensschilder nur 200 Meter weitergeht, kann das herrschaftliche Anwesen von Madeleine Schickedanz nicht übersehen.

Eine mannshohe, stellenweise von Efeu eingewachsene rote Steinmauer begrenzt das 70.000-Quadratmeter-Parkgrundstück. Die Villa der Großaktionärin der angeschlagenen Handelsgruppe Karstadt-Quelle, einst von den Eltern gebaut, sieht man vor lauter Bäumen nicht.

Ein Phantom

Wer am schmiedeeisernen Tor klingelt und eingelassen wird, steht auf einem besenreinen Vorplatz mit gelben repräsentativen Empfangsgebäuden ringsum und einem prächtigen Steintor, durch das man weiter zum Haus fahren könnte.

Er könne nicht sagen, ob die Hausherrin da oder gar zu sprechen sei, wiegelt der Pförtner ab, ein freundlicher junger Mann in weißem Hemd und schwarzer Hose, der den unangemeldeten Besucher sogar per Handschlag begrüßt. Er werde sich kurz telefonisch erkundigen. Ob man ein Visitenkärtchen holen könne? Madeleine Schickedanz ist ein Phantom. Sie scheut die Öffentlichkeit, lebt zurückgezogen, taucht nur gelegentlich auf -- und dann meist schnell wieder unter.

Dabei würde man gerade jetzt gerne mit ihr sprechen. Oder ihr zumindest diese eine Frage stellen, die derzeit vor allem die mehr als 90 000 Mitarbeiter von Karstadt-Quelle bewegt: Warum sie ihre Beteiligung an der Handelsgruppe immer weiter ausbaut. Mehr als 55 Prozent der Anteile dürfte sie bereits besitzen, bald werden es möglicherweise 60 Prozent sein oder sogar 65 Prozent.

Steht hinter den Aktienkäufen tatsächlich der Plan, das Unternehmen irgendwann von der Börse zu nehmen, in Einzelteile zu zerlegen und zu verkaufen? Die Gerüchte wollen nicht verstummen. Aber klar ist: Bei einem solchen Deal springt wohl ein höherer Erlös heraus als jene 2,3 Milliarden Euro, mit denen der gesamte Konzern derzeit an der Börse bewertet wird.

"Eine Zerschlagung macht schlicht keinen Sinn. Wir werden Karstadt-Quelle sanieren", beteuert Vorstandschef Thomas Middelhoff. Ist die Zerschlagungstheorie also ein Hirngespinst von Böswilligen? Wenn der Konzernchef gefragt wird, warum Madeleine Schickedanz Aktien hortet, wird er ungewohnt einsilbig: Sie sei eben von der Rettung des Unternehmens überzeugt, sagt er. Im Übrigen sei dies eine private Angelegenheit.

Auf ihre Privatsphäre hat die Milliardärin schon immer Wert gelegt. Selbst in ihrer fränkischen Heimat tritt das einzige Kind der Quelle-Versandhausgründer Grete und Gustav Schickedanz so gut wie nie in Erscheinung.

Auffallend ist allenfalls das Schweizer Nummernschild an ihrem Wagen, das auf ihren mutmaßlichen Lieblingswohnsitz St. Moritz hinweist. Wohl noch kein Fürther sah die 61-Jährige jemals auf dem Wochenmarkt einkaufen oder mit ihrer Familie durch die Landschaft radeln. Vielleicht, weil sich das für eine Frau mit einem Privatvermögen, das auf mindestens 1,6 Milliarden Euro geschätzt wird, einfach zu gefährlich ist. Vielleicht, weil sie es ganz einfach nicht will. "Im Fürther Alltagsleben ist Frau Schickedanz nicht präsent", sagt Oberbürgermeister Thomas Jung.

Wenn die Versandhauserbin doch irgendwo auftritt, beschränkt sie sich auf das Nötigste. Da sitzt sie dann beim Tennisturnier "Schickedanz-Open" auf der Tribüne oder verleiht dem besten Abiturienten des Heinrich-Schliemann-Gymnasiums einen Preis -- und verschwindet wieder.

Ausnahmen gibt es. Vor ein paar Tagen besuchte sie samt ihrem dritten Ehemann Leo Herl und einem Leibwächter die Grund- und Hauptschule in Hersbruck bei Nürnberg, wo ihre Mutter Grete einen Textilladen betrieb. Madeleine hielt eine kurze Rede, bedankte sich höflich und mischte sich für ein paar Stunden unter das fröhliche Schulvolk.

Von sich aus in die Öffentlichkeit tritt die Versandhauserbin nur, wenn sie Spenden für ihre "Madeleine-Schickedanz-Kinderkrebsstiftung" sammelt. Da bittet sie schon mal zur Benefiz-Gala in die Fürther Stadthalle, wo dann Günter Jauch moderiert und Ute Lemper singt.

Ihr Engagement hat einen ernsten Hintergrund. Es war der 22. März 1982, als Ärzte Madeleine Schickedanz mitteilten, ihre fünfjährige Tochter Caroline sei unheilbar an Leukämie erkrankt. 1984 erlitt das Kind einen schweren Rückfall, ihre Überlebenschancen galten als gering.

"Sechs Jahre habe ich mit einem kleinen Korb, gefüllt mit Dixi-Büchern und Hipp-Gläschen, in Krankenhäusern gelebt", sagte Madeleine Schickedanz später. Caroline wurde gesund, ihre Mutter gründete aus Dankbarkeit die Stiftung.

Kinder und ihre Stiftung seien für sie Herzensangelegenheiten, sagt OB Jung. Seit seiner Wahl zum Stadtoberhaupt 2002 trifft er sich mit ihr alle paar Monate. Worüber er mit der Versandhauserbin redet, sagt Jung nicht. Aber die Familie, lässt er wissen, sei immer zugänglich für Anliegen der Stadt und Bitten um Mäzenatentum -- ganz ohne Medien.

Mit Journalisten spricht Madeleine Schickedanz normalerweise nicht. Vor drei Jahren gab sie Klaus Schamberger von der Nürnberger Abendzeitung eines ihrer ganz seltenen Interviews. Zwei Stunden saßen beide zusammen, im einstigen Büro ihres Vaters Gustav in der Versandhauszentrale. "Ich weiß nicht, wer von uns schüchterner und nervöser war", erinnert sich der Redakteur.

Land unter

"Ich glaube aber, wenn es darauf ankommt, will sie nicht nur mitreden und geduldet sein, sondern entscheiden." Madeleine Schickedanz selbst hat einmal gesagt, sie verfolge die Geschäfte von Karstadt-Quelle "bis ins Letzte", gebe jedoch allenfalls Tipps ohne reinzureden.

Bei der Installierung von Middelhoff als Vorstandschef ging es allerdings um mehr als um einen guten Tipp. Die Großaktionärin hatte den Manager im Frühjahr geradezu bekniet, den Chefsessel bei Karstadt-Quelle zu übernehmen. "Entgegen meiner Lebensplanung und dem Wunsch meiner Familie habe ich mich dieser Bitte gebeugt", sagt der Vater von fünf Kindern. Wer lässt sich auf so etwas ein, ohne in die Pläne der Eigentümer eingeweiht zu werden? Middelhoff, der frühere Bertelsmann-Chef, sicher nicht.

Im November 2004 war Land unter bei Karstadt-Quelle. Die Liquidität war knapp, eine Kapitalspritze dringend nötig. Madeleine Schickedanz blieb kaum eine andere Wahl als Geld nachzuschießen. Entsprechend ihrer Beteiligung von damals gut 40 Prozent musste sie mehr als 200 Millionen Euro einbringen, um die Kräfteverhältnisse im Aktionärskreis zu wahren.

Im anderen Fall hätte sie nicht nur an Einfluss verloren. Auch die Außenwirkung wäre fatal gewesen. Wie hätte das Management bei Kreditgebern, Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten Vertrauen für das Sanierungskonzept einfordern können, wenn die Großaktionärin den Geldbeutel geschlossen gehalten und damit signalisiert hätte, dass sie nicht an die Rettung glaubt?

In diesem Frühjahr hat Madeleine Schickedanz dann angefangen, über die Börse weitere Aktien von Karstadt-Quelle einzusammeln. Gemerkt hätte das zunächst niemand, gäbe es nicht eine Vorschrift, nach der Führungskräfte verpflichtet sind, Wertpapiergeschäfte anzuzeigen. Zwar ist die Großaktionärin nicht operativ im Unternehmen tätig. Aber Leo Herl, ihr Mann, gehört dem Aufsichtsrat an.

Deshalb muss der Schickedanz-Pool, hinter dem im Wesentlichen das Ehepaar Schickedanz/Herl sowie Madeleine Schickedanz' Neffe Martin Dedi stehen, jedes Aktiengeschäft veröffentlichen. Ende Mai hatte die Familie mehr als 50 Prozent der Anteile zusammen. Seitdem stockt der Pool seine Beteiligung nahezu wöchentlich weiter auf. Zu welchem Zweck? Auch ihr Mann schwieg, als die Aktionäre Ende Mai auf der Hauptversammlung von Karstadt-Quelle um Auskunft baten.

Frau Schickedanz ist nicht zu sprechen

Die 61-Jährige hat nie öffentlich Stellung bezogen zu den Vorgängen. Aus Diskretion? Oder um nicht einzugestehen, dass sie bei der Wahrung des Ererbten keine klare Linie verfolgt? Vor dem Zusammengehen mit Karstadt 1999 wechselte beim Versandhaus Quelle in neun Jahren fünf Mal der Vorstandschef.

Darunter war auch ihr zweiter Ehemann Wolfgang Bühler. Der erste, Hans-Georg Mangold, gehörte ebenfalls zur Führungsebene des Versandhauses. Und Middelhoff ist auch bereits der Vierte, der sich müht, Karstadt-Quelle auf Kurs zu bringen. Wer es gut meint mit der Großaktionärin wird sagen, sie sei bei der Auswahl des Führungspersonals oft schlecht beraten gewesen. Oder sie habe manche Bewerber eher nach persönlicher Sympathie als nach Kompetenz ausgesucht.

Ein Stück Familiengeschichte

Die Wenigen in Franken, die Madeleine Schickedanz persönlich kennen, sagen dazu lieber nichts. Sie sei zurückhaltend und vorsichtig, heißt es, stark geprägt von einer Kindheit und Jugend "in einem goldenen Käfig mit allem, was man sich darunter vorstellen mag", wie eine Bekannte sagt.

Äußerlich schäbig war in dem Luxusleben nur der Luftschutzkeller unter der Nürnberger Frauenklinik, in dem Madeleine am 20. Oktober 1943 zur Welt kam. Die Eltern hatten kaum Zeit für das Kind. Gegenüber der Illustrierten Bunte sprach sie einmal von der "Übermutter" Grete und wie schwer es sei, als Tochter "ein ebenbürtiger Gegenpart" zu sein. Madeleine besuchte ein Mädchengymnasium in Fürth. Ihr Betriebswirtschaftsstudium schmiss sie nach zwei Semestern hin. Im elterlichen Versandhaus arbeitete sie nie.

Gleichwohl ist die Mehrheit an Karstadt-Quelle für Madeleine Schickedanz nicht irgendeine Unternehmensbeteiligung. Sie ist ein Stück Familiengeschichte. Vater Gustav legte den Grundstein im Oktober 1927 mit der Gründung des Versandhauses Quelle in Fürth. Mutter Grete lebte bis zu ihrem Tod 1994 ganz in der Katalogwelt.

Und jetzt soll die Tochter ihre Zustimmung zur Filetierung des Ererbten geben -- aus Angst, noch mehr Geld zu verlieren? Wahrscheinlich ist das nicht. Vielleicht ist es eher so, dass sie tatsächlich auf eine Gesundung von Karstadt-Quelle hofft. Im Vertrauen darauf stockt sie ihre Beteiligung jetzt zu vermeintlich niedrigen Kursen auf deutlich über 50 Prozent auf. Denn das ist möglicherweise preiswerter als die Beteiligung an einer mittelfristig unvermeidlichen Kapitalerhöhung.

Aber auch das ist nicht mehr als eine gut klingende Spekulation. Die Versandhauserbin schweigt lieber, auch beim Besuch ihres Anwesens in Fürth. Das Visitenkärtchen für den Pförtner ist aus dem Auto geholt.

Ist es Zufall, dass plötzlich ein Streifenwagen um die Ecke biegt, gleich zweimal langsam vorbeifährt und die Polizisten sich auffällig für das Autokennzeichen des Besuchers interessieren? Der Pförtner nimmt das Kärtchen und sagt freundlich, er könne leider nicht weiterhelfen. Er öffnet jetzt auch das schmiedeeiserne Tor nicht mehr. Die Welt der Madeleine Schickedanz bleibt verschlossen.

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