Die neuen Falten-Füller:Grau ist schick

Deutsche Zeitschriftenhäuser entdecken die Leser in den besten Jahren.

Von Nina Berendonk

Amerika ist reich an schönen Wortschöpfungen. "Yollies" beispielsweise steht für "Young Old Leisure Living People", was man mit "jung gebliebene, freizeitorientierte Ältere" übersetzen könnte.

"Silver Generation" wiederum orientiert sich an der Haarfarbe. Gerne werden die jungen Alten zwischen 40 und 59 auch als "Best Agers" gehuldigt. Diese Menschen in den besten Jahren sind - im Zuge der älter werdenden Gesellschaft - wichtig für die Wirtschaft, nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Und so sind an den Kiosken immer mehr Blätter vertreten, die sich an Ältere richten: Grau ist schick.

Ein solches Objekt mit amerikanischen Wurzeln ist Best Life, ein Magazin "für Männer, die sich etwas gönnen", wie der Verlag glaubt. Es handelt sich um einen zweimal jährlich erscheinenden Ableger des Männermagazins Men's Health, den das US-Medienhaus Rodale zusammen mit der Stuttgarter Motorpresse herausgibt.

Gute Tipps

Bei Best Life findet der männliche "Best Ager" neben Tipps zum Verhalten im türkischen Hamam ("Die Geschlechtertrennung trägt zur unaufgeregten Atmosphäre bei.") auch Tipps, wie der Oldtimer gut über den Winter zu bringen sei oder was Frauen an Männern über 40 angeblich sexy finden: "Grau punktet ungemein."

Das könnte auch die Leserin von Brigitte woman interessieren, einem viermal jährlich erscheinenden Sonderheft der selbst schon 50 Jahre alt werdenden Brigitte aus dem Großverlag Gruner+Jahr. Das Objekt wendet sich an Frauen über 40, die sich "in der Phase nach Kindererziehung und gleichzeitigem beruflichen Fortkommen nicht etwa zurückziehen", sondern sich "noch einmal völlig neu" orientieren.

Dabei ist schon die durchschnittliche Leserin des Mutterblattes zwischen 30 und 49 Jahre alt - wozu da noch ein weiteres Magazin? "Die Hefte sind komplementär", erklärt Pressesprecherin Christiane Dähn: "Die Rubriken sind zum größten Teil dieselben, aber die Herangehensweise ist eine andere." Es sei eben ein Unterschied, ob eine Frau mit Mitte 40 vom Partner verlassen werde oder mit Anfang 30.

Die reife Frau weiß offenbar, was ihr steht, und so kleidet sich Brigitte woman in geschmackvoll-gedeckten Farben. Die Leserin erwarten klassische Frauenzeitschriften-Themen rund um Klamotten, Kosmetik und Reportagen, aber aus einem anderen Blickwinkel: So geht es um die weiße Hochzeit mit über 40, "Die neuen Falten-Füller" oder "Ich darf mein Enkelkind nicht sehen: Ausgegrenzte Großeltern".

Trend für Grauhaarige

Viele Modestrecken in Brigitte woman zeigen Models mit Lachfalten und den ersten silbernen Haarsträhnen. Der Trend zum Lesestoff für Grauhaarige hat auch an der Verlagsgruppe Milchstraße nicht Halt gemacht, die einst mit Fit for Fun oder Amica der jungen Spaß-Generation einen publizistischen Überbau boten.

"Was jeder über 35 wissen sollte", verspricht My Life im Untertitel. Das Sonderheft von Fit for Fun soll in diesem Jahr viermal erscheinen; neben Berichten über Herzinfarkt-Behandlungen gibt es auch einen kleinen Artikel über Geburt per Kaiserschnitt. Chefredakteur Willy Loderhose kann sich im Editorial auffallend gut in das Lebensgefühl jener Menschen einfühlen, die mit dem "Jugendwahn" abgeschlossen haben, aber strikt gegen Schönheitsoperateure sind, die "die Würde des Alters ignorieren".

Der My life-Leser sei um die 40, habe etwas erreicht und frage sich, was er noch von den restlichen 40 Jahren seines Lebens will, so Vize-Chefin Cornelia Brammen. Was das ist? "Gesundheit und Fitness - aber ohne Waschbrettbauch." Line Extension nennt man im Marketing-Jargon die Strategie der Verlage, den Lesern in jeder Lebenslage ein passendes Objekt zu bieten.

Von solchen Überlegungen ist Lenz weit entfernt. Das Blatt, dessen Titelbild bis vor einiger Zeit die Unterzeile "...für die besten Jahre" zierte und das deutlich betulicher wirkt als die sich anglophil gebende Konkurrenz, richte sich an die "Generation 50 plus", so Chefredakteur Jürgen Sinn. Das Monatsmagazin unterteilt sich in die Schwerpunkte "Recht und Finanzen", "Gesundheit" und "Miteinander" - man verzichtet bewusst auf Anglizismen.

Auch die Bezeichnung "Senioren" steht auf dem Index. Wer will schon Senioren-Presse sein? Manchmal zeigt das bunte Hochglanz-Titelbild eine Lenz-Leserin. "Sieht doch toll aus", meint der erst 42-jährige Sinn: "Unser Heft ist sehr direkt und offen. Wie ist es, wenn mein Partner stirbt oder schwer krank wird? Das sind Themen, die angesprochen werden müssen!"

Der Kölner Herausgeber von Lenz, Senior Publications, gehört zu einer belgisch-französischen Verlags-Gesellschaft, die in ganz Europa mit ähnlichen Illustrierten vertreten ist. Anderenorts hat man die "Silver Generation" schon länger entdeckt: Das französische Notre Temps ("Unsere Zeit") gibt es seit 1968.

Erfolg möglich

Vieles spricht für einen Erfolg dieses Genres. So wird nach Einschätzung der Statistiker im Jahr 2050 die Hälfte der deutschen Bevölkerung älter als 48 Jahre alt sein. Und "Best Agers" haben Geld: Laut dem Statistischen Bundesamt verfügen die Haushalte der 55- bis 65-Jährigen im Schnitt über mehr als 47000 Euro Bruttogeldvermögen. Kürzlich öffnete in Salzburg bereits Europas erster Supermarkt für ältere Shopper. Werbeagenturen stecken ihre Mitarbeiter schon mal in so genannte Age Simulator-Anzüge.

Einer, der trotzdem nicht an den Erfolg von Magazinen für Ältere glaubt, ist Wolfgang Schuldlos von der Media-Agentur Zenith More Media: "Mediennutzung ist keine Einbahnstraße." Nach seiner Erfahrung würden "Best Agers" vor allem "General Interest"-Zeitschriften wie Focus, Wirtschaftswoche oder die klassische Brigitte lesen. Schuldlos spricht von einem "Alters-Lag", einer zeitlichen Verzögerung im Verhalten: Besonders ältere Leser würden eher zu jüngeren Titeln greifen. "Niemand von ihnen möchte an sein tatsächliches Alter erinnert werden - frei nach dem Motto: Man ist so jung, wie man sich fühlt."

Offenbar interpretieren einige in der Branche das Motto aber so, dass sie mit Unternehmer-Mut und eigenen Heften aufwarten. Bereits seit 1989 hält sich so auf dem schnelllebigen Zeitschriften-Markt ein Heft namens ab 40: großformatig, einmal im Vierteljahr erscheinend.

Dickes Papier

Das auf dickem Papier gedruckte Heft ("Zeitschrift von, für, über Frauen") einer kleinen Münchner Verlagsgesellschaft gefällt sich mit ungewöhnlichen Fotostrecken und esoterischem Touch. Es herrscht der frauenbewegte Unterton der Achtziger Jahre: Die Leserinnen und manche der Interviewpartnerinnen werden hartnäckig geduzt.

Die erste Ausgabe des Jahres haben die Macher ganz dem Element Feuer gewidmet: Vor dem Text über den "Weg des wachsenden Lichtes - Drei Feste im Jahreskreis der Göttin" finden sich Nahaufnahmen von glühenden Holzscheiten.

Einige können eben doch durchs Feuer gehen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: