Zum Feind haben möchte man ihn nicht. Wirklich nicht. Sein Blick fordernd und wach, darüber buschige weiße Augenbrauen, die wie ein spitzes Dreieck in die Höhe ragen. Ohne Probleme könnte er den Bösewicht in einer amerikanischen Seifenoper spielen. In "Dallas" zum Beispiel, das würde passen, lebt er doch in der gleichnamigen texanischen Stadt und spricht mit zäh-nasalem Südstaaten-Akzent.
Dazu ein Name, wie ihn sich ein Drehbuchschreiber nicht besser hätte ausdenken können: "Ich bin T. Boone Pickens, und ich war mein ganzes Leben lang ein Öl-Mann", sagt er selbstbewusst in die Kamera, weichgezeichnet, im Hintergrund eine säuselnde Country-Gitarre.
Wohlhabend durch Öl
Das Öl hat ihn wohlhabend gemacht, hat den jetzt 80-Jährigen auf den 131. Platz der reichsten Amerikaner gehievt. Das berechnete das Wirtschaftsmagazin Forbes im September. 3,1 Milliarden Dollar besitzt er demnach. Das reicht immer noch für Platz 369 auf der weltweiten Liste der Superreichen. Aber viel wichtiger ist in Amerika wohl das "self made", das hinter seinem Namen in der Forbes-Liste vermerkt ist. Nein, er hat nichts geerbt, nichts geschenkt bekommen. Er hat gearbeitet. Geht nicht, gibt es nicht bei T. Boone Pickens. Und an diesem Image feilt er, keine Frage.
So berichtet er gerne von den Umständen seiner Geburt in dem kleinen Städtchen Holdenville im Bundesstaat Oklahoma. Zahlreiche Probleme habe es gegeben, weshalb der Arzt den Vater vor die Wahl gestellt habe: Er könne entweder Mutter oder Kind retten. Der Vater habe sich aber geweigert, eine solche Entscheidung zu fällen, habe stattdessen den Arzt dazu überredet, den ersten Kaiserschnitt in der Geschichte des örtlichen Krankenhauses durchzuführen - es war das Jahr 1928, und so ein Eingriff war alles andere als Routine. So überlebten Mutter und Sohn. Sein Leben hat er also dem Tod abgetrotzt. "Ich habe immer gesagt, ich bin der glücklichste Kerl auf der Welt", sagt Pickens, "ganz sicher war ich das auch in dieser speziellen Nacht." Geht nicht, gibt es eben nicht.
Vom Zeitungsjungen zum Millionär
Das durfte dieser Tage auch der Fernsehsender NBC erfahren. Geht nicht, sagten die Verantwortlichen zu dem Milliardär, als der seinen "Ich bin T. Boone Pickens"-Werbespot bei ihnen schalten wollte. "Geht doch", dachte sich Pickens und sagte das dann auch laut beim NBC-Konkurrenten Fox News und in einem öffentlichen Brief: Es sei interessant, dass sich der Sender nur wahlweise an den ersten Verfassungszusatz halte und den Zuschauern Informationen vorenthalte. Wie gesagt - T. Boone Pickens ist ein unangenehmer Feind. Noch am gleichen Tag war der Spot auf NBC zu sehen. So läuft es in der Welt von T. Boone Pickens.
Sein erstes Geld verdiente er sich als Zeitungsjunge, es gab ein Cent pro ausgetragener Zeitung. Er bekam die kleinste Straße seines Heimatstädtchens Holdenville zugeteilt, 28 Zeitungen, macht 28 Cent am Tag. Das reichte ihm nicht, schon bald verhandelte er nach und rang seinem Chef die angrenzenden Straßen ab. So belieferte er 156 Haushalte - und kassierte 1,56 Dollar. Da war er gerade knapp zwölf Jahre alt. Auch das ist eine Geschichte, die er gerne erzählt.
Mit Anfang 20 schloss Pickens sein Geologie-Studium ab. Einen Job zu finden, war in den fünfziger Jahre nicht einfach. Er bekam trotzdem einen, 500 Dollar verdiente er im Monat, glücklich war er nicht. Also machte er sich selbständig, suchte auf eigene Faust nach Erdölvorkommen. 1956 gründete er in Texas die Firma Mesa. Nur 2500 Dollar besaß er damals, dafür schon Frau und drei Kinder, die alle satt werden wollten. 30 Jahre später war Mesa das größte Öl-Unternehmen der USA.
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Auf dem Weg nach oben hat er sich viele Feinde gemacht. T. Boone Pickens zieht das doppelte O seines Namens zu einem langen UUU, so dass es nur noch ein bisschen so klingt wie das T-Bone-Steak. "Unternehmens-Pirat" nannten ihn einige, das Fortune-Magazine kürte ihn zum "meistgehassten Mann Amerikas". Feindliche Übernahmen waren in den achtziger Jahren seine Spezialität, er kaufte sich ein, setzte Geschäftsführer unter Druck, ließ Mitarbeiter feuern.
"Geld habe ich genug verdient"
1997 gründete T. Boone Pickens einen Hedgefonds, an dem er bis heute knapp die Hälfte der Anteile hält. Das war kurz vor seinem 70.Geburtstag - aber er denkt eben modern, wohl auch deshalb sind viele seiner Spekulationen ein Erfolg. Viele, aber nicht alle.
Gerade muss er wohl die bitterste Niederlage seines langen Lebens einstecken: Die Finanzkrise macht auch vor Legenden nicht halt, das Wall Street Journal berichtete im August, dass sein Energie-Hedgefonds 30 Prozent im Minus sei, sein Rohstoff- Fonds sogar 84 Prozent. Macht alles in allem einen Verlust von einer Milliarde Euro. Und das bei einem Mann, dessen Buch "Die erste Milliarde ist die härteste" ein Bestseller ist. Sein Privatvermögen soll nun um 270 Millionen Dollar geschrumpft sein. Kein Grund, sich Sorgen zu machen, es dürfte immer noch für einen goldenen Ruhestand reichen.
Dafür wäre es eigentlich an der Zeit, ist Pickens doch dieses Jahr 80 geworden. Er könnte sich ausruhen, mit seiner vierten Ehefrau Madeleine spazierengehen, sich mit seinen fünf Kindern treffen und seine rund ein Dutzend Enkel knuddeln. Tut er aber nicht. T. Boone Pickens denkt weiter an die Zukunft. Das Öl, das ihn reich gemacht hat, sei nun Vergangenheit, sagt er. Eben deshalb schaltet er den "Ich bin T. Boone Pickens"-Spot amerikaweit. "Ich war mein gesamtes Leben lang ein Öl-Mann, aber aus dieser Situation können wir uns nicht herausbohren", verkündet er da. Über 50 Millionen Dollar soll er ausgegeben haben für ganzseitige Anzeigen in Zeitungen und TV-Spots. Er verkündet, dass er sich Sorgen mache, weil Amerika zu abhängig sei von Öl-Importen aus anderen Staaten. Deshalb hat er einen Plan, den Pickens-Plan.
Wind und Wasser, das ist der Plan, die Energiewende für Amerika. Und weil T.Boone Pickens immer groß denkt, hat er ein gigantisches unterirdisches Wasserreservoir gekauft und baut die größte Windanlage der Welt in Pampa, Texas. Schon zwei Milliarden Dollar hat er investiert. Regelmäßig streift er mit seinem gelben Geländewagen, Marke Hummer, vorbei, um den Stand der Bauarbeiten zu kontrollieren. 22 Prozent der Elektrizität könne aus Wind gewonnen werden, sagt Pickens. Er schätzt nicht. Er weiß, sagt, befiehlt, bestimmt.
Ums Geld gehe es ihm nicht, sagt er. "Geld habe ich genug verdient." Fraglich, ob jemand wie Pickens jemals genug hat. Denn sehr wahrscheinlich wird er verdienen. Experten sind sich einig, dass Trinkwasser in einiger Zeit knapp und damit teuer sein wird. Und dass alternative Energien die Zukunft sind. Die Frage ist nur, wann sich die Spekulation für T. Boone Pickens auszahlt. Ist er doch schon 80 Jahre alt. Dass es ihn irgendwann nicht mehr geben könnte, damit rechnet der Mann mit dem TV-Bösewicht-Gesicht anscheinend nicht. Denn dem Tod, dem hat er doch schon bei seiner Geburt ein Schnippchen geschlagen.