Die großen Erbfälle: Geld - Macht - Hass:Tarzans Witwe

Szenen wie im Dschungelcamp: Beim Streit um das Erbe des Großindustriellen Hans-Heinrich Thyssen-Bornemisza geht es um Kunst, Geld und eine Frau, die schon früh Männer betörte.

Javier Caceres

An diesem Samstag wird Borja Thyssen 30 Jahre alt, und wenn alles gut für ihn läuft, wird sich sein Konto wieder um etliche Millionen Euro füllen. Ließe er sich die Summe in gar nicht mal so kleinen Scheinen auszahlen, könnte er sich sogar seinen alten Kindheitstraum erfüllen: in Banknoten zu baden. So wie Onkel Dagobert, dessen Abenteuer er als Bub immer auf Video anschaute.

Baron Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza, 1997

Unzählige Kunstwerke: Die Sammlung von Hans-Heinrich Thyssen-Bornemisza ist nur ein Teil des Erbes, um das gestritten wird.

(Foto: ag.ap)

Alle paar Jahre wollte ihm seine Mutter Maria del Carmen "Tita" Cervera, 67jährige Witwe des im Jahr 2002 gestorbenen Kunstmäzens und Großindustriellen Hans-Heinrich Thyssen-Bornemisza, einen Teil seines Erbes auszahlen. So war es mal ausgemacht.

Doch ob er in diesem Jahr wirklich die einst angedachte Rate bekommt, ist ungewiss. Denn um das unkalkulierbare, weitverwinkelte Erbe, das die Thyssen-Dynastie im Laufe von Jahrzehnten angehäuft hat, tobt ein unheilvoller Krieg. Wieder einmal. Oder immer noch, wie man gerade will.

Dschungelcamp für reiche Erben

Schon seit über einem Jahr haben Mutter und Sohn kein Wort mehr miteinander gewechselt. Zumindest nicht mehr auf direktem Wege. Sie verkehren vielmehr per Anwalt, Notar und Gerichtsdienern miteinander. Vor allem aber: über alle erdenklichen Klatschkanäle aus Spaniens Presse, Funk und Fernsehen. Es geht so abstrus zu wie in der Fernsehserie Dschungelcamp.

Der Grund: die Entfremdung von Mutter und Sohn, die just in dem Moment einsetzte, da dieser eine Frau ehelichte, die ihr, der Mutter, nicht gefällt. Die Frau: Blanca Cuesta, ein Fotomodell, das mitunter nackt posierte. So wie sie, Tita Cervera, einst nackt posiert hatte. Damals, kurz bevor sie "Heini" kennenlernte, aber schon längst in ihrer spanischen Heimat eine nationale Größe geworden war.

Im Jahr 1961, als in Spanien noch der bleierne Klerikalfaschismus herrschte, schrieb sie Geschichte als erste "Miss España". Seither sind autorisierte und vor allem nicht autorisierte Biografien erschienen, die ihr, der heutigen Kunstmäzenin und High-Society-Figur unverblümt vorwerfen, ihre angeblich bescheidene Herkunft frisiert zu haben. Von wegen Ingenieur: Mechaniker sei ihr Vater gewesen, ihre Mutter hingegen diejenige, die sie darauf drillte, reiche Männer zu becircen.

Kein Glück mit dem Playboy

Unbestritten ist nur, dass sie Lex Barker in einem Flugzeug kennenlernte, nachdem sie ihm auf dem Weg nach Zürich um ein Autogramm gebeten hatte, mit ihm ins Gespräch kam und dieser ihr nicht nur das Souvenir, sondern 1965 auch das Ja-Wort gab. 1972 starb Barker, angeblich am Vorabend der Scheidung.

Tita Cervera wurde für die Spanier zu "Tarzans Witwe" und erbte unter anderem das Anwesen, dass der Hollywood-Schauspieler an der Costa Brava erbaute. 1975 ehelichte sie einen venezolanischen Playboy, doch als sich herausstellte, dass dieser schon anderweitig verheiratet war, wurde die Ehe annulliert. Am 24. Juli 1980 wurde sie schließlich die ledige Mutter Borjas.

Wer dessen biologischer Vater war, war lange ein Geheimnis. Klar war nur sehr früh, dass es nicht Heinrich Thyssen-Bornemisza gewesen sein konnte. Den nämlich lernte sie erst 1981 kennen, auf einem Kreuzfahrtschiff, das Tita eigentlich nicht besteigen wollte; 1983 erst tauchten Fotos des "Barons" mit seiner letzten großen Liebe auf.

Turtelnd waren sie bei einer Yacht-Tour auf dem Mittelmeer von Paparazzi abgeschossen worden. Auch Borjas blonder Kleinkind-Schopf war auf den Fotos zu sehen, 1985 folgten in New York Hochzeit, Taufe und Adoption von Borja durch Thyssen - in einer einzigen Zeremonie, die den Keim für Erbstreitigkeiten von beispiellosen Dimensionen legte.

Kein Frieden trotz "Pakt von Basel"

Sie stellten sogar jene Konflikte in den Schatten, die Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza, Jahrgang 1921, in seiner eigenen Kindheit erlebt hatte. Denn als "Heinis" Großvater, der Stahlbaron August Thyssen, 1926 starb, zerstritten sich dessen Nachkommen. Heillos.

"Heini" selbst hatte 1947 geerbt, von seinem Vater, der in Ungarn die Baronin Margit Bormemisza geheiratet hatte, ein Firmenimperium und die Hälfte der Gemäldesammlung der Thyssen-Dynastie. Mit den Jahren baute er sie zu einer der wichtigsten Kunstkollektionen der Welt aus. Doch nicht nur alte Meister sammelte er, auch Frauen. Fünf Mal war er verheiratet, der adopierte Borja war schließlich sein fünftes Kind.

Wohl auch vor dem Hintergrund der verwinkelten Familiengeschichte und ihrer unkontrollierten Erbschaftskriege war es ihm ein besonderes Anliegen, die Aufteilung seines Vermögens noch zu Lebzeiten zu organisieren. Doch das misslang. Und zwar gründlich.

Die dunkle Hand der Stiefmutter

Teil dieses Versuches war die Gründung der Thyssen Bornemisza Group, einem undurchdringlichen Gestrüpp aus 300 Firmen, das 1983 auf den Bermudas entstand. Die Verantwortung dafür übertrug er in einem komplizierten Vertragswerk seinem ältesten Sohn Georg Heinrich. In dem Kontrakt waren auch die Erbansprüche geregelt, zudem die jährlichen Gewinnausschüttungen für "Heini".

Die Ruhe währte nicht lange, denn Heinrich Thyssen ließ sich von Tita dazu hinreißen, einen großen Teil seiner Gemäldesammlung von der Schweiz nach Spanien zu verlegen. Es war der Grundstock für das heutige Museum Thyssen-Bornemisza im Herzen Madrids, das als eine der besten Pinakotheken Europas gilt und mit 700.000 Gästen pro Jahr exzellent besucht ist.

Auch wegen dieser Aktivitäten wuchsen sich die Differenzen im Hause Thyssen zu einem sagenumwobenen, jahrelangen Rechtsstreit auf den Bermudas aus. Heinrich Thyssen fühlte sich vom Sohn hintergangen, der wiederum die dunkle Hand der Stiefmutter zu erspähen glaubte.

Familientreffen vor Gericht

Der Vater klagte, die Prozessakten machten mehr als 100.000 Seiten im Format DIN A4 aus. Im Januar 2001, nach einem 66-tägigen Eingangsstatement von Heinrichs Anwalt, warf der Richter, ein Schotte namens Denis Mitchell, entnervt die Brocken hin: "Mir reicht's." Da hatten sich die Anwaltskosten auf einen dreistelligen Millionenbetrag summiert.

Im Jahr 2002 schließlich vollbrachte es Heinrich Thyssen-Bornemisza, von Krankheit schwer gezeichnet, seine leiblichen Kinder um einen Tisch zu versammeln und den Krieg beizulegen, sein Erbe zu ordnen. "Pakt von Basel" wird die Übereinkunft genannt, als wäre sie ein Waffenstillstandsabkommen aus einem mittelalterlichen Krieg.

Ebendieses Vertragswerk ist nun Gegenstand des Streits zwischen Tita und Borja, zwischen der Mutter und ihrem einst heißgeliebten Sohn. Ausweislich der Klatschzeitungen lebte er auf zu großem Fuße, insbesondere aufgrund seiner Leidenschaft für schnelle Autos und hübsche Frauen, ehe er Blanca Cuesta heiratete und mit ihr seinen ersten Sohn zeugte.

Ende 2009, nachdem Tita angeblich einen Gentest von ihrem Enkel verlangt haben soll, klagte Borja in einem seitenlangen Interview mit der Regenbogen-Illustrierten ¡Hola!, seine Mutter habe ihm nicht nur den wahren Umfang des Erbes verheimlicht. Sondern alles.

"Sie hat mir immer gesagt, dass mir gar nichts zustehe; nur das, was sie mir geben wolle." Tita Cervera beschuldigte die Schwiegertochter, ihrem Sohn den Kopf verdreht zu haben. "Sie hat sein und mein Leben verändert", sagt sie - und fürchtet, ihre Kunstsammlung könnte zerfleddert werden.

Spaniens Staat wiederum fürchtet, Tita Cervera könnte sie ins Ausland schaffen. Der Pachtvertrag läuft kommendes Jahr aus. Zuvor allerdings dürften sich die Thyssens wohl noch einmal sehen: Nach bester Familientradition - vor Gericht.

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