Die Geschäftemacherei der TV-Köche:Lächeln und abkassieren

Das Geldverdienen hört an der Herdplatte nicht auf: Etliche TV-Köche haben die Lizenz zum Gelddrucken entdeckt - den lukrativen Nebengeschäften diesseits der Mattscheibe sei Dank.

Klaus Wieking

Der coole Blick und das gezückte (Küchen-)Messer signalisieren Entschlossenheit: Flankiert von den Moderatoren Caren Miosga und Ranga Yogeshwar wirbt TV-Koch Tim Mälzer auf Großplakaten für die aktuelle ARD-Themenwoche "Essen ist Leben". Mälzer kocht in den kommenden Tagen nach Rezepten von Zuschauern, die diese auf einer Homepage der ARD hochladen können - crossmedial nennt man das. Während der Themenwoche tischt Mälzer im Vorabend des Ersten ebenso leckere wie gesunde Mahlzeiten auf und ist gleichzeitig in der NDR Talk Show, bei Beckmann und in weiteren TV-Formaten zu Gast.

Koeche Teaser

Tim Mälzer, Jamie Oliver und Christian Rach verstehen nicht nur ihr Handwerk Kochen, sondern auch das Prinzip der Selbstvermarktung.

Der ARD-Job ist für den "Rockstar" unter den TV-Köchen nur einer von vielen. Nebenher betreibt Mälzer sein Restaurant "Bullerei" in Hamburg, hat soeben mit dem Kollegen Eckart Witzigmann ein weiteres Kochbuch herausgegeben und ist als Werber aktuell für die Farbenmarke Alpina und Springers Schwiegermutterblatt Bild der Frau unterwegs. Ein extremer Fall von Selbstausbeutung? Nicht im Business rund um Topf und Pfanne.

Seitdem der Kochboom Tsunami-ähnliche Ausmaße angenommen hat, wird im Akkord an der Küchenzeile geschwitzt. Immer neue Rezepte, Kochbücher, Events und Formate werden dem nimmersatten Publikum in den Rachen geworfen - die Qualität der Vermarktungs- und Kochrezepte ist dabei oft zweitrangig.

Die Kölner Agenturchefin Manuela Ferling, eine der wichtigsten Promoterinnen im Koch-Geschäft, vermarktet nicht weniger als 39 Maestros, darunter Top-Personal aus Funk und Fernsehen wie Kolja Kleeberg, Ralf Zacherl und Martin Baudrexel. "Zehn TV-Köche sind wirklich prominent", schätzt Ferling. Seit Anfang der neunziger Jahre ist sie im Geschäft, Anfang dieses Jahrzehnts nahm das Geschäft richtig an Fahrt auf: "Der große Boom hat in den Jahren 2003/2004 angefangen." Seitdem haben sich TV-Köche à la Mälzer zu Multifunktionären in Sachen Kochen, Genuss und (Selbst-)Vermarktung entwickelt - die Rücksicht auf irgendwelche Geschmacksgrenzen hat dabei deutlich abgenommen.

Ein eigenes TV-Format, dazu Restaurant, Kochschule und Cateringservice gehören für einen Fernsehkoch inzwischen zum Pflichtprogramm. Wahlweise hinzu kommen Werbeeinsätze für die Nahrungsmittelindustrie, Produkte unter eigenen Namen und - sozusagen als Sahnehäubchen - eine eigene Show.

Der aktuelle Quotenkönig und Restauranttester Christian Rach hat erst kürzlich mit der Rach & Ritter GmbH ein Unternehmen gegründet, das sich vorzugsweise um die Vermarktung seiner Person kümmern soll. So gibt er zusammen mit dem Institut Fresenius das Label "Rach getestet" heraus, das Produkte bekommen, die ihm besonders gut schmecken, etwa Pastasoßen des Bio-Herstellers Alnatura.

Alles eine Frage des Geschmacks

Ein Selbstvermarkter par excellence ist auch Alfons Schuhbeck, der sich gern wie seine Kollegen Eckart Witzigmann und Johannes Lafer als Grandseigneur des guten Geschmacks inszeniert. Der Müncher Sternekoch betreibt unter anderem eine eigene Ladenkette und rührt in sämtlichen TV-Töpfen mit (Lanz kocht, Meine Küchengeheimnisse) Derzeit ist er mit seinem neuen Showprojekt Teatro aktiv, eine Mischung aus Fress-Event, Varieté und Musical, für das zunächst 120 Vorstellungen geplant sind.

Am anderen Ende der Image-Skala buhlen jene jungen wilden Köche um Aufmerksamkeit und Werbegelder, die sich gern mit Raver-Bärtchen und Piratentuch als Rebellen am Herd gerieren. Etwa Stefan Marquard, der durch Formate wie Die Kochprofis oder Kocharena populär geworden ist. Trotz Genießerfigur und ergrautem Ziegenbart gibt er den Punkrocker unter den TV-Köchen und zieht mit einer Catering-Truppe umher, die aussieht wie die Road-Crew von Metallica. Zwischendurch trommelt er ganz bürgerlich für das Einrichtungshaus Gienger und eine Kochtopfmarke. Der (ebenfalls nicht mehr ganz) junge Wilde Ralf Zacherl wirbt derweil für die Wurstmarke Zimbo. Im kommenden Jahr soll es eine große Kampagne geben.

Solcher Erwerbssinn und die damit einhergehende Wahllosigkeit der Engagements ruft immer wieder Kritiker auf den Plan. Denn: Ein TV-Koch soll nicht nur gut kochen, sondern auch gesund wie der Superstar im internationalen Cook-Business, der Brite Jamie Oliver - ein bisschen Mission sollte schon sein. Vor allem die Non-Profit-Organisation Foodwatch guckt den TV-Köchen regelmäßig in den Werbetopf und entdeckt dort Geschmacksverstärker, künstliche Aromen und andere Spitzentechnologie aus den Labors der Lebensmittel-Multis. Bekrittelt wurde unter anderem der Einsatz der TV-Köche Horst Lichter für Maggi und Martin Baudrexel für den Nahrungsmulti Unilever.

Die Organisation wirft den Werbern schlicht Heuchelei vor: In ihren Sendungen preisen sie frische Produkte, authentischen Geschmack und hochwertige Zutaten, im Werbeblock Tütensuppen. So werde die Food-Marke Escoffier über Alfons Schuhbeck wie Feinkost positioniert und abgerechnet, sei aber nur Standard-Industrieware mit Rinderextrakt im Fischfond und einer Buttersauce ohne Butter. Auch die Promotion "TV-Köche tischen auf", mit der die Deutsche Bahn ihre Bordrestaurants bewirbt, will den Tugendwächtern nicht schmecken. Die angebliche Spitzengastronomie sei eine "Mogelpackung" klagte Foodwatch und attackierte DB-Werberin Sarah Wiener, die eine Stiftung für die gesunde Ernährung von Kindern unterhält. Die wiederum fühlt sich von der Bahn reingelegt.

Auch im vor Koch-Shows, Küchenschlachten und Restaurant-Dokus berstendem Fernsehen stimmt die Qualität nur noch bedingt, wie selbst Koch-Promoterin Manuela Ferling klagt. Es werde "zu schnell und zu leichtfertig" auf bestimmte Formate gesetzt, so die Managerin: "Ich finde, dass Genre hat es verdient, dass man sich mit ihm auseinandersetzt." Sie sieht den Koch-Boom bereits ein bisschen über seinen Höhepunkt hinweg, glaubt aber, das der Hype noch jahrelang weitergehen wird. Wohl bekomm's!

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