Süddeutsche Zeitung

Die Finanzkrise und die Börse:Hedgefonds und Herdentiere

Als ein Schlag ins Wasser erweist sich das Verbot von Leerverkäufen - und als eine Gefahr und eine Verzerrung des Marktes. Denn es sind andere Faktoren, welche die Krise verschärfen.

Martin Hesse

Bei aller Dramatik nimmt die Finanzkrise mitunter komische Züge an. So klingt das Ansinnen des börsennotierten Hedgefonds-Anbieters Man Group zunächst nach Realsatire: Man möchte auf die Liste jener Firmen, die von der Börsenaufsicht gegen so genannte Leerverkäufe geschützt werden.

Verbot von Wetten auf fallende Kurse

Die USA, Großbritannien, Deutschland und Australien wollten den Absturz von Finanzaktien stoppen, indem sie diese speziellen Wetten auf fallende Kurse verbietet, die oft von Hedgefonds getätigt werden. Das Verbot ist jedoch ein Fehlschlag - und das Begehren der Man Group nicht so absurd, wie es auf den ersten Blick scheint.

Leerverkäufer leihen sich Aktien und verkaufen sie in der Hoffnung, sie später zu niedrigeren Kursen zurückkaufen zu können. Die Differenz streichen sie ein, wenn die Wette aufgeht. Banken wie Lehman und Morgan Stanley sehen in diesen Wetten den Hauptgrund für den Absturz ihrer Aktien.

Der Vorwurf ist erstens heuchlerisch, weil die Investmentbanken Hedgefonds in großem Stil unterstützen und selbst Leerverkäufe tätigen. Zweitens belegen Daten, dass Leerverkäufer nur einen sehr geringen Anteil an den Kursverlusten von Lehman und anderen hatten. Drittens fallen die Aktien vieler Firmen weiter, obwohl die jetzt vor Leerverkäufen geschützt werden. Nicht Hedgefonds, sondern der Herdentrieb aller Investoren verschärft die Krise.

Was Man angeht, so hat der Hedgefonds ein gutes Argument: Verbietet man bei einem Großteil der Finanzkonzerne die Spekulation auf fallende Kurse, werden sich die Wetten beim nächsten Börsenkrach auf die verbleibenden Firmen der Branche konzentrieren. Das ist für Unternehmen wie Man eine Gefahr und eine Verzerrung des Marktes.

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Quelle:
SZ vom 26.9.2008/kim/mel
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