Die Finanzkrise und das Vertrauen:"Ackermann hat es schwer"

Warum Vertrauen keinen Preis hat und warum Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann in diesen Tagen besonders leidet, erklärt Vertrauensforscher Bernd Lahno.

Melanie Ahlemeier

Professor Bernd Lahno lehrt Philosophie und Quantitative Methoden an der Frankfurt School of Finance & Management in Frankfurt am Main. An der Uni Duisburg habilitierte er mit seiner Arbeit "Der Begriff des Vertrauens".

Die Finanzkrise und das Vertrauen: Bernd Lahno unterrichtet an der Frankfurt School of Finance & Management in Frankfurt am Main.

Bernd Lahno unterrichtet an der Frankfurt School of Finance & Management in Frankfurt am Main.

(Foto: Foto: oH)

sueddeutsche.de: Herr Professor Lahno, die BayernLB hat den Auftakt gemacht und sich als erste Bank um Hilfen aus dem Finanzpaket des Bundes beworben, WestLB und HSH-Nordbank ziehen nach, und trotzdem fahren die Börsen Achterbahn. Ist Vertrauen nicht käuflich?

Bernd Lahno: Vertrauen hat wohl in manchen Zusammenhängen auch einen finanziellen Wert. Und dieser Wert kann, wie wir sehen, sehr hoch sein. Aber Vertrauen hat keinen Preis. Sie können Vertrauen nicht kaufen, ebenso wenig, wie Sie Liebe oder Zuneigung kaufen können. Da müssen Sie schon liebenswürdig sein. Die Maßnahmen der Bundesregierung zielen aber auch nicht direkt darauf, Vertrauen zu schaffen.

sueddeutsche.de: Worum geht es dann? Das gesamte Finanzsystem basiert doch in erster Linie auf Vertrauen.

Lahno: Bei den Maßnahmen der Bundesregierung geht es zunächst darum, die Märkte zu beruhigen. Einerseits werden - etwa durch Bürgschaften der Regierung - Risiken reduziert. Damit wird die Nachfrage nach Vertrauen gemindert und Vertrauen teilweise überflüssig gemacht. Andererseits wird nicht mehr vorhandenes Vertrauen in die Finanzwirtschaft durch Vertrauen in die Politik ersetzt. Solche Maßnahmen sind jetzt notwendig. Aber sie schaffen kein Vertrauen in die Finanzwirtschaft, sie bereiten nur den Boden dafür, dass die Finanzwirtschaft erst einmal wieder vertrauenswürdig werden kann und sich dann schließlich auch wieder Vertrauen verdienen kann.

sueddeutsche.de: Die Politik als Gewinner der Finanzkrise?

Lahno: Ich glaube schon. Die Finanzwirtschaft hat sich als nicht vertrauenswürdig erwiesen, und die Politik zeigt sich handlungsfähig. Sie hat Vertrauen gewonnen.

sueddeutsche.de: Wir erleben die größte Finanzkrise seit 80 Jahren, die Banken müssen Milliarden abschreiben. Ist das Vertrauen der Bürger in die Finanzbranche auf ewig verspielt oder besteht Hoffnung auf wieder bessere Zeiten ?

Lahno: Wir haben in erster Linie nicht eine Krise des Vertrauens, sondern eine Krise der Vertrauenswürdigkeit. Das System, auf das wir uns alle verlassen haben, funktioniert nicht in unserem Sinne. Erforderlich sind wirksame institutionelle Änderungen, neue Regeln und Werte, die das Handeln in der Finanzwirtschaft angemessen leiten können.

sueddeutsche.de: Das klingt nach Sozialismus pur und Versagen des Kapitalismus.

Lahno: Nein, das hat nichts mit Sozialismus zu tun. Die Frage ist, inwieweit wir staatliche Eingriffe für funktionierende Märkte benötigen. Auch in der Finanzwirtschaft gibt es jetzt die Meinung, dass solche Eingriffe kurzfristig erforderlich sind. Aber das sind Notfallmaßnahmen. Grundsätzlich brauchen wir neue Regeln für den Markt. Und die müssen gerade so sein, dass direkte staatliche Eingriffe nicht nötig sind.

Lesen Sie weiter, warum es sich bei der Deckelung der Managergehälter bei Inanspruchnahme des Rettungspaketes in erster Linie um einen symbolischen Akt handelt.

"Ackermann hat es schwer"

sueddeutsche.de: Eingreifen will die Regierung auch bei den Managergehältern. Inwieweit kann eine Gehaltsdeckelung für Vorstände von Finanzinstituten, die das staatliche Rettungspaket in Anspruch nehmen, vertrauensbildend wirken?

Die Finanzkrise und das Vertrauen: Aktienhändler an der New York Stock Exchange: Die Märkte benötigten Regeln, die von allen Teilnehmern akzeptiert werden, sagt Bernd Lahno.

Aktienhändler an der New York Stock Exchange: Die Märkte benötigten Regeln, die von allen Teilnehmern akzeptiert werden, sagt Bernd Lahno.

(Foto: Foto: AFP)

Lahno: Das ist zunächst einmal ein symbolischer Akt, der natürlich keine direkten Wirkungen auf den Markt hat. Trotzdem kann er sinnvoll sein. Den Menschen wird vermittelt: Hier sind Ziele und Werte abhandengekommen, und das haben wir erkannt. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass eine Neuorientierung glaubwürdig vermittelt werden kann.

sueddeutsche.de: Wie kann dann neues Vertrauen ganz konkret hergestellt werden?

Lahno: Jeder Markt braucht Regeln. Ein abstraktes Regelwerk allein mit den dazugehörigen Kontrollen und Sanktionen reicht aber in einem komplexen sozialen Zusammenhang, wie es der Markt ist, nicht aus. Die Regeln müssen von den Marktteilnehmern als richtig und bindend akzeptiert werden. Da ist die ganze Finanzwelt gefragt, ein solches Einverständnis herzustellen. Dieses Einverständnis muss nach außen kommunizierbar sein. Jeder einzelne Bürger muss spüren können, dass er sich auf die Banker und ihre Arbeit einlassen kann - nur so kann wieder Vertrauen entstehen.

sueddeutsche.de: Warum fehlt den angeschlagenen Banken das Vertrauen, das Rettungspaket des Bundes zügiger in Anspruch zu nehmen? Es sieht aus, als ob sich die Institute dafür schämten, um Hilfe zu bitten.

Lahno: Es ist für die Finanzinstitute mit Kosten verbunden, Maßnahmen aus dem Rettungspaket in Anspruch zu nehmen. Einmal sind daran Bedingungen geknüpft, die die Banken nicht gerne erfüllen werden. Zum anderen muss, wer Bedarf anmeldet, mit einem Reputationsverlust rechnen - und damit auch mit einem gewissen Verlust an Marktmacht.

Die Situation der Finanzinstitute ist einerseits bestimmt durch ihre finanzielle Lage, andererseits aber auch durch die schlechte Marktlage. Wenn hinreichend viele Marktteilnehmer die Maßnahmen der Bundesregierung nutzen, wird sich die Marklage wahrscheinlich entscheidend verbessern. In dieser Situation lautet die Devise offenbar: Hannemann, geh du voran! Lass die anderen mal für eine bessere Marktlage sorgen, dann komm ich schon zurecht. Das ist ein typisches Problem kollektiven Handelns.

Lesen Sie weiter, warum es Deutsche-Bank-Chef Ackermann in diesen Tagen besonders schwer hat.

"Ackermann hat es schwer"

Die Finanzkrise und das Vertrauen: Buhmann Josef Ackermann: Der Chef der Deutschen Bank soll vor Managern seines Hauses gesagt haben, dass er sich schämen würde, sollte sein Institut Hilfe vom Staat benötigen. In der Politik gab es anschließend Stimmen, Ackermanns Aussage ließe andere Banken zögern, Finanzbedarf beim Staat anzumelden.

Buhmann Josef Ackermann: Der Chef der Deutschen Bank soll vor Managern seines Hauses gesagt haben, dass er sich schämen würde, sollte sein Institut Hilfe vom Staat benötigen. In der Politik gab es anschließend Stimmen, Ackermanns Aussage ließe andere Banken zögern, Finanzbedarf beim Staat anzumelden.

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sueddeutsche.de: Ist Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ein Mann des Vertrauens? Er hat das Rettungspaket des Bundes mit auf den Weg gebracht, sein Bad-Guy-Image schien vergessen. Nun sagt er, die Deutsche Bank benötige keine Staatshilfe. Hat Ackermann seine Glaubwürdigkeit schon wieder verspielt?

Lahno: Bei dem Rettungspaket geht es um eine Beruhigung und Stärkung des Marktes. Dafür braucht man hervorragende Fachleute, die den Markt kennen. Dass Herr Ackermann ein solcher ist, wird niemand bezweifeln. Ich zweifele aber daran, dass er mit seinem Beitrag zum Rettungspaket auch schon die Glaubwürdigkeit erlangt hat, die man zu einer Reform der Finanzwirtschaft braucht. Allerdings muss man zugestehen, dass es Herr Ackermann in dieser Hinsicht auch schwer hat.

sueddeutsche.de: Warum hat es der Chef der Deutschen Bank schwerer als andere Banker?

Lahno: Er repräsentiert wie kein anderer in Deutschland die Werte der Finanzwirtschaft, die gerade in Verruf geraten sind. Im Hinterkopf schwingt auch nach Jahren noch Ackermanns Victory-Zeichen mit. Er steht für die Überzeugung: Wenn jeder nur effektiv seinen eigenen Vorteil verfolgt, dann wird es am Ende allen gutgehen. Deshalb muss man sich darum nicht kümmern. Was immer er sagt oder tut, wird in diesem Sinne interpretiert. Auch dann, wenn er es nicht so meint. Um Vertrauen zu schaffen, brauchen wir Menschen, die neue Werte und Verantwortung für andere verkörpern können.

sueddeutsche.de: Die Deutsche Bank hat im US-Immobilienmarkt Geld verbrannt und besinnt sich nun mit dem Einstieg bei der Postbank auf das von ihr bislang verpönte Privatkundengeschäft zurück. Ein Weg, um verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen?

Lahno: Es ist zumindest ein Schritt in Richtung Vertrauenswürdigkeit.

sueddeutsche.de: Wie lange dauert es, bis verlorengegangenes Vertrauen der Bankkunden wiederhergestellt ist?

Lahno: Wenn Vertrauen verlorengegangen ist, lässt es sich nur langsam wieder aufbauen. Man muss hier möglicherweise zwischen den verschiedenen Arenen des Vertrauens unterscheiden. Das Vertrauen der Banken untereinander ist wahrscheinlich zum größten Teil eine Frage von Informationen und von harten Daten und Fakten. Es ist nur Vertrauen in dem weiteren Sinne des "sich auf den anderen verlassen". Das kann vielleicht relativ schnell wieder aufgebaut werden. Bei den normalen Bürgern und Kunden bin ich eher skeptisch.

sueddeutsche.de: Warum?

Lahno: Die brauchen Vertrauen, weil sie gerade nicht in der Lage sind, die Risiken im Umgang mit der Finanzwirtschaft kognitiv zu verarbeiten. Sie können sich deshalb nur darauf stützen, wie sie die Akteure der Finanzwirtschaft, ihre Ziele und Werte insgesamt wahrnehmen. Solches Vertrauen wieder aufzubauen wird dauern. Dabei sollte sich die Finanzwirtschaft nicht über die Bedeutung dieses Vertrauens täuschen. Es wird wesentlich darüber bestimmen, welche Spielräume wirtschaftlichen Handelns den Finanzinstituten in Zukunft noch bleiben werden.

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