Die Bank im Bus:Geld auf der Straße

Die Hausbank dreht den Geldhahn zu - was tun? Auch kleinen Firmen hilft der Staat und er kommt sogar zu ihnen: Die Staatsbank KfW tourt im Bus.

Helga Einecke

Der Mann im kurzärmligen karierten Hemd kommt schnell zur Sache. "Meine Hausbank sagt, es würden nur Investitionen gefördert. Ich brauche das Geld aber für Betriebsmittel und Vorfinanzierungen", sagt der Inhaber eines metallverarbeitenden Betriebs aus dem Westerwald.

Die Bank im Bus: Wenn die Hausbank den Kredithahn zudreht, kann die KfW mit Staatsgeld aushelfen. Um kleine Unternehmen besser zu informieren, tourt die Bank mit zwei Bussen durch die Provinz.

Wenn die Hausbank den Kredithahn zudreht, kann die KfW mit Staatsgeld aushelfen. Um kleine Unternehmen besser zu informieren, tourt die Bank mit zwei Bussen durch die Provinz.

(Foto: Foto: AP)

Er sitzt auf einem Hocker vor dem orange-blauen Bus der Staatsbank KfW, der mitten in der Fußgängerzone von Gießen parkt. Daniela Korte, Vertriebsreferentin der KfW, kennt das. Im Rahmen der Konjunkturprogramme werden neuerdings auch laufende Kosten staatlich gestützt. Aber das weiß noch nicht jede Bank.

Der Unternehmer atmet auf. Er braucht das Geld. Bis Januar hatte er voll zu tun, dann brachen die Bestellungen weg. Er musste einige Mitarbeiter entlassen und arbeitet kurz. "Dieses Jahr wird eng", sagt der Mittelständler, meint damit die Beschäftigung und das Geld. Er zeigt auf den Bus: "Das hat schon einen Grund, warum die durch die Gegend fahren."

Erst wurden die Banken klamm, nun geht ganz allmählich dem deutschen Mittelstand das Geld aus. Wie die Flaute überbrücken? Woher das Geld für Abfindungen nehmen? Wie die Raten für den letzten Kredit tilgen?

Die Banken sind vorsichtiger geworden

Im Firmenkundengeschäft stehe den Banken das Schlimmste erst bevor, sagte Jürgen Fitschen, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank am Wochenende auf dem deutschen Familienunternehmertag in Berlin: "Die größten Probleme im kommerziellen Kreditgeschäft kommen erst in der zweiten Hälfte dieses und der ersten Hälfte des nächsten Jahres auf uns zu."

Von einer Kreditklemme will er ebenso wenig reden wie Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Tatsächlich gibt es keine flächendeckende Finanznot im Mittelstand, es trifft immer einzelne. Aber die Banken sind vorsichtiger geworden. Sie können und wollen das Risiko nicht mehr alleine tragen. Einen Teil soll die KfW übernehmen.

Auf dem Hocker vor dem Bus in Gießen hat ein älterer Herr mit schwarzem Sakko, gestreifter Krawatte und goldener Armbanduhr Platz genommen. Früher war er Geschäftsführer. Jetzt, mit über 50 Jahren, findet er keinen Job mehr. Er will sich selbständig machen, möglichst im Bereich Pflege.

Er benötigt Geld: "Home-Office und Auto habe ich schon", trumpft er auf. "Ich brauche höchstens 8000 Euro." Für solche Fälle sind die Konjunkturprogramme nicht vorgesehen. Dafür hat die KfW andere Finanztöpfe.

Korte empfiehlt das Startgeld, sich Zeit für das Konzept zu nehmen und mit dem Geld nicht zu knapp zu planen. Die Broschüre für seinen Businessplan will der Mann jetzt telefonisch anfordern. Tja, und dann wäre da noch eine neue Heizung im Eigenheim fällig. Könnte die KfW helfen? Sie kann.

Zwei Bank-Busse touren quer durch Deutschland

"Der Antrag muss aber vor der Investition gestellt werden", ermahnt Korte. Die junge Frau mit dem gewinnenden Lächeln und Sommersprossen hat viele Tipps. Sie ist schon ein paar Tage unterwegs. Zwei Busse hat die Staatsbank quer durch Deutschland auf den Weg geschickt.

"Es macht richtig Spaß", sagt Korte. Jeder dritte Bus-Kunde will Staatshilfen für seine Firma. Die Krise hat die Mittelständler noch misstrauischer gegenüber den Banken gemacht. Auf die Hausbank allein, wollen sie sich nicht mehr verlassen.

Viele Unternehmer informieren sich im Internet, fragen sich durch. Selbst für Korte ist es nicht ganz einfach, den Überblick über die vielen einzelnen Bausteine der Förderprogramme zu behalten. Sie muss erst klären, welches Programm zu welchem Vorhaben passt. Dann aber schickt sie die Leute zu ihrer Hausbank.

Der Kreditantrag muss über die Hausbank laufen. Irgendwann landet er dann vielleicht auf dem Schreibtisch von Anke Maehden in Frankfurt. Sie prüft die Anträge für Kredite aus den beiden Konjunkturpaketen.

Maehden ist zuständig für den Buchstaben S. Sie stammt aus Stralsund und kam im August 2000 zur KfW. Nebenher hat sie an der Hochschule für Bankwirtschaft studiert und den Master of Arts in Banking gemacht. Maehden sitzt im vierten Stock des KfW-Gebäudes in der Bockenheimer Landstraße in Frankfurt, ein schmuckloser Zweckbau aus den 60er Jahren.

Ansturm auf das Konjunkturpaket

Seit die Bundesregierung die Konjunkturprogramme verkündet hat, stehen die Telefone hier nicht mehr still. Bis zu 6700 mal pro Woche wird die Internetseite www.investitionspaket.kfw.de geklickt.

Eine mühsame Prozedur

Die Anträge gehen per Post ein oder Datenfernübertragung, DFÜ steht dann oben drauf. Vor allem Volksbanken und Sparkassen nutzen den elektronischen Zugang über ihre Spitzeninstitute, die Landesbanken oder Zentralbanken. Es ist eine mühsame Prozedur vom Eingang bis zur Bewilligung oder der Ablehnung.

Die Anträge landen zuerst bei Monika Rath und Karl-Heinz Herrmann, die sich ein Büro in dem Gebäude auf der anderen Straßenseite teilen. Sie erfassen die Anträge elektronisch und prüfen, ob alle Details und Zahlen, die auf dem Papier stehen, auch richtig in den Computer der Staatsbank gelangen. Dann versehen sie den Vorgang noch mit einem elektronischen Fingerabdruck, dem Barcode, damit endet die Eingangskontrolle.

Der Computer vergibt jeweils eine Nummer für den Vorgang, das Dokument, den Antrag. Dann ist Anke Maehden am Zug. Sie schaut nach, ob die durchleitende Bank, deren Referenz und der Antragssteller erscheinen. Sie beschäftigt sich mit der Höhe des Kredits, seiner Laufzeit, der tilgungsfreien Zeit, der Dauer der Zinsbindung, der Länge und Höhe der Haftung, die die KfW anstelle der Hausbank übernehmen soll. Das macht sie nicht nur am Bildschirm, sondern auch auf Papier.

Die Risiko-Checkliste

Sie wirft einen Blick auf die Bilanz der Firma, die häufig erst für 2007 vorliegt. Das kann zum Problem werden, denn der Stichtag für die Beurteilung, ob eine Firma erst durch die Finanz- und Wirtschaftskrise in Schieflage geraten ist, ist der 30. Juni. Maehden sucht überall nach Informationen, auch im Internet.

Dann geht sie eine Checkliste durch, intern heißt sie Risikoanlage B. Wie viel Erfahrung hat das Unternehmen? Muss eine Nachfolge geregelt werden? Wie hoch ist der Marktanteil? Wie viele Wettbewerber gibt es? Drohen Gerichtsverfahren? Seit wann besteht die Geschäftsbeziehung mit der Hausbank? Welchen Anteil haben die drei wichtigsten Kunden am Umsatz?

Die Liste sei "sehr wichtig", sagt Maehden, gebe sie doch Aufschluss über das Umfeld und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Die Europäische Kommission achtet genau darauf, dass nur Firmen, die vor Mitte 2008 kein Sanierungsfall waren, geholfen wird. Andernfalls gilt deren staatliche Unterstützung als ein Störfall im Wettbewerb.

Was passiert im schlimmsten Fall?

Hausbanken und Firmen müssen in ihrem Antrag nicht nur genau begründen, wofür sie den Kredit brauchen, sondern auch die Planzahlen bis zum Jahr 2011 vorlegen. "Für die Kapitaldienstfähigkeit brauchen wir ein worst-case-Szenario", erläutert die KfW-Mitarbeiterin.

Die Staatsbank will wissen, ob der Kreditnehmer im schlimmsten Fall auch in einigen Jahren noch die fälligen Zinsen bezahlen kann? Nur wer den Prognosen zufolge 2011 - mit Hilfe eines Kredits - in ähnlich guter Verfassung sein wird wie Anfang 2008 hat eine Chance auf Geld.

Zwei Wochen braucht Maehden normalerweise, um alle Papiere anzufordern, Prüflisten durchzugehen, sich ein umfassendes Bild zu machen. Meist geht es um Beträge von zwei bis zehn Millionen Euro. Mit der Firma selbst hat sie keinen Kontakt, sondern telefoniert oder mailt mit Sachbearbeitern der Hausbanken.

EU: Subventionstopf ist kein Selbstbedienungsladen

Besonders kniffelig ist die Ermittlung der jeweiligen Zinsen für den Kredit. Der Gesetzgeber schreibt Marktkonditionen vor, aber unter Beachtung EU-beihilferechtlicher Vorgaben. Bei anderen Programmen verlangt die KfW den Firmen einfach geringere Zinsen ab und verbilligt so die Kredite. Beim Konjunkturprogramm muss sie das Risiko einschätzen. 20 verschiedene Klassen gibt es: 20 ist ganz schlecht, 1 ist Spitze.

Allerdings muss die KfW nicht ganz von vorne anfangen, weil es immer schon eine Bonitätseinstufung durch die Bank gibt. Kommt die KfW zum gleichen Urteil wie die Bank, läuft alles optimal. Wenn nicht, wird nochmal geprüft. Manchmal müssen neue oder ergänzende Unterlagen angefordert werden.

Geld gibt es nicht unbegrenzt

Die EU-beihilferechtliche Vorgabe besagt, dass Firmen nur begrenzt in Subventionstöpfe greifen dürfen. Also prüft die KfW auch, ob die Antragsteller bereits an anderer Stelle unterstützt werden. Vor allem Firmen aus den neuen Bundesländern erhalten häufig noch andere Investitionszulagen. Allerdings verlassen sich die Prüfer dabei auf die Auskunft des Antragstellers oder seiner Bank.

"Ich suche nach einem authentischen Bild und frage mich auch, wie denkt die Hausbank darüber", sagt Maehden. Sie bereitet ihre Entscheidung sorgfältig vor. Eine Kreditzusage ist perfekt, wenn der Zinssatz ermittelt ist. Dann erhalten alle Unterlagen den KfW-Barcode. Die Projektmanagerin schickt den Vorgang an ihren Chef. Der muss mit einer zweiten Unterschrift den Kredit freigeben.

Schlechte Risiken sind Chefsache

Manchmal ist die Freigabe sogar ein Privileg des Vorstandes. Je schlechter die Bonität des Antragstellers desto eher muss der Vorstand eingeschaltet werden. Mit der Zusage oder Ablehnung ist der Vorgang für die KfW erst einmal abgeschlossen. Allerdings erhält der Kreditnehmer beim ersten Antrag eine Nummer - unter der er künftig auch bei weiteren Anträgen geführt wird.

Renovieren auf Staatskosten

Ein kleiner Teil des Konjunkturprogramms ist für Kredite reserviert, die beim Energiesparen helfen. Solche Kreditanträge laufen beinahe automatisch im Vergleich zu dem, was im vierten Stock in der Bockenheimer Landstraße passiert.

Dieter S. wohnt zehn Kilometer nördlich von Gießen. Er will neue Fenster in sein Eigenheim einbauen. Den Antrag für einen Zuschuss hat er bereits gestellt und zum KfW-Bus mitgebracht. "Ich will keinen Formfehler machen", leitet er seine Fragen ein. Korte nickt verständnisvoll. Sie drückt ihm eine Broschüre in die Hand, obwohl der Mann eigentlich schon alles weiß. Er hat sich im Internet informiert, bei der KfW angerufen und sich durchgefragt. "Dann habe ich mir genau dieses eine Formblatt runtergeladen", sagt er und hebt es hoch.

Täglich kommen etwa hundert Leute zum Bus. In Köln und Düsseldorf waren es sogar 300. "Da sind wir schier untergegangen", erzählt Korte. Die meisten fragen nach Zuschüssen und Darlehen für das Eigenheim, also für Dämmung, Fenster und Heizung. Das ist auch gut für die Konjunktur. "Damit werden schließlich Handwerker beschäftigt", sagt Korte.

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