Süddeutsche Zeitung

Die Angreifer:Halbe-halbe

Moneymeets teilt Provisionen für Fonds und Versicherungen mit den Kunden. Diese trauen sich aber erst langsam an das neue Angebot heran.

Von Meike Schreiber

Ob es der Blick in die holzvertäfelte Schalterhalle der Kreissparkasse Köln war, der die beiden künftigen Gründer in ihren Plänen bestärkte? Mit ihrer Opulenz (60 Meter Länge, 23 Meter Breite) und dem Kölnisch-Wasser-Brunnen am Eingang wirkt das 1935 erbaute Entrée am Neumarkt inzwischen wie aus der Zeit gefallen.

Fünf Jahre ist es jetzt her, als Johannes Cremer und Dieter Fromm in einem Restaurant saßen, das den Blick auf die Schalterhalle freigibt. "Glaubst Du, dass Deine Berater in fünf Jahren noch erfolgreich Anlageprodukte verkaufen können?", fragte Cremer, damals Unternehmensberater. Fromm, seinerzeit Leiter der Privatkundenabteilung der Kreissparkasse, konnte sich zu keinem Ja durchringen, so sehr er sich auch mühte. Der Lehman-Crash lag gerade einmal zwei Jahre zurück. Das Vertrauen der Kunden gegenüber Banken und Sparkassen war auf dem Tiefpunkt angelangt und hat sich bis heute nicht wirklich erholt.

Die Sache war rasch klar: Cremer und Fromm, jahrzehntelang im klassischen Bankgeschäft unterwegs, wagten den Sprung ins Unternehmertum. Eine Plattform sollte her, auf der die Kunden Finanzprodukte wie Fonds kaufen können, ohne dafür Provisionen entrichten oder fürchten zu müssen, von Banken übers Ohr gehauen zu werden. 2012 gründeten die beiden Moneymeets; zunächst mit eigenem Geld, später kamen zwei Family Offices zu Hilfe. Im Sommer 2014 dann stieg noch die Beteiligungsgesellschaft des Holtzbrinck-Verlages ein. Sieben Mitarbeiter beschäftigt das Start-up heute.

Worum geht es? Wenn Banken Investmentfonds verkaufen, erhalten sie dafür eine Vertriebsprovision. Dieser Ausgabeaufschlag beträgt in der Regel einmalig fünf Prozent der anzulegenden Summe, hinzu kommt eine laufende jährliche Bestandsprovision von einem bis zwei Prozent. Auch Moneymeets erhält eine Provision von Fondsgesellschaften, gibt diese aber zu großen Teilen an Kunden weiter, die ihr Depot auf Moneymeets übertragen. Auch wer seine Versicherung überträgt, dem erstattet die Plattform einen kleinen Teil der Jahresprämie. Bedingung: Die Kunden müssen zustimmen, dass sie auf eine Beratung verzichten. Die Wertpapiere selbst bleiben bei der depotführenden Bank. Moneymeets agiert nur als Betreuer des Depots oder als Makler der Versicherung.

Eine solche Rückvergütung von Provisionen bieten zwar auch andere Plattformen, Moneymeets versteht sich aber auch als Netzwerk. Kunden können ihr eigenes Depot offen legen und damit andere Nutzer bei der Anlageentscheidung inspirieren. Wer das wagt, erhält einen größeren Anteil der Provision erstattet. Das Netzwerk soll so den Bankberater ersetzen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Moneymeets Übersicht bietet, wenn man viele verschiedene Depots und Versicherungen hat.

Die Bude rannten sie Cremer zunächst trotzdem nicht ein: "So etwas aufzubauen, dauert länger, als ich vermutet hatte. Klassischer Internethandel macht sicher mehr Freude, als sich um die Finanzen zu kümmern". Moneymeets wolle daher auch dazu beitragen, dass sich die Kunden gerne mit dem Thema beschäftigen. "Man kann daher auf der Seite Ziele definieren, für die man spart".

Immerhin: Von Ende Dezember bis April hat sich das Anlagevolumen Cremer zufolge auf 20 Millionen Euro verdoppelt, die Nutzerzahlen seien auf ungefähr 5000 Mitglieder gestiegen. 70 Anleger veröffentlichen inzwischen ihr Depot. Wie viele Versicherungen die Kunden übertragen haben, will Cremer noch nicht sagen. Das Angebot gibt es erst seit November.

Für dieses Jahr haben sich Cremer und Fromm einiges vorgenommen. So sollen Kunden bald auch ihre Konten, Tagesgeld- oder Festgeldanlagen verknüpfen können. Noch in diesem Jahr soll außerdem eine Vermögensverwaltung hinzukommen.

Und was sagen die Banken dazu? Immerhin gehört Moneymeets zu der von Banken besonders gefürchteten Gruppe von Fintechs, die sich gleichsam zwischen Kreditinstitut und Kunden schieben und jene auf die Rolle eines Produzenten reduzieren. Bisher aber verfolgen die Banken das Modell eher mit Interesse als mit Argwohn. Viele beschäftigten sich konkret mit der Frage, wie man die Kunden dazu animieren könne, sich über die Produkte auszutauschen.

Einigen Versicherungsmaklern aber ist das Geschäftsmodell nicht geheuer. Ein Maklerverband will nun sogar gerichtlich gegen Moneymeets vorgehen, weil die Plattform aus seiner Sicht keine Provisionen einnehmen dürfe. Cremer sieht das gelassen: "Das beunruhigt uns gar nicht, wir warten mal ab, was da kommt."

Vorerst werkeln die Leute von Moneymeets also weiterhin in ihrem Büro im Kölner Stadtteil Zollstock. Das ist eher überschaubar, alle sitzen zusammen an nur einem großen Tisch. Übrigens: In die Schalterhalle der Kreissparkasse würden die Büroräume ungefähr 15 Mal hineinpassen.

Die Digitalisierung hat die Finanzbranche voll erfasst, immer mehr Start-up-Unternehmen fordern die Banken heraus. In dieser Serie stellt die SZ die Angreifer vor.

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Quelle:
SZ vom 18.05.2015
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