Süddeutsche Zeitung

DGB-Studie:Arbeitnehmer verlieren die Angst vor der Kündigung

  • 90 Prozent der Beschäftigten sorgen sich nicht um ihren Arbeitsplatz.
  • Laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds zweifeln aber 80 Prozent, dass ihre Alterssicherung reichen wird.
  • Auch bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehen viele Probleme.

Von Alexander Hagelüken

Da sage noch einer, Befragungen zur Arbeitswelt förderten nur Furcht und Frust zutage. Im Gegenteil: Wie aus der neuen Studie "Gute Arbeit" hervorgeht, sorgen sich inzwischen 90 Prozent der Beschäftigten nicht darum, ihren Job zu verlieren. Die langen Jahre des Wirtschaftsbooms geben den Deutschen Sicherheit. Die Daten stammen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), der nicht im Verdacht steht, die Arbeitswelt zu rosig zu malen. Aus der Befragung von knapp 5000 Beschäftigten geht aber auch hervor, wo die Probleme liegen. Viele fürchten das Alter. Und: die Ausdehnung der Arbeitszeiten erschwert es, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Positiv sehen die Beschäftigten neben der Sicherheit ihrer Stelle, wie sie von ihren Vorgesetzten behandelt werden. Eine große Mehrheit erfährt Wertschätzung, auch wird ihre Arbeit effizient geplant. Eine knappe Mehrheit fühlt sich außerdem gerecht entlohnt. Hier fangen allerdings die Schwierigkeiten an. Fast die Hälfte der Beschäftigten findet eben, dass sich ihre Leistung nicht ausreichend im Portemonnaie niederschlägt. Und 80 Prozent fürchten, dass ihre Alterssicherung nach dem langen Berufsleben kaum oder gar nicht ausreichen wird.

Das ist ein bemerkenswert skeptisches Bild. Es passt allerdings zu Untersuchungen, wonach das Rentenniveau im Verhältnis zu den Löhnen durch die Alterung der Gesellschaft weiter sinken wird - und die als Gegenmittel eingeführte private Altersvorsorge à la Riester hinter den Erwartungen zurückbleibt. Ökonomen und Parteien streiten darüber, ob das Rentenniveau durch zusätzliche Maßnahmen wie Steuermittel, höhere Beiträge oder eine Rente erst mit 70 stabilisiert werden sollte.

Probleme haben die Beschäftigten nicht nur mit dem Alter, sondern auch mit dem Moment, an dem sie nach dem Arbeitstag ihr Zuhause betreten. Zwei von fünf sind der Umfrage zufolge häufig zu müde, um sich um private Dinge zu kümmern. Und jeder Vierte sagt explizit, er könne die Betreuung seiner Kinder (oder pflegebedürftiger Verwandter) schlecht zeitlich mit seinem Beruf unter einen Hut bringen.

Das hängt auch mit den Arbeitszeiten zusammen. Immerhin fast jeder Zehnte ist für den Beruf nachts im Einsatz. Die Mehrheit von ihnen findet es schwierig, Berufliches und Privates zu vereinbaren. Dieses Problem artikulieren auch fast die Hälfte jener, die häufiger am Abend oder am Wochenende ran müssen. Und ihre Anzahl ist weitaus größer als jene der Nachtschichtler: Gut jeder vierte Beschäftigte muss regelmäßig abends oder am Wochenende arbeiten. "Wer nachts arbeitet, wer ausufernde Arbeitszeiten hat oder ständig erreichbar sein muss, hat massive Probleme, Arbeit und Privatleben miteinander zu vereinbaren", sagt Jörg Hofmann, erster Vorsitzender der IG Metall. "Die Flexibilisierung in den Betrieben darf nicht weiter einseitig zulasten der Beschäftigten gehen, sie muss ihnen auch nutzen."

Fünf Stunden mehr Arbeit als vereinbart

Gewerkschafter beobachten seit Längerem eine Ausweitung der Wochenend- und Abendarbeit, gerade in Dienstleistungsbranchen. Damit dürfte es zusammenhängen, dass laut Befragung die Beschäftigten in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Handel und Gastronomie am unzufriedensten mit ihrer Arbeit sind. DGB-Chef Reiner Hoffmann folgert, ein geregelter Arbeitstag erleichtere es den Beschäftigten, Beruf und Familie zu vereinbaren. Er wandte sich daher gegen den Vorstoß der Wirtschaftsverbände, den gesetzlichen Acht-Stunden-Tag aufzuweichen.

Nach einer Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz sind Vollzeitbeschäftigte inzwischen im Schnitt 43,5 Stunden die Woche tätig, fünf Stunden länger als vereinbart. Laut Branchenverband Bitkom sind drei von vier Beschäftigten im Urlaub erreichbar. Und bei der DGB-Umfrage gibt fast jeder Vierte an, der Arbeitgeber verlange von ihnen, häufig per E-Mail oder Handy erreichbar zu sein. "Vereinbarkeit ist nicht nur ein Thema für gestresste Mütter", findet Hoffmann. "Es geht auch die Arbeitgeber an. Sie müssen flexibler werden, wenn es um die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter geht."

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Quelle:
SZ vom 16.11.2017/been
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