DGB: Michael Sommer:"Gefangene ihrer eigenen, falschen Ideologie"

DGB-Chef Michael Sommer über den Sündenfall der neuen Bundesregierung, Josef Ackermann und Regierungsvorlagen für Kabarettisten.

Melanie Ahlemeier und Thorsten Denkler

Nicht ohne iPhone: Michael Sommer, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), ist bekennender Fan des hippen Multifunktionsgerätes aus dem Hause Apple. Zu Beginn des Gesprächs sucht Sommer das Video eines Kabarettisten über Windows und Apple via Youtube (was er nicht findet), mal dient das iPhone als Taschenrechner - und mal als Diktiergerät während der Autofahrt, wie Sommer verrät. Der 57-Jährige startete seine Gewerkschafterkarriere bei der Postgewerkschaft. 2001 übernahm er den stellvertretenden Vorsitz der neu gegründeten Vereinten Dienstleistungsgesellschaft Verdi, nur ein Jahr später dann den DGB-Chefposten. Im kommenden Jahr wird er für eine dritte Amtszeit kandidieren. Sommer ist seit 1981 Mitglied der SPD.

Merkel, Westerwelle, Sommer

DGB-Chef Michael Sommer agiert ganz nah an der großen Politik - im Hintergrund Kanzlerin Angela Merkel und ihr Vizi Guido Westerwelle.

(Foto: Grafik: Büch; Fotos: ddp, dpa)

sueddeutsche.de: Herr Sommer, Sie werden dieser Tage von allen Seiten gelobt. Von den Arbeitgebern, von Kanzlerin Merkel und auch von FDP-Chef Westerwelle. Macht Ihnen das nicht ein bisschen Angst?

Michael Sommer: Ach, wissen Sie, es gab auch andere Zeiten. Es ist in Ordnung, wenn wir - auch nach solchen Ergebnissen wie bei der Bundestagswahl - ein vernünftiges Verhältnis zur neuen Bundesregierung entwickeln. Mir ist wichtig, dass unsere Kolleginnen und Kollegen sich von uns gut vertreten fühlen.

sueddeutsche.de: Fühlen sie sich gut vertreten?

Sommer: Ich erzähle Ihnen ein Geschichte. Wir waren vergangene Woche im Neuen Museum hier in Berlin. Da sprach mich einer der Museumswächter an und fragte nach dem Mindestlohn. Auf meine Nachfrage hat er dargelegt, 5,50 Euro in der Stunde zu verdienen. Er hat das gesagt in der Hoffung und mit dem Auftrag: "Tut was für uns!" Das spornt mich an.

sueddeutsche.de: Die neue Bundesregierung will vieles - aber einen flächendeckenden Mindestlohn will sie definitiv nicht.

Sommer: Das wollen wir mal sehen, ob es dabei bleibt. Ich habe dem Museumswächter gesagt, ich werde jeden, den ich treffe, mit seinem Lohn konfrontieren. Ich habe die Geschichte also Finanzminister Schäuble, Arbeitsministerin von der Leyen und in dieser Woche auch der Kanzlerin erzählt. Dann gucken sie alle irritiert bis ernsthaft betroffen. Die merken doch, dass sie so etwas auf Dauer nicht zulassen können.

sueddeutsche.de: Sieht das die neue Arbeitsministerin von der Leyen genau so?

Sommer: Das kann ich noch nicht sagen, dafür ist sie zu kurz im Amt. Als Familienministerin hat sie sehr konsequent ihr Ziel verfolgt, auch gegen härteste Widerstände. Sie hat die CDU modernisiert und ein Stück geöffnet. Sie hat mir zugesagt, dass sie gleiche Löhne für Mann und Frau zu ihrem Thema machen will und sich auch für einen Branchenmindestlohn in der Abfallwirtschaft ausgesprochen ...

sueddeutsche.de: ... bei dem die FDP mauert.

Sommer: Ja. Aber Ursula von der Leyen steht zu den Absprachen und ich glaube, sie hat die Rückendeckung der Kanzlerin. Meine Unterstützung hat sie dabei. Aber beweisen muss sie sich natürlich erst noch.

sueddeutsche.de: Die Regierung hat sich erst mal darauf verständigt, sittenwidrige Löhne als Untergrenze per Gesetz festzuschreiben. Ein Fortschritt?

Sommer: Überhaupt nicht. Die Sache mit der Sittenwidrigkeit ist reine Augenwischerei - eine Verhöhnung der betroffenen Menschen. Die Sittenwidrigkeit begänne ja bei 33 Prozent unter dem Lohn - das wären bei dem von mir zitierten Musuemswächter (tippt und rechnet es auf seinem iPhone aus) genau 3,68 Euro. Also wären in diesem Fall 3,80 Euro nach dem Gesetz, das Schwarz-Gelb vorhat, in Ordnung. Ich finde, dass ist ein Skandal und kein Fortschritt.

sueddeutsche.de: Von 2011 an gilt in ganz Europa die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Polnische Bürger können dann ohne jede Auflage auch in Deutschland ihren Dienst anbieten.

Sommer: 2010 wird sich der Druck auf die Regierung automatisch erhöhen. Entweder wir kommen zu einer Mindestlohnregelung - oder wir haben einen massenhaften Lohndruck nach unten. Das weiß auch diese Regierung. Sie weiß nur nicht, wie sie mit dem Problem umgehen soll. Sie ist Gefangene ihrer eigenen, falschen Ideologie.

sueddeutsche.de: Der Branchenmindestlohn hätte also zumindest eine Chance.

Sommer: Das ist tarifpolitischer Häuserkampf. Besser wäre eine generelle Öffnung des Entsendegesetzes für alle Branchen - ohne Kabinetts- oder gar Einzelgesetzesvorbehalt beziehungsweise ein allgemein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn. Beides würde helfen Armutslöhne zu bekämpfen und zugleich die Tarifautonomie gegen Ausfransung nach unten schützen.

Nur das Ergebnis zählt

sueddeutsche.de: Sie äußern sich so nett über Frau von der Leyen. Erwarten Ihre Leute nicht ein bisschen mehr Biss und Haudrauf?

DGB: Michael Sommer: Nicht ohne mein iPhone: DGB-Chef Michael Sommer in seinem Büro in Berlin.

Nicht ohne mein iPhone: DGB-Chef Michael Sommer in seinem Büro in Berlin.

(Foto: Foto: M. Ahlemeier)

Sommer: Ich bin mit Leib und Seele Gewerkschafter. Aber ein DGB-Vorsitzender muss als politischer Arm der Gewerkschaften erfolgreich sein. Dazu muss ich mit jeder demokratisch legitimierten politischen Kraft zusammenarbeiten können. Das macht mit dem einen mehr Spaß als mit dem anderen. Am Ende aber zählt immer das Ergebnis.

sueddeutsche.de: Die Kanzlerin hat versprochen, eine Politik der sozialen Kälte werde es mit ihr nicht geben.

Sommer: Die Rahmenbedingungen für eine gerechtere Politik sind nach der Bundestagswahl erst mal nicht besser geworden. Aber ich sehe auch noch keine neoliberale Revolution, wie sie von vielen befürchtet wurde. Die wissen ganz genau, dass sie nicht gegen die Interessen der Arbeitnehmer Politik machen können.

sueddeutsche.de: Weiß das auch die FDP?

Sommer: Ich glaube, auch ein Herr Westerwelle und ein Herr Brüderle haben erkannt, wie wichtig ein stabiles soziales Gefüge in Deutschland ist. Ob sie daraus aber die Schlussfolgerung ziehen, nicht die Mitbestimmung zu schleifen und die soziale Ungleichheit im Lohn zu beseitigen, das wage ich zu bezweifeln.

sueddeutsche.de: Wieso? Westerwelle nennt doch diejenigen "hirnverbrannt", die der FDP soziale Kahlschlagsphantasien nachsagen.

Sommer: Mit dem neuen Wirtschaftsminister haben wir ja jetzt die ersten Erfahrungen gemacht. Egal, ob es um die Mitbestimmungsfrage in der Europäischen Privatgesellschaft geht, die gerade auf europäischer Ebene konstruiert wird, oder um den Branchenmindestlohn in der Abfallwirtschaft - Brüderle sagt erst mal njet.

sueddeutsche.de: Die Kanzlerin hat versprochen, am Kündigungsschutz werde nicht gerüttelt. Wie bewerten Sie, dass laut Koalitionsvertrag befristete Arbeitsverträge auch ohne sachlichen Grund immer wieder verlängert werden dürfen, wenn auch mit einem Jahr Karenzzeit?

Sommer: Was die Regierung plant, ist der Einstieg in die sachgrundlose Kettenbefristung. Es ist der Einstieg in den Ausstieg aus unbefristeten Arbeitsverhältnissen und aus dem klassischen Kündigungsschutz. Deshalb werden wir uns damit nicht abfinden. Das ist schlicht ein neues Instrument zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, neben der Leiharbeit und den Praktikanten. Zu einer menschlicheren Arbeitsgesellschaft führt das nicht.

sueddeutsche.de: Warum haben Sie nicht im Wahlkampf geholfen, Schwarz-Gelb zu verhindern?

Sommer: Der DGB ist politisch unabhängig und wird es auch bleiben. Bei der Wahl ist eine Partei von den Wählern einfach liegengelassen worden. Andere haben Stimmen bekommen, weil sich viele Menschen - auch Gewerkschafter - vom Steuerrecht ungerecht behandelt fühlen. Mit dieser Wahlentscheidung muss ich jetzt arbeiten. Es kann nur niemand von uns erwarten, dass wir jetzt in großem Stil Gewerkschaftspolitik umsetzen können.

Die Angst vor dem Crash

Sommer, Brüderle, Foto: AP

Ganz dicht an den Entscheidern: Michael Sommer mit dem neuen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle.

(Foto: Foto: AP)

sueddeutsche.de: Schwarz-Gelb hat als erste Amtshandlung das Schonvermögen für künftige Hartz-IV-Empfänger angehoben. Ist Angela Merkel vielleicht sogar die bessere Sozialdemokratin?

Sommer: Wir sehen bei Hartz IV noch deutlich mehr Änderungsbedarf, aber die neue Regierung hat damit einen wichtigen Punkt aufgegriffen: Die Angst der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Hartz IV - die Angst in Armut abzurutschen. Das Haus, die Altervorsorge, das darf nicht in Frage gestellt werden, nur weil jemand über ein Jahr arbeitslos ist.

sueddeutsche.de: Das ist doch Augenwischerei. Nur ganz wenigen wurde Hartz IV verweigert, weil sie zu viel Vermögen hatten.

Sommer: Es ist ein symbolischer Akt. Er schafft Vertrauen, dass die eigene Lebensleistung anerkannt wird.

sueddeutsche.de: Das wird spätestens dann nicht mehr beruhigen, wenn sich im kommenden Jahr die Krise massiv auf dem Arbeitsmarkt niederschlägt.

Sommer: Darum sage ich: Wer krisenbedingt seinen Arbeitsplatz verliert, darf nicht nach einem Jahr Arbeitslosigkeit ins Bodenlose fallen. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger darf sich nicht noch weiter erhöhen.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie das verhindern?

Sommer: Bislang funktioniert die Politik der Kurzarbeit ganz gut - es ist richtig, dass sie noch mal verlängert wurde. Aber wir wissen nicht, ob das reicht. Darum muss die Politik - meinetwegen für einen begrenzten Zeitraum - einen längeren Bezug von Arbeitslosengeld I ermöglichen oder eine Art Überbrückungsgeld zahlen. Die Leute dürfen nicht wegen der Krise auf Dauer ihren Lebensstandard verlieren. Das aber passiert, wenn sie in Hartz IV rutschen.

sueddeutsche.de: Wie sehen Sie den Arbeitsmarkt 2010?

Sommer: Das ist schwer zu sagen. Wir haben Branchen, die werden schwer durchgeschüttelt, andere merken praktisch nichts von der Krise. Frank-Jürgen Weise, der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, hat gesagt, es geht wahrscheinlich über vier Millionen, aber vermutlich nicht über fünf Millionen Arbeitslose. Aber niemand weiß, wie sich die Weltwirtschaft entwickelt und welche Risiken noch in den Banken schlummern.

sueddeutsche.de: Die Bundesregierung will sich mit neuen Schulden-Milliarden gegen die Krise stemmen. Wird das helfen?

Sommer: Sicher nicht mit diesem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Es ist ein reines Klientelgesetz und eine wunderbare Vorlage für Kabarettisten. Mir ist schleierhaft, wie mit der Subventionierung einer Übernachtung in Luxushotels wie dem Hotel Adlon die Wirtschaft angekurbelt werden soll.

"Die Milliarden werden verpuffen"

Hartz IV, dpa

Michael Sommer: "Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger darf sich nicht noch weiter erhöhen."

(Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Gegen das viele Geld für Familien werden Sie doch sicher nichts haben, oder?

Sommer: Die Milliarden werden verpuffen. Wenn schon Geld für Familien, dann doch bitte als Investition in die Infrastruktur, in bessere Betreuung und Bildung. Es ist doch ein Witz, wenn die Hotelübernachtung mit nur noch sieben Prozent Mehrwertsteuer belegt wird, aber angelieferte Schulessen mit 19 Prozent. Das ist doch Irrsinn.

sueddeutsche.de: FDP und Union rechnen fest damit, dass die Eltern, Erben und Unternehmer, die von dem Gesetz profitieren sollen, das Geld auch wieder ausgeben - und so die Wirtschaft ankurbeln und höhere Steuereinnahmen schaffen.

Sommer: Damit sind schon die Briten gescheitert. Es ist nachgewiesen, dass sich höchstens ein Drittel der Steuersenkungen selbst finanzieren. Bleiben noch zwei Drittel! Darum ergibt es allemal mehr Sinn, mit dem Geld direkte staatliche Investitionen zu bezahlen.

sueddeutsche.de: Dann halten Sie aber den Weg in mehr Schulden nicht für völlig falsch?

Sommer: Wie hat denn die Abwrackprämie funktioniert? Sie hat dafür gesorgt, dass sehr viele Menschen privates Geld investiert haben. Die Prämie hat auf sehr direktem Weg den Konsum angeheizt und so viele Arbeitsplätze über die schlimmste Zeit hinweggerettet. Das ist allemal besser, als zu hoffen, dass die Eltern das höhere Kindergeld nicht einfach auf die hohe Kante legen.

sueddeutsche.de: Sie scheinen wie die Bundesregierung das Heil allein im wirtschaftlichen Wachstum zu sehen. Muss an dessen Stelle nicht langsam eine andere Logik her?

Sommer: Wir Gewerkschaften haben schon in den achtziger Jahren den Begriff des "qualitativen Wachstums" geprägt. Wir wollen kein Wachstum um jeden Preis. Wachstum darf nicht auf Kosten der Menschen und nicht auf Kosten der Ressourcen passieren. Im besten Fall bekommen wir ein Wachstum hin, das Arbeitsplätze schafft und umweltschonende Zukunftstechnologien fördert, wie Elektromobilität und erneuerbare Energien. Wir werden aber ohne ein stetiges und nachhaltiges Wachstum unseren Lebensstandard nicht halten können.

sueddeutsche.de: Sie haben anfangs gesagt, die neoliberale Revolution sei ausgeblieben. Wenn wir uns die Themen Mindestlohn, Kündigungsschutz und auch die kommende Privatisierung der Gesundheitsvorsorge anschauen, dann ist Ihre Einschätzung nur schwer nachvollziehbar.

Sommer: Ja, sie ist bisher ausgeblieben, weil die neue Regierung geschickt agiert. Schauen Sie sich doch nur den Koalitionsvertrag an, da bleibt vieles im Ungefähren, die klaren Kampfansagen fehlen. Aber, das ist eine Koalition, die einen klaren wirtschaftsliberalen, wenn man so will neoliberalen Anspruch hat. Das gesellschaftliche Konfliktpotential ist groß, bei der geplanten Gesundheitsreform sogar riesengroß. Und es ist ein Sündenfall, dass die neue Regierung in die Strukturen von Arbeitnehmerrechten reingehen will. Aber das stützt nur meine These: Wenn die neue Regierung die Gesellschaft verändern will, dann leise Stück für Stück, nicht auf einen Schlag.

sueddeutsche.de: Die Neoliberalisierung der kleinen Schritte. Meinen Sie das?

Sommer: So ähnlich, sie werden versuchen die große Aufruhr geschickt zu umgehen. Das macht die politische Ausgangssituation für uns schwieriger - aber unsere Einwirkungsmöglichkeit an einigen Stellen größer. Die Frage ist, ob die Union es schafft, der FDP an den entscheidenden Stellen in den Arm zu fallen. Anders formuliert: Erleben wir ein gelbes oder ein von der Union geführtes Zeitalter?

Banker an die Kandare

Sommer, Westerwelle, Merkel, Hundt

Alle mal zuhören: DGB-Chef Sommer mit Guido Westerwelle, Angela Merkel und dem Präsidenten der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt (v.l.n.r.).

(Foto: Foto: ddp)

sueddeutsche.de: Sie saßen beim Kreditgipfel mit den wichtigsten Bankern am Tisch. Haben Sie bei den Gesprächen mehr Verständnis für Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und die Gewinnzwänge seiner Branche gewinnen können?

Sommer: Ich kann die Politik von Ackermann begreifen, aber nicht gutheißen. Der kann momentan wieder maximale Renditen im Investmentbanking machen. Billigen tue ich es auf gar keinen Fall. Mit einem solchen Kurs der Banker muss Schluss sein.

sueddeutsche.de: Was muss geschehen?

Sommer: Wir haben 480 Milliarden Euro für das Bankenrettungspaket bereitgestellt mit der Begründung, das Nervensystem der Wirtschaft müsse laufen. Dann haben wir den Zins auf Niedrigstniveau gebracht, ein Bad-Bank-Gesetz verabschiedet und den Deutschlandfonds aufgelegt. Alles zusammengenommen zeigt: Der Staat ist stark in Vorleistung getreten. Und jetzt müssen die Banken liefern.

sueddeutsche.de: Was heißt das konkret?

Sommer: Entweder werden verbindliche Geschäftszusagen gemacht, wenn staatliches Geld in Anspruch genommen wird - oder der Staat übernimmt Anteile der jeweiligen Bank. Später kann der Anteil wieder verkauft werden.

sueddeutsche.de: Warum?

Sommer: Um nicht erpressbar zu sein. Wir dürfen nicht in die Zwangssituation gebracht werden, dass die Banken sagen, sie geben kein Geld zu vernünftigen Konditionen raus, solange ihnen nicht die Lasten abgenommen wurden. Das möchte ich dieser Wirtschaft, diesem Staat und dieser Gesellschaft ersparen.

sueddeutsche.de: Sie glauben also, die Banken wären durchaus in der Lage mehr Kredite zu vergeben?

Sommer: Wir haben keine generelle Kreditklemme, wir haben eine Konditionenklemme - und diese Konditionenklemme wird noch wesentlich stärker werden, wenn der Aufschwung kommt. Dann müssen Lagerbestände wieder aufgefüllt und Zukunftsinvestitionen getätigt werden. Die Verstärkung der Eigenkapitalbasis der mittelständischen Unternehmen ist ein vernünftiger Schritt, ich glaube nur nicht, dass er hinreichend ist.

sueddeutsche.de: Sie selbst legen Ihr Geld konservativ per Sparbuch an. Jetzt ziehen Konjunktur und Börse wieder an - haben Sie sich schon geärgert, dass Sie die günstigen Kurse nicht genutzt haben, um Aktien zu kaufen?

Sommer: Nein. Ich bin kein Zocker, ich bin Gewerkschafter. Ich bin der Auffassung, dass man von seiner Hände Arbeit und von seiner geistigen Arbeit leben können muss. Jeder, der meint, er müsse noch einen Fonds oder eine Aktie zeichnen, der soll das tun. Ich wünsche ihm viel Glück dabei. Das vernünftigste Wertpapier ist immer noch ein anständiger Arbeitsvertrag.

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