Deutz und die Frauenquote:Wie töricht sich Männer anstellen können

Deutz und die Frauenquote: Am Wochenende abberufen: Frank Hiller war seit 2017 Vorstandschef der Deutz AG, erst voriges Jahr hatte der Ingenieur seinen Vertrag verlängert.

Am Wochenende abberufen: Frank Hiller war seit 2017 Vorstandschef der Deutz AG, erst voriges Jahr hatte der Ingenieur seinen Vertrag verlängert.

(Foto: Günther Ortmann/imago)

Große Börsenkonzerne müssen laut Gesetz eine Frau in den Vorstand berufen. Bei Deutz entspann sich daraufhin eine Posse. Nun müssen die streitenden Top-Manager abtreten.

Von Benedikt Müller-Arnold, Köln

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, was sich bei der Deutz AG gerade hochgeschaukelt hat: In der Kölner Firma, die schwere Dieselmotoren für Bagger oder Trecker baut, debattierten vor allem Männer auf höchster Ebene über die neue, gesetzliche Frauenquote für Vorstände. Dieser Streit, für die Nachwelt festgehalten in zuweilen bösen Mails, eskalierte nun derart, dass zwei Spitzenmänner ihre Posten verlieren: der Vorstandschef und der Aufsichtsratsvorsitzende.

Damit gewährte Deutz, gegründet im Jahr 1864, einen seltenen Einblick darin, wie arg manche Industriekonzerne - gewiss nicht alle - mit dem zweiten Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) ringen, das der Bund voriges Jahr beschlossen hat. Demnach müssen börsennotierte und mitbestimmte Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern bei nächster Gelegenheit mindestens eine Frau in das Leitungsgremium berufen, sofern noch nicht geschehen. Das, sagen manche, sei im konkreten Fall gar nicht so leicht.

Es ist Samstag, kurz nach 20 Uhr, im Fernsehen beginnen die einschlägigen Unterhaltungsshows, als Deutz den Showdown mitteilt: Vorstandschef Frank Hiller scheidet "mit sofortiger Wirkung" aus, der Aufsichtsrat habe den 55-Jährigen einstimmig abberufen. Ein Grund wird in der Mitteilung nicht genannt. Von unüberbrückbaren Differenzen ist die Rede. Klar ist, dass der Abschied teuer wird: Hiller hatte erst voriges Jahr einen neuen Vertrag bis Ende 2026 unterschrieben.

Die IG Metall, die mit mehreren Männern und Frauen im Aufsichtsrat der Firma mitredet, wird da schon deutlicher: Die Gewerkschaft nennt es einen Machtkampf, der zwischen Hiller und Aufsichtsratschef Bernd Bohr ausgebrochen sei. Ausgangspunkt sei die Umsetzung des FüPoG II gewesen. Mit der Abberufung sei nun ein Neuanfang möglich, betont die Arbeitnehmerseite: "Das Unternehmen kann sich wieder darauf konzentrieren, Motoren zu verkaufen, zu bauen und zu entwickeln und beschäftigt sich nicht mehr mit sich selber."

Was heute Machtkampf heißt, zeigte sich etwa kurz vor Weihnachten 2021, als Hiller einen kritischen Brief an den gesamten Aufsichtsrat schickte. Darin nahm Hiller Ideen des Gremiums um Bohr auseinander. Man könne diese "eher als Umgehung einer aktiven Förderung von Frauen im Vorstand" interpretieren, mahnte Hiller.

Der entlassene Vorstandschef Hiller sieht keine rechtliche Grundlage für seine Abberufung

So hatte der Aufsichtsrat zwischenzeitlich erwogen, ob man die Verträge der bestehenden vier Vorstandsmitglieder - allesamt Männer - noch vorzeitig verlängern könnte, bevor die Frauenquote greift. Dies hätte dem Konzern Zeit verschafft, so die wohlwollende Lesart, um die richtige Frau für den Vorstand zu finden. Doch die Idee fiel in einer rechtlichen Prüfung durch.

Alternativ sprach Aufsichtsratschef Bohr mit einem Vorstandsmann darüber, ob dieser bereit wäre, zum Generalbevollmächtigten degradiert zu werden. Dann bliebe ein Vorstandstrio übrig, für das die neue Quote nicht greift. Doch das Vorstandsmitglied sagte ab.

Der abberufene Vorstandschef Hiller bleibt in der Sache dabei: Dass er nun rausgeworfen wurde, könne er nicht nachvollziehen. "Eine rechtliche Grundlage hierfür kann ich nicht erkennen", sagt Hiller der SZ. "Ich bin gespannt, wie man diese Entscheidung und die Folgen den Aktionären gegenüber erklären will."

Deutz und die Frauenquote: Arbeit an einem Motor in Köln: Bei Deutz arbeiten gut 4000 Menschen, zuletzt waren fast 88 Prozent der Beschäftigten Männer.

Arbeit an einem Motor in Köln: Bei Deutz arbeiten gut 4000 Menschen, zuletzt waren fast 88 Prozent der Beschäftigten Männer.

(Foto: Rolf Vennenbernd/picture-alliance/dpa)

Bekannt ist allerdings, dass sich der bisherige Chefaufseher Bohr über Hillers Weihnachtspost geärgert hat. Hiller habe sich in Angelegenheiten des Aufsichtsrates eingemischt, den "Lösungsansatz Generalbevollmächtigter" torpediert und den Handlungsspielraum des Aufsichtsrats eingeschränkt. "Es ist für mich mehr als fraglich", drohte Bohr schon an Heiligabend in einer Mail, "ob nach diesem Vorfall noch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsratsvorsitzendem und Vorstandsvorsitzendem gestaltet werden kann."

Doch nun kommt auch Bohr nicht unbeschadet aus dem Streit heraus. Der 65-Jährige legt den Aufsichtsratsvorsitz nieder, soll aber einfaches Mitglied des Gremiums bleiben - ein eher seltener Vorgang. Der Aufsichtsrat schätze "die professionelle und umsichtige Zusammenarbeit" mit Bohr, heißt es in der Mitteilung. Auch die IG Metall dankt dem früheren Bosch-Manager dafür, dass er "weiterhin mit seiner Erfahrung zur Verfügung steht".

Nun soll eine Frau den freigewordenen Platz im Vorstand übernehmen

Das Problem: Unter Bohr hatte Deutz voriges Jahr den Vorstand von drei auf vier Personen erweitert - und jeweils einen Mann als neuen Finanzchef beziehungsweise Technologiechef berufen. Bohrs Kritiker kreiden ihm dies als ursprünglichen Fehler an. Denn zu dem Zeitpunkt hatte der Bundestag bereits das FüPoG II beraten. Besser machen soll es nun Dietmar Voggenreiter, 53: Der frühere Audi-Manager beerbt Bohr als Chefaufseher.

Und den Vorstand soll statt Hiller fortan Sebastian Schulte führen. Der bisherige Finanzchef und Arbeitsdirektor war erst voriges Jahr von Thyssenkrupp zu Deutz gewechselt. Der Aufsichtsrat und die IG Metall betonen, dass der 43-Jährige ein ausgesprochener Teamplayer sei. Das lässt sich, wenn man mag, als kleine Spitze gegen Hiller lesen. Schulte sagt jedenfalls, es gehe jetzt wieder um eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand.

Deutz und die Frauenquote: Montage von Großmotoren im Jahr 1910: Deutz baute zwischenzeitlich auch selbst Lastwagen, Busse und Traktoren. Doch mit der Zeit konzentrierten sich die Kölner wieder auf Motoren.

Montage von Großmotoren im Jahr 1910: Deutz baute zwischenzeitlich auch selbst Lastwagen, Busse und Traktoren. Doch mit der Zeit konzentrierten sich die Kölner wieder auf Motoren.

(Foto: picture alliance/dpa)

Versucht man nun, einen Strich unter diese Männerkiste zu ziehen, dann landet man wieder bei der ursprünglichen Frage: Will Deutz denn nun eine Frau in den Vorstand berufen, oder soll es bei drei Männern bleiben? Ganz klar Ersteres, sagt der Aufsichtsrat: "Ein entsprechender Prozess dazu ist bereits aufgesetzt."

Der nun zurückgetretene Chefaufseher Bohr argumentierte im Januar, dass es schwierig gewesen wäre, eine Frau beispielsweise als Technologiechefin zu berufen. "Da finden sie fast keine Kandidatinnen im Umfeld Industriemotoren", sagte Bohr. Denn in Ingenieursfächern seien leider noch immer nur 15 bis 20 Prozent der Studierenden weiblich. Und: "Viele Frauen beenden ihre Karriere so früh, dass sie nie als Vorstand in Betracht kommen." Die neue Quotenregel sei daher ein gutes Ansinnen, so Bohr, sie werde sich bewähren. "Aber im Moment ist der Übergang für Unternehmen wie Deutz schmerzhaft."

Und wenn Deutz eine Frau in den Vorstand beruft, dann sollte sie ein Kernressort wie Einkauf oder Produktion verantworten, gab Bohr die Linie vor. Der Weg dafür scheint nun tatsächlich frei: Da Schulte zum Vorstandschef aufsteigt, werden die Zuständigkeiten für Finanzen und Personal, den Einkauf und die IT frei. Es sind Ressorts, die in mehreren Industrieunternehmen längst ganz selbstverständlich von Frauen geführt werden.

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