MobilitätDeutschlandticket kostet bald 58 Euro

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Reisende am Bahnsteig: Die meisten Verkehrsunternehmen verdienen am Deutschlandticket weniger als mit ihren früheren, individuellen Angeboten.
Reisende am Bahnsteig: Die meisten Verkehrsunternehmen verdienen am Deutschlandticket weniger als mit ihren früheren, individuellen Angeboten. (Foto: Jürgen Heinrich/imago)

Das 49-Euro-Ticket ist Geschichte: Zum 1. Januar 2025 steigt der Preis. Worauf sich die Verkehrsminister der Länder geeinigt haben und wie der neue Preis zustande kommt.

Von Vivien Timmler, Berlin

Aus dem 49-Euro-Ticket wird ein 58-Euro-Ticket. Das haben die Verkehrsminister der Länder am Montag beschlossen. Damit steigt der Preis für das Deutschlandticket zum Jahreswechsel um neun Euro. Aus Sicht der Landesminister ist der Schritt alternativlos. Anders lassen sich aus ihrer Sicht die Kosten für das Ticket, mit dem Fahrgäste den Nah- und Regionalverkehr in ganz Deutschland nutzen können, nicht decken. Im Vorfeld war eine Preisspanne von 54 bis 64 Euro im Gespräch.

Dass das Ticket teurer werden würde, war schon eine ganze Weile lang klar. Bereits Anfang Juli hatten sich die Verkehrsminister der Länder darauf verständigt, den Preis des Deutschlandtickets anzuheben – beziehungsweise anheben zu müssen, wie es einzelne Teilnehmer damals ausdrückten. Der Grund: Die allermeisten Verkehrsunternehmen verdienen an dem Fahrschein weniger als mit ihren früheren, individuellen Ticketangeboten. Zwar haben sich Bund und Länder darauf verständigt, die Einnahmeeinbußen auszugleichen. Aktuell zahlen beide Seiten jeweils rund 1,5 Milliarden Euro hinzu. Doch das reicht hinten und vorne nicht.

Eine Preiserhöhung wäre aus Sicht des NRW-Verkehrsministers und Verkehrsministerkonferenz-Vorsitzenden Oliver Krischer (Grüne) nur vermeidbar gewesen, wenn der Bund weitere Mittel zur Verfügung gestellt hätte. „Das ist derzeit aber nicht absehbar“, sagte er. Man habe sich nun auf eine „maßvolle Preissteigerung“ geeinigt. Die jetzige Einigung zeige außerdem, „dass die Länder am Erfolgsmodell Deutschlandticket festhalten“, so Krischer. „Mit diesem Preis schaffen wir es, das Ticket weiter attraktiv zu halten und die Finanzierung auf solidere Füße zu stellen.“

Wie viele Nutzer werden abwandern?

Wie attraktiv ein 58 Euro teures Deutschlandticket für die Fahrgäste wirklich ist, muss sich allerdings erst noch zeigen. Einer Yougov-Umfrage zufolge sind schon die aktuellen 49 Euro für viele Nahverkehrsnutzer das Maximum, das sie zu zahlen bereit sind. Ein gutes Drittel derjenigen, die bisher zumindest zeitweise das Deutschlandticket genutzt oder dies erwogen haben, würde demnach bei einer Preiserhöhung das Abo kündigen oder keins mehr kaufen. Weniger drastisch fällt die Erhöhung für all jene aus, die das Deutschlandticket als Jobticket beziehen, bei denen der Arbeitgeber also einen Teil der Kosten des Fahrscheins übernimmt. Hier steigt der Preis auf 40,60 Euro an. Studentinnen und Studenten müssen vom übernächsten Wintersemester an 34,30 Euro bezahlen.

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Verbraucher-, Umwelt- und Sozialverbände üben deutliche Kritik an dem neuen Ticketpreis. Aus Sicht der Vorständin des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Ramona Pop, dürfte die nun beschlossene Preiserhöhung dazu führen, dass „Fahrgäste Bussen und Bahnen den Rücken zukehren“. Auch der Vorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn befürchtet, die Erhöhung von fast 20 Prozent treibe „viele neu gewonnenen Fahrgäste zurück ins Auto“. Ähnlich sieht es die Bundesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs (VCD), Kerstin Haarmann. „Eines der wichtigsten Projekte für die Verkehrswende droht zu scheitern“, sagte sie. „Die Ampelkoalition hat versprochen, die Fahrgäste auf der Schiene bis 2030 zu verdoppeln – daraus wird nichts, wenn sie weiter ihre eigenen Erfolgsprojekte sabotiert.“

Kritik kommt selbst aus eben jener Ampelkoalition. „Die Erhöhung des Deutschland-Tickets ist enttäuschend“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Isabel Cademartori. Sie spricht von einer „vorschnellen Preiserhöhung“ und fordert weitere Maßnahmen wie etwa einen Preisvorteil für Jahresabos. Und der Verkehrsexperte Jens Hilgenberg vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland erneuert die Forderung nach einem Angebot für Geringverdienende. „Wenn der Preis des Deutschlandtickets auf 58 Euro erhöht wird, muss ein deutschlandweit gültiges und einheitliches Sozialticket für maximal 29 Euro kommen“, sagte er.

Von 49 bis 60 Euro war alles dabei

Im Vorfeld der Verkehrsministerkonferenz hatten Politiker und Verbände die unterschiedlichsten Forderungen aufgestellt, wie es mit dem Deutschlandticket weiterzugehen habe. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter etwa forderte einen Preis von 64 Euro, seine Kollegen aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg hingegen sprachen sich für eine moderate Preissteigerung von wenigen Euro aus. Und auch die Verkehrsverbünde mischten kräftig mit. „Je höher die Preissteigerung ausfällt, desto stärker werden Kunden mit Abwanderung reagieren“, sagte etwa eine Sprecherin des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR). Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) und der Aachener Verkehrsverbund (AVV) hatten hingegen für einen Ticketpreis von 69 Euro pro Monat plädiert.

Am Ende fiel die Abstimmung über die Preiserhöhung zwar einstimmig aus, nach SZ-Informationen enthielten sich jedoch zwei Länder, die sich zuvor für eine moderatere Anpassung ausgesprochen hatten: Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

Aktuell nutzen etwa 13 Millionen Menschen hierzulande das Deutschlandticket. Das geht aus Zahlen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hervor. Die Branche klagt jedoch bereits seit Längerem über die gestiegenen Kosten bei Energie und Personal. Sinkende Ticketeinnahmen bringen einige Verkehrsbetriebe nun erst recht in Nöte – vom eigentlich dringend notwendigen Ausbau des Angebots insbesondere auf dem Land ganz zu schweigen.

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