Deutschland und Frankreich gegen die Schuldenkrise:Genug gespart, Kanzlerin

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Kanzlerin Merkel steht immer einsamer da mit ihrer Forderung nach noch strengerer Haushaltsdisziplin. In einem zentralen Punkt steht nicht einmal mehr der französische Präsident auf ihrer Seite. Beim heutigen Treffen will Sarkozy Merkel davon überzeugen, dass es beim kommenden Gipfel endlich um was anderes gehen muss als nur ums Sparen.

Cerstin Gammelin

Zweieinhalb Stunden müssen reichen, zumindest an diesem Montag. Um 11 Uhr wird Bundeskanzlerin Angela Merkel den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy in Berlin empfangen, bis zum frühen Nachmittag nehmen sich beide dann Zeit, um zu reden und zu planen. Es ist das erste Treffen des deutsch-französischen Duos in diesem Jahr, und gleichzeitig der Auftakt des fünften Krisenjahrs in Europa.

Offiziell bereiten Merkel und Sarkozy den nächsten, für Ende des Monats terminierten EU-Gipfel in Brüssel vor. Dort soll es endlich um etwas anderes gehen als nur ums Sparen, dort soll die Wende für Wachstum und Beschäftigung gelingen. Wenn sich die europäischen Staats- und Regierungschefs am 30. Januar treffen, wollen sie ganz konkrete Maßnahmen beschließen, mit denen die Wirtschaft in den europäischen Ländern angekurbelt und den Menschen vernünftige und ausreichend Jobs angeboten werden können.

Europa brauche eine "gemeinsame Wachstumspolitik", erinnerte Italiens Regierungschef Mario Monti am Wochenende in der norditalienischen Stadt Reggio Emilia Merkel und Sarkozy noch einmal an das große Ziel. Es sei nicht möglich, mit immer neuen Sparrunden aus der Krise zu kommen. Was Europa brauche, seien neue Ideen und Aktionen auf dem Arbeitsmarkt und anderswo, um die wirtschaftlichen Ungleichgewichte zwischen den Euro-Ländern abzubauen.

Bei Nicolas Sarkozy rennt Monti mit seiner Forderung offene Türen ein. Der Franzose und der Italiener trafen sich bereits am vergangenen Freitag in Paris, um über Wege aus der Krise zu sprechen. Anschließend erklärte Sarkozy, beide Regierungen stimmten "perfekt" überein. Am 20. Januar soll nun ein Dreiergipfel in Rom stattfinden, auf dem auch Merkel überzeugt werden soll. Denn das Wort "perfekt" dürfte auf die deutsch-französisch-italienischen Positionen nicht passen, zumindest noch nicht.

Das liegt auch daran, dass sich die drei größten Volkswirtschaften des Euro-Klubs in sehr unterschiedlichen Positionen befinden. Italien steht mit dem Rücken zur Wand, Monti kämpft gegen die dramatischen Schulden - und muss doch verhindern, dass die Wirtschaftskraft seines Landes nachlässt. Italien braucht Wachstum und Beschäftigung mehr als alles andere, damit das Land nicht abstürzt und den Euro-Klub mitreißt. Sarkozy wiederum will im Mai erneut als Präsident gewählt werden. Das wird ihm nur gelingen, wenn er zu Hause sichtbare Erfolge aufweisen kann. Noch sprechen die Fakten gegen ihn: Der geplante Abbau der Schulden ist gefährdet, viele Unternehmen entlassen ihre Beschäftigten, die Arbeitslosenzahlen sind auf Rekordkurs, junge Menschen finden keine Arbeit. Es muss etwas passieren, damit der Präsident triumphieren kann. Das wiederum liegt auch im Interesse der Bundeskanzlerin. Der sozialistische Spitzenkandidat François Hollande hat bereits angekündigt, im Falle eines Sieges andere Prioritäten bei der Krisenbewältigung zu setzen. Merkel hat keine andere Wahl, als zu hoffen, dass Monti erfolgreich ist und dass Sarkozy gewinnt - und sich deshalb im Sinne der beiden Partner auch kompromissbereit zu zeigen.

Die Bundesregierung bestätigte am Sonntag, dass Wachstum und Beschäftigung "zentrale Themen" des deutsch-französischen Treffens seien. Um welche Maßnahmen es genau gehen werde, wurde nicht bekannt. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass Merkel und Sarkozy zunächst den bereits im März 2011 beschlossenen, aber danach vergessenen Euro-Plus-Pakt wieder beleben wollen. Darin verpflichten sich die Euro-Länder, sozial- und arbeitsmarktpolitische Reformen anzugehen, die zu mehr Jobs führen können. Zudem drängen die Euro-Partner Berlin, die Binnenkonjunktur anzukurbeln. Neue Konjunkturpakete sind dem Vernehmen nach nicht geplant.

Merkel und Sarkozy wollen aber auch über "aktuelle Sorgen" sprechen. Griechenland kommt nicht auf die Beine, in Portugal und Spanien brechen unter dem verordneten Spardiktat die Unternehmen weg, Belgien droht seine Haushaltsziele zu verfehlen, Italien muss diese Woche neue Staatsanleihen verkaufen, um Schulden zu refinanzieren. Der Euro-Rettungsfonds kränkelt, sein Chef Klaus Regling räumte gerade ein, dass sich große Anleger weiter zieren, in den Fonds zu investieren. Umstritten bleibt die Rolle der Europäischen Zentralbank in der Schuldenkrise - und überdies verlaufen die Verhandlungen um den auf dem EU-Gipfel im Dezember beschlossenen Fiskalpakt ausgesprochen zäh.

Daran sind auch deutsch-französische Unstimmigkeiten schuld. In einem zentralen Punkt steht Paris nicht auf der Seite Berlins. Das geht aus einem Verhandlungspapier hervor, das die Positionen von Deutschland, Frankreich, Italien sowie der EU-Kommission vergleicht. Es liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Danach pocht einzig die Bundesregierung darauf, die Paragraphen des Fiskalpakts, in dem sich der Euro-Klub verpflichtet, solide zu wirtschaften und Sanktionen automatisch auszulösen, mit dem Vertrag über den ständigen Euro-Rettungsfonds ESM zu verknüpfen. Nur wer strenge Haushaltsregeln akzeptiere, könne mit Hilfe aus dem Fonds rechnen, heißt es in Berlin. Am vergangenen Freitag gingen die Unterhändler kompromisslos auseinander. Kommenden Donnerstag, drei Tage nach dem deutsch-französischen Treffen, tagen sie wieder. Dann wird sich wohl zeigen, ob Berlin oder Paris einschwenkt. Der Pakt soll am 30. Januar unterschrieben werden.

Offen ist auch, ob die Kanzlerin Sarkozy unterstützt, schon in den nächsten Monaten die umstrittene Finanztransaktionssteuer einzuführen. Angesichts der bevorstehenden Wahlen will Sarkozy jetzt ernst machen und Banken zur Kasse bitten. Merkel schweigt dazu. Noch.

© SZ vom 09.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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