Deutschland:Merkel ist die beste Lobbyistin der deutschen Autoindustrie

Die Autopolitik der Bundesregierung ist verkehrt und schadet auf Dauer allen: dem Land, dem Klima, selbst den Konzernen.

Kommentar von Klaus Ott

Bäche, die zu reißenden Flüssen werden und ganze Orte verwüsten: Die Flutkatastrophen der vergangenen Wochen haben Menschenleben gekostet, haben Familien obdachlos gemacht und Betriebe in ihrer Existenz gefährdet. Nicht nur im bayerischen Simbach am Inn, das zu einem traurigen Symbol wird. Vielleicht zu einem Symbol dafür, wie sich das Klima ändert und wohin das führt.

Die Regenflut ist nicht nur nach Ansicht von Bayerns Regierung eine Folge der Erderwärmung. Der Klimawandel habe "einschneidende Folgen", sagt Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU). Für den Menschen seien die Grenzen der Beherrschbarkeit erreicht. Auch manche Wissenschaftler betrachten die heftigen Regenfälle als Indizien für den Klimawandel.

Der wiederum wird vor allem durch immer mehr CO₂ in der Erdatmosphäre ausgelöst. Durch Kohlendioxid, das bei Verbrennungsprozessen entsteht, auch im Straßenverkehr. Die Bundesregierung mit Kanzlerin Angela Merkel, die sich so gerne der angeblichen Vorreiterrolle Deutschlands beim Klimaschutz rühmt, müsste also auf strenge CO₂-Grenzwerte für Autos (und Lkw) drängen. Möchte man meinen. Doch weit gefehlt!

Merkels Regierung ist seit Jahren der beste Lobbyist der deutschen Autoindustrie bei der Europäischen Union in Brüssel, wenn es um CO₂ geht. Briefe, Minister-Vorlagen und Vermerke aus den vergangenen Jahren dokumentieren eindrucksvoll, wie sehr sich die Regierung für BMW, Daimler und Volkswagen einsetzt. Wie jede Gelegenheit genutzt wird, um die EU von allzu strengen CO₂-Grenzwerten für den Straßenverkehr abzuhalten. Wie solche Grenzwerte trickreich verwässert werden.

Die Rechnung der Regierung: Die Autoindustrie sorgt für Beschäftigung, Wachstum und Exporte. Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland sei von dieser Industrie abhängig, lautet Merkels Mantra. Wer das anders sieht in der Regierung, hat keine Chance. Umweltpolitiker werden ausgebremst, sobald es um das Auto geht.

Und das Umweltbundesamt (UBA)? Darf warnen. Darf fordern, dass beim Verkehr "dringend mehr passieren" müsse. Darf darauf hinweisen, dass der Trend zu immer mehr Gütertransporten auf der Straße, zu immer mehr PS und schweren Fahrzeugen die technischen Fortschritte bei Verbrauch und Abgasreinigung zunichtemache. Der Verkehr sei der "einzige Sektor, der seine Emissionen seit 1990 nicht mindern konnte", sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger erst im vergangenen Jahr.

Doch in Berlin entscheidet nicht Krautzberger, sondern Merkel - zum Wohle der Autokonzerne. Eine kurzsichtige Politik. Was nützt es dem Lande, wenn die Autoindustrie heute mit immer größeren Fahrzeugen floriert, die schon morgen von vorgestern sind. Nicht nur, weil sie verhältnismäßig viel Sprit brauchen und CO₂ ausstoßen. Mit ihnen fahren Audi, BMW und Daimler auf Dauer in die Sackgasse. Das nützt weder dem Lande noch dem Klima noch den Konzernen.

Genauso kurzsichtig wäre es aber, Merkel und ihrer Regierung alleine die Schuld zu geben an dieser rückständigen Verkehrspolitik. Audi, BMW und Daimler würden ihre Limousinen nicht bauen, wenn es keine Käufer dafür gäbe. Der Autoverkehr nimmt zu statt ab. Daran ändern auch wohlklingende Appelle des Umweltbundesamtes nichts: "Nutzen Sie das Fahrrad so oft wie möglich: Dies schont Ihren Geldbeutel, hält Sie gesund und hilft der Umwelt." Vielen Bürgern sind die Ratschläge der Öko-Behörde genauso egal wie der Regierung Merkel.

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