Süddeutsche Zeitung

Länderindex Korruption 2022:Deutschland geht zu schwach gegen Korruption vor

Cum-Ex, Maskenaffäre, Korruption von Europaparlamentariern: Das Vertrauen in die Integrität von Politik und Wirtschaft ist geschwächt, zeigt ein Index von Transparency International.

Von Markus Zydra, Frankfurt

"Deutschland kommt seit zehn Jahren bei der Korruptionsbekämpfung nicht entscheidend voran", sagt Margarete Bause, stellvertretende Vorsitzende von Transparency International Deutschland. Am Dienstagmorgen veröffentlichte die NGO den Korruptionswahrnehmungsindex 2022. Das Ergebnis: "Skandale wie die Maskenaffäre oder Cum-Ex haben zuletzt das Vertrauen in die Integrität von Politik und Wirtschaft geschwächt", so Bause. Die Untersuchung umfasst 180 Staaten und bewertet auf Basis von Umfragen die in Politik und Verwaltung wahrgenommene Korruption.

Deutschland erreicht hinter Schweden, der Schweiz und den Niederlanden den neunten Rang. Spitzenreiter mit 90 Punkten auf der Skala von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) ist Dänemark. Den letzten Platz belegt Somalia mit zwölf Punkten. Deutschland verliert im Vergleich zum Vorjahr leicht und erhält 79 Punkte - die niedrigste Punktzahl seit 2014. "Als Lehre aus dem Maskenskandal und der Aserbaidschan-Affäre ist eine Verschärfung des Gesetzes zur Abgeordnetenbestechung überfällig", sagt Bause weiter.

Das autokratisch regierte Land Aserbaidschan ließ 2012 einigen deutschen, britischen und italienischen Delegierten im Europarat Geld, Luxusreisen und Kaviar zukommen, um in der Parlamentarischen Versammlung eine Abstimmung für sich zu gewinnen. Diese "Kaviardiplomatie" machte Schule. Zuletzt erhielten Europaparlamentarier Koffer voll Bargeld aus Katar und Marokko - als Gegenleistung für die politische Unterstützung dieser Staaten. Man spricht von strategischer Korruption.

"Die geltenden Verhaltensregeln wurden weder umgesetzt noch kontrolliert"

Die G-7-Staaten haben Korruption erst 2022 als Gefahr für die nationale Sicherheit benannt. Die Bundesregierung, so Transparency, müsse folgen und die Korruptionsbekämpfung zur Priorität machen, etwa indem man es in der Nationalen Sicherheitsstrategie verankere.

"Weltweit setzen autokratische Staaten Korruption als Waffe ein, um ihre Interessen durchzusetzen und die politische, soziale und wirtschaftliche Stabilität in demokratischen Ländern auszuhöhlen", sagt Alexandra Herzog, Vorsitzende von Transparency International Deutschland. Die Bundesregierung müsse Korruptionsbekämpfung zur Priorität machen und deutlich stärker gegen Geldwäsche und verdeckte transnationale Geldströme vorgehen. Mit Blick auf den Korruptionsskandal im Europäischen Parlament, nach dem Parlamentarier ihre Geschenke und gesponserten Reisen erst jetzt nachmelden, werde deutlich, "dass die geltenden Verhaltensregeln weder umgesetzt noch kontrolliert worden sind. Das ist erschreckend", so Herzog.

Welche langfristigen Folgen strategische Korruption haben könne, zeige sich, so Transparency International, im Kontext des russischen Angriffs auf die Ukraine: "Russland baute über Jahre mit Hilfe massiver finanzieller Mittel ein Einflussnetzwerk auf Bundes- und Landesebene auf." Beispiele dafür sind nicht zuletzt lukrative Posten für den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Unterstützung von AfD-Politikern, die Finanzierung der landeseigenen "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" und Desinformationskampagnen. Gerade deswegen sei es Russland gelungen, politische Entscheidungen - zum Beispiel in der Energiepolitik - zu beeinflussen und seine geostrategische Position zu stärken.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5741955
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/mva
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.