Deutschland im globalen Wettbewerb:Trügerisch gute Stimmung

Container Terminal im Hafen

Ein Containerschiff wird am Container-Terminal Altenwerder im Hamburger Hafen be- und entladen (Archivbild).

(Foto: dpa)

Die Börse eilt von Rekord zu Rekord, die Exporte steigen. Der deutschen Wirtschaft geht es gut, doch so manche Nachricht weckt Zweifel an ihrer Robustheit. Die Unternehmen brauchen jetzt Unterstützung aus Berlin: SPD und Union sollten keine Wohltaten an Rentner verteilen, sondern in Forschung investieren - und für eine klare Klimapolitik sorgen.

Ein Kommentar von Karl-Heinz Büschemann

Deutschland lebt wie in Trance. Die Börse eilt von Rekord zu Rekord. Die Exporte erreichen Höchstwerte. Die Konsumenten sind in Kauflaune. Der Maschinenbau, die Chemieindustrie und die Elektrobranche rechnen im Jahr 2014 mit guten Geschäften. Sogar der lahmende Automarkt in Westeuropa soll schon bald wieder Fahrt aufnehmen.

Die guten Nachrichten scheinen Bürgern wie Politikern aber gleichermaßen den Blick für die Zukunft zu verstellen. Längst gibt es Anzeichen, dass die deutsche Wirtschaft weniger robust ist, als die Erfolgsbotschaften weismachen. Es lohnt sich auf Nachrichten aus der Wirtschaft zu achten, die heute auf den hinteren Seiten der Zeitungen stehen. Sie könnten zu den Schlagzeilen von morgen führen.

Deutsche Firmen verlieren an Bedeutung

Volkswagen, eines der erfolgreichsten Unternehmen dieses Landes hat zunehmend Absatzschwierigkeiten auf dem wichtigen amerikanischen Markt. Die Chemieindustrie gerät unter Druck, weil die Energiekosten in Deutschland drastisch gestiegen sind. China, einer der wichtigsten Exportmärkte für deutsche Autos und Maschinen, steht im kommenden Jahr vor dem schwächsten Wirtschaftswachstum seit 1990. In der deutschen Wirtschaft nimmt die Arbeitslosigkeit wieder leicht zu, gleichzeitig wandern Arbeitsplätze ins Ausland, vornehmlich nach Osteuropa. Gerade belegt eine Studie, dass die europäischen Firmen in der Gruppe der hundert global wichtigsten Unternehmen an Bedeutung verlieren, auch wenn die Zahl der deutschen Konzerne in dieser Gruppe von fünf auf sieben gestiegen ist.

Der Wettbewerb nimmt für deutsche und westeuropäische Konzerne stetig zu. Volkswirtschaften, die lange als abgeschlagen galten, melden sich als Konkurrenten auf dem Weltmarkt zurück. Dank der niedrigen Energiepreise wegen der Förderung von Schiefergas im eigenen Lande werfen die USA inzwischen wieder Chemiewerke an, die längst ausgemustert waren. Großbritannien, das sich in den vergangenen Jahrzehnten als Finanz- und Dienstleistungsland empfahl, könnte bis zum Jahr 2030 das Industrieland Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas ablösen, wie eine neue Studie aus dem Königreich besagt.

Je nach dem wie es läuft

Noch gibt es keinen Grund zur Unruhe. Aber es ist ein Fehler, wenn sich die Koalitionspartner in Berlin blind auf die Stärken der Wirtschaft verlassen und mit Wohltaten für Rentner aus dem Auge verlieren, dass vor allem Investitionen in Infrastruktur und Bildung die Zukunft der Wirtschaft sichern. Aber auch die Unternehmen machen es sich zu leicht. Zunehmend beobachten Berater, dass manche Chefs die Ausgaben für Forschung und Entwicklung schwanken lassen, je nachdem wie es gerade bei ihnen läuft.

Das birgt die Gefahr, dass in Zeiten geringerer Ausgaben für Innovationen der Druck nachlässt, vorne dabei zu sein. Und schon ist die Konkurrenz vorbeigezogen. Mit Ländern wie Polen, Tschechien oder Ungarn sind für die Deutschen längst Konkurrenten herangewachsen, die auf Produktivitätszuwächse verweisen können, die über denen in Deutschland liegen.

Ein Rahmen statt neuer strompolitischer Überraschungen

Das wäre nichts Ungewöhnliches. Deutschland hat sich als Technik-Nation seinen Vorsprung immer wieder neu erarbeitet. Herausforderungen wie steigende Energiepreise haben seine Industrie oft in einen Wettbewerbsvorteil verwandelt.

Dazu braucht die Wirtschaft aber die Unterstützung aus Berlin. Die Regierung muss selbst keine neuen Arbeitsplätze schaffen, sie muss nicht festlegen, mit welchen Technologien die Wirtschaft die Konkurrenz von morgen bestreiten sollte. Das ist Sache der Unternehmen, die das besser können. Aber die Bundesregierung könnte zwei segensreiche Dinge tun: Es wäre sinnvoll, Forschung und Entwicklung der Unternehmen steuerlich zu fördern. Darüber wurde im Wahlkampf mal gesprochen, das Thema war aber schnell wieder vergessen, weil die spendable große Koalition auf keinen Cent aus Steuereinnahmen verzichten wollte.

Noch wichtiger wäre eine klare Energiepolitik der Bundesregierung, die mit der Abkehr von der Atomenergie und steigenden Strompreisen viele Unternehmen vor Probleme stellt. Es geht nicht darum, dass Strom unbedingt billiger werden müsste, wie viele fordern. Es würde reichen, wenn die Regierung nach drei Jahren des Chaos' mit immer neuen strompolitischen Überraschungen den Unternehmen endlich einmal Rahmenbedingungen gäbe, die Planungssicherheit mit sich bringt. Nichts brauchen Unternehmen mehr. Das würde Investitionen auslösen, die lange verschoben wurden.

Die gute Stimmung in der Wirtschaft darf nicht zu dem Glauben führen, dass die Unternehmen alle Überraschungen der Politiker locker abfedern können.

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