Deutschland droht Top-Kreditwürdigkeit zu verlieren:Auf die schräge Art

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Noch ist völlig unklar, wie Europa die Schuldenkrise bekämpfen will. Doch die Ratingagentur Standard & Poor's weiß schon jetzt, dass Deutschland vorsichtshalber die Bestnote verlieren sollte. Auch den anderen Euro-Staaten und dem Rettungsschirm droht die Herabstufung. Ist das schlimm? Nein. Ist es ärgerlich? Ja!

Hans von der Hagen

Wieder einmal findet Standard & Poor's eine Lösung nach Art des Hauses: Unmittelbar vor womöglich wegweisenden Entscheidungen beim kommenden EU-Gipfel setzt die Ratingagentur 15 der 17 Euro-Staaten unter verschärfte Beobachtung. Die Konsequenz: All diese Länder könnten in den kommenden drei Monaten herabgestuft werden. Staaten wie Deutschland, Österreich oder Frankreich würden in dem Fall ihr Top-Rating verlieren, das AAA. Zwangsläufig träfe das dann auch den Rettungsfonds EFSF - er kann nicht besser benotet werden als die Staaten, die ihn finanzieren.

Die Euro-Skulptur vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt spiegelt sich in einer Wasserlache auf einer Tonne im Frankfurter Occupy-Lager Ende November. (Foto: AP)

Warum geht Standard & Poor's gerade jetzt damit in die Öffentlichkeit - noch bevor irgendwelche Entscheidungen in der Euro-Krise getroffen sind, die womöglich tatsächlich eine Herabstufung rechtfertigen würden? Im Moment beruft sie sich auf Mutmaßungen. Die Begründung der Ratingagentur ist entsprechend allgemein gehalten. Da ist von den sich vertiefenden finanziellen und politischen Problemen in der Euro-Zone die Rede, die möglicherweise auch Auswirkungen auf Deutschland haben könnten. S&P thematisiert auch die schleppenden Fortschritte bei der Bewältigung der Krise und die drohenden Gefahren für das Wachstum.

Nichts von dem ist so neu, dass es die Agentur gerade jetzt hinausposaunen müsste. S&P, die sich schon im Sommer bei der Herabstufung der Vereinigten Staaten mit einem peinlichen Rechenfehler blamierte, dann vor wenigen Wochen "irrtümlich" eine Verschlechterung der Kreditwürdigkeit Frankreichs meldete, hat keine glückliche Hand im Umgang mit der Öffentlichkeit.

Das soll nicht als Kritik an der Arbeit der Agentur an sich missverstanden werden - es nützt nichts, das Fieberthermometer für die erhöhte Temperatur eines Patienten verantwortlich zu machen. Es ist nur eine Kritik an der Art und Weise der Arbeit, die eben nicht nachvollziehbar auf bereits beschlossene politische Lösungen reagiert, sondern - zumindest dem Anschein nach - Entscheidungen beeinflussen möchte. Das ist ärgerlich. Ein Fieberthermometer hilft bei der Diagnose, entscheidet aber nicht über Art der Therapie. Dass die an den Finanzmärkten so relevanten Informationen von Standard & Poor's erneut auf Umwegen an die Öffentlichkeit gelangt sind - eine Zeitung hatte vorweg darüber berichtet -, nimmt man mittlerweile nur noch mit Ächzen zu Kenntnis. Im Falle der USA war es ganz genauso. Offensichtlich kann es Standard & Poor's nicht anders.

Was aber, wenn Deutschland und die übrigen Staaten tatsächlich herabgestuft würden? Wenn die Bundesrepublik tatsächlich auf ihr Triple-A-Rating verzichten müsste, das seit der Erstbewertung durch S&P's im Jahr 1983 besteht? Die Antwort ist: zunächst wohl gar nichts.

Da alle übrigen Euro-Länder mit Bestnote ebenfalls zurückgesetzt würden, dürfte Deutschland weiterhin von Geldgebern als außerordentlich kreditwürdig eingeschätzt werden. Wenn es nur noch zweitbeste Ratings bei einer so wichtigen Währung wie dem Euro gibt, dann ist eben das die neue Topnote.

Zwar würden dann Länder wie Norwegen, die Schweiz oder Kanada formal als sicherer eingestuft, doch die deutschen Anleihen dürften deswegen kaum ihren Status als Benchmark verliehen. Für Anleger ist nicht allein das Rating entscheidend, sondern auch Währung, sowie die Größe eines Landes und damit die am Markt gehandelten Volumina einer Staatsanleihe.

Es gibt entsprechend auch keinen Automatismus, demzufolge Deutschland im Falle einer Herabstufung sofort höhere Zinsen zahlen müsste. Noch immer gilt an den Finanzmärkten das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Solange Deutschland mit Sicherheit und Beständigkeit assoziiert wird, wird die Nachfrage nach Bundesanleihen groß bleiben - und der Zinssatz entsprechend niedrig. In den Vereinigten Staaten verhielt es sich nach der Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit ganz ähnlich.

Ganz ohne Folge bliebe eine Herabstufung freilich nicht: Institutionelle Investoren wie beispielweise Versicherungen oder Pensionskassen dürfen bei ihren Anlagen nur in Papiere mit besten Ratings investieren. Auch ein AA+, die womöglich neue Bonitätsnote Deutschlands, gilt zwar in der Finanzbranche noch als top. Da aber in der Bilanz Anleihen je nach Rating mit unterschiedlichen Summen an Eigenkapital hinterlegt werden müssen, würde es für Großinvestoren teurer, deutsche Anleihen ins Anlageportefolio zu nehmen.

Auch die Struktur des Euro-Rettungsfonds wird angepasst werden müssen, dessen Haftungssummen auf einem Toprating der teilnehmenden Länder basieren. Das fällt zwar bei einer Herabstufung auf dieser Ebene noch nicht so sehr ins Gewicht - es macht ihn aber teurer und verunsichert die potentiellen, ohnehin schon reservierten EFSF-Investoren noch mehr.

Die Drohung von S&P ist also ein Warnschuss. Nicht schlimm, aber auch nicht ignorierbar. Dass allerdings die Agentur so unglücklich mit ihren Informationen hantiert, bleibt fraglos ein großes Ärgernis.

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