Deutscher Strom:Viel Spielraum für Preissenkungen

Die Bundesnetzagentur verordnet dem ostdeutschen Energiekonzern Vattenfall eine happige Preissenkung und bringt damit Bewegung in die Energiemärkte. Das wurde allerdings auch höchste Zeit.

Michael Bauchmüller

Spielen wir doch einmal Planwirtschaft: Angenommen, der Staat wollte die Wirtschaft vor einem Preisverfall schützen. Für die Preise sollte nicht mehr der Wettbewerb relevant sein, sondern allein die Herstellungskosten, egal wie hoch sie sind. Was täten kluge Unternehmer?

Deutscher Strom: Strommasten des Energiekonzerns RWE in Bochum.

Strommasten des Energiekonzerns RWE in Bochum.

(Foto: Foto: ddp)

Sie würden erst mal neue Maschinen kaufen. Sie brächten ihren Laden auf Vordermann und schlügen alle möglichen Kosten auf den Preis auf. Den Schaden hätten ganz allein die Kunden: Sie müssten draufzahlen.

So ähnlich funktionierte jahrelang das deutsche Stromnetz. Dessen Besitzer konnten es nach Belieben ausbauen und verlangten dafür auch ziemlich happige Preise; die Regeln erlaubten es.

Modern aber teuer

Ostdeutschland etwa verfügt deshalb mittlerweile über eins der modernsten Stromnetze Europas. Aber die Kosten dafür sind so hoch, dass energieintensive Betriebe längst einen Bogen um die strukturschwachen Regionen machen.

Nicht nur Haushalte, mehr noch die Wirtschaft leidet unter hohen Strompreisen wie nie zuvor. Im internationalen Wettbewerb sind sie längst zum echten Standortproblem heimischer Unternehmen geworden. Das deutsche Stromnetz ist ein Schlüssel dazu: Es mag das sicherste Europas sein. Es zählt aber auch zu den teuersten. Günstige Alternativ-Anbieter für Strom dagegen suchten Firmen wie Haushalte zuletzt vergebens.

Es ist daher kein Zufall, dass sich die Bundesnetzagentur als Erstes den ostdeutschen Vattenfall-Konzern vorgeknöpft hat. Unter vernehmlichem Stöhnen des Unternehmens verordnete die Behörde 18 Prozent Preissenkung für das Stromnetz.

Allgemeiner Preisnachlass ist zu erwarten

Das ist happig, und Gerichte werden entscheiden müssen, ob es gerechtfertigt ist. Sicher ist: Es gibt eine Menge Spielraum für Preissenkungen. Andere Versorger werden bald ebenfalls zum Preisnachlass verdonnert werden.

Viel Spielraum für Preissenkungen

Die radikale Forderung der Netzagentur ist mehr als nur ein Symbol. Bisher waren die Stromleitungen für fremde Energiekonzerne das Nadelöhr auf dem Weg zum Kunden. Ein Unternehmen konnte noch so günstig Strom erzeugen: Wollte es ihn verkaufen, musste es stets durch das Netz anderer Unternehmen. Und die ließen sich die Benutzung der Leitungen teuer bezahlen.

Kam der Strom dann bei den Haushalten an, war er nur noch geringfügig billiger als etwa der der örtlichen Stadtwerke - das zudem noch an der hohen Netzmiete verdiente, die Konkurrenten zahlen mussten. Der Wettbewerb war zwar seit 1998 auf dem Papier hergestellt, wirklich entstehen konnte er so aber nie.

Verdienen an den Kraftwerken

Allerdings: Mit der Kontrolle der Netze ist es noch lang nicht getan. Die großen Energieversorger mögen an ihren Netztöchtern bald nicht mehr so gut verdienen. An ihren Kraftwerken verdienen sie umso besser.

Das an sich ist nicht verwerflich, wären sie nicht so mächtig: Fast 90 Prozent der deutschen Stromversorgung liegt in der Hand der vier großen Konzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall. Wettbewerb in den Netzen aber wird wenig nutzen, wenn es keinen Wettbewerb bei der Stromerzeugung gibt.

Kein Zufall

Unternehmen, die in Deutschland Kraftwerke bauen wollen, berichten von Hürden und Verzögerungen, wenn sie ihr Kraftwerk ans Hochspannungsnetz anschließen wollen. Zufall? Wohl nicht: Das Netz gehört jenen vier Konzernen, die auch den meisten Strom erzeugen.

"Energiemarkt", das klingt gut. Aber es spricht sich leichter aus, als es sich realisieren lässt. Das belegt auch der Kampf um das Erdgas-Geschäft, das etablierte Anbieter verzweifelt abschotten wollen. Der deutsche Energiemarkt gleicht eben immer noch einem Biotop, in dem sich die Unternehmen in Jahrzehnten wohlig eingerichtet haben. Gute Kontakte in die Politik sicherten es bestens ab.

Die Zeiten ändern sich

Immerhin: Die Zeiten scheinen sich zu ändern. Netzagentur, Kartellamt, EU-Kommission legen langsam, ganz langsam die Sümpfe der Vergangenheit trocken. Es wurde höchste Zeit.

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