Deutscher Mittelstand:Was macht eigentlich ... Sabine Herold?

Womit verdienen Familienunternehmer ihr Geld? Wir stellen einige von ihnen vor. Ein Gespräch mit Sabine Herold vom Klebstoffhersteller Delo über den Schutz von Skipässen, geheime Rezepte und verschwiegene Ingenieure.

Von Elisabeth Dostert

Delo

In den Labors von Delo werden Klebstoffe für die Industrie entwickelt.

(Foto: oh)

Frau Herold, was machen Sie eigentlich?

Wir entwickeln und produzieren High-Tech-Klebstoffe.

Was muss ich mir unter einem High-Tech-Klebstoff vorstellen - nicht Uhu und nicht Pattex?

Jedenfalls nicht das, was die Konsumenten bei Obi und Tengelmann im Regal finden. Wir verkaufen unsere Klebstoffe nur an Firmenkunden. Wir stellen Spezialitäten her.

Was verklebt man mit Ihren Produkten?

Die Firma

Delo Industrie Klebstoffe GmbH & Co. KGaA

  • Gegründet 1961 durch Waldemar Wirtz ,
  • 1988 Übernahme durch Espe
  • 1997 Management-Buyout von Delo durch Sabine, 51, und Wolf-Dietrich Herold, 70
  • Umsatz: 60 Millionen Euro
  • Beschäftigte: 420

Mein Lieblingsbeispiel ist die Smartcard, EC-Karten zum Beispiel, oder elektronische Ski-Pässe mit Chip. Die Intelligenz, also die Informationen, auf der Rückseite solcher Karten wird mit einem Tropfen Klebstoff geschützt.

So eine Art Folie?

Eher eine Kappe, die die elektronischen Kontakte vor Umwelteingriffen schützt. Die Kreditkarte übersteht dann auch die Waschmaschine ohne Datenverlust.

Sind Smartcards das wichtigste Anwendungsgebiet für Ihre Klebstoffe?

Nein. Mengenmäßig nicht, weil die Tropfen winzig sind. Aber bei dem Klebstoff für die Karten haben wir einen Weltmarktanteil von 80 Prozent.

Wie groß ist denn ein Tröpfchen?

Schätzen Sie doch mal, wie viele Skipässe mit Sicherheitsetikett man mit einem Liter Klebstoff schützen kann?

Drei Millionen!

Das ist eine gute Schätzung. Es sind 20 Millionen. Die meisten sagen 10 000 oder 100 000. 20 Millionen ist eigentlich nix. Das sind aber genau die Anwendungsfelder, die wir als Hidden Champion suchen: Klebstoffe, von denen eine kleine Dosis reicht, die aber ganz wichtig sind für ein Bauteil und von denen unser Kunde dann Millionen herstellt.

Was gibt es noch für Anwendungsgebiete?

Wir haben gerade den Innovationspreis der deutschen Wirtschaft für Display-Klebstoffe bekommen. Wir haben Klebstoffe entwickelt, die die Reflektion von Licht auf Displays um zwei Drittel reduzieren, in dem man eine dünne Schicht Klebstoffe zwischen Schutzglas und Display gießt. So lässt sich die Hintergrundbeleuchtung reduzieren, das spart Energie.

Stimmt es, dass auch die Stoßstange des BMW i3 mit Ihrem Klebstoff an der Karosserie befestigt wird?

Nein, nicht ganz. Mit unserem Klebstoff wird im BMW i3 ein Befestigungselement verklebt. Zur Zeit zum Beispiel Kabelhalterungen. Zukünftig sollen mit diesen Klebebolzen auch Stoßstangen geklebt werden. Dabei klebt man die Elemente auf die Stoßstange und verschraubt sie dann mit der Karosserie. Es wäre ziemlich blöd, die Stoßstange direkt auf die Karosserie zu kleben.

Wieso?

Weil sie dann nach einem Unfall nicht mehr getauscht werden kann. Direkt lässt sich die Stoßstange nicht verschrauben, weil ein Loch die Struktur des mit Kohlenfaserstoff verstärkten Kunststoffs beeinträchtigen würde. Deshalb kleben wir zunächst auf die Stoßstange einen Gewindebolzen aus Metall und Kunststoff, der dann an die Karosserie geschraubt wird. Wir haben das System gemeinsam mit der Firma Böllhoff entwickelt. Der Klebstoff wird binnen Sekunden unter UV-Licht gehärtet.

Delo

Sabine Herold ist Diplom-Ingenieurin. Die Unternehmerin sitzt auch im Präsidium des Bundesverbandes der deutschen Industrie.

"Wir hüten Rezepte wie Kronjuewelen"

Aus welchen Zutaten besteht Ihr Klebstoff?

Basis sind Epoxidharze und Acrylate. Die Grundstoffe sind eigentlich nichts Besonderes. Die Spezialitäten, zum Beispiel Photoinitiatoren, die dafür sorgen, dass der Klebstoff unter UV-Strahlung hart wird, entwickeln und produzieren wir meistens selbst. Sie machen aber nur einen kleinen Anteil des Klebstoffes aus.

Mehr wollen Sie nicht über die Rezeptur verraten?

Definitiv nicht.

Wer kennt die Rezepte eigentlich in Ihrer Firma?

Fast keiner, auch ich nicht.

Wie? Sie nicht? Die Firma gehört doch Ihnen!

Wenn ich wollte, könnte ich mir die Rezepturen schon besorgen. Wir hüten die wie Kronjuwelen.

Kennt Sie wenigstens Ihr Mann, der für Technik und Entwicklung zuständig ist?

Auch nicht. Die kennt nur ein ganz kleiner Kreis. Vom PC auf meinem Schreibtisch habe ich noch nicht mal Zugriff auf unsere Forschungs- und Entwicklungsdaten.

Ohne Ihre IT-Kenntnisse in Frage stellen zu wollen, wie können Sie so sicher sein, dass kein Fremder sich von außen Zugriff verschafft?

Unsere Abteilung für Forschung und Entwicklung (F&E) ist neben dem Firmennetzwerk an ein separates Systeme angebunden. Das ist ein Server, auf dem die Rezepturen gespeichert werden.

Haben Ihre Kollegen in Forschung und Entwicklung einen Internetzugang?

Natürlich, aber nicht von dem Server aus, auf dem die Rezepturen gespeichert sind. Selbst die Entwickler der Klebstoffe auf Basis von Epoxidharzen können nicht die Daten der Entwickler von Klebstoffen auf Basis von Acrylaten einsehen.

Die Geheimniskrämer sind Ihre F&E-ler?

Ja, aber auch die Anwendungstechniker. Die haben allerdings auch keine Einsicht in das Projekt des anderen. Auch jeder Vertriebler hat nur Einsicht in seine eigenen Projekte. Wir betreiben extremen Aufwand, um unser Know-how geheim zu halten.

Verlangen das nicht auch Ihre Kunden?

So extrem nicht. Wir arbeiten mit Elektronikkonzernen, die hohe Ansprüche haben.

Wie muss ich mir die vorstellen?

Alle Daten und Produkte müssen in einem separaten, abgeschlossenen Raum mit Kameraüberwachung aufbewahrt werden.

Heißt, der Arbeitsvertrag eines Entwicklers füllt drei Ordner?

Ganz so schlimm ist es nicht. Unsere Ingenieure müssen alle Geheimhaltungsklauseln unterzeichnen, das ist den Kunden mittlerweile ziemlich wichtig: nicht zu viel reden, nicht zu viel Kopien machen und so weiter.

Und wenn einer dagegen verstößt?

Das Szenario möchte ich mir gar nicht vorstellen. Es hat auch noch keinen Fall gegeben. Das ist ein Standortvorteil von Deutschland, dass die Leute als absolut verlässlich gelten und präzise arbeiten.

Teflon kann man nicht kleben

Welche Stoffe lassen sich nicht verkleben?

Einige, Teflon, zum Beispiel. Wenn die Oberflächen darauf ausgelegt sind, dass nichts anhaftet, haftet eben auch kein Klebstoff.

Was kostet ein Liter eines Klebstoffes zum Schutz der Skipässe?

Zwischen 3000 und 5000 Euro, der hat ganz spezifische Eigenschaften. Im Schnitt kostet ein Liter 250 bis 300 Euro.

Klingt so, als ob man als Abnehmer beim Klebstoff nicht wirklich sparen kann und es sich lohnt, Druck auszuüben?

Das ist wohl war. Pro Bauteil ist der Anteil des Klebstoffs verschwindend gering. Der Preis spielt in Gesprächen mit unseren Kunden nicht die größte Rolle, da geht es um die Qualität, weil das komplette Bauteil einen hohen Wert hat, wenn das schlecht verklebt ist, ist der Schaden größer.

Wer sind denn Ihre Konkurrenten?

Es gibt ein paar Asiaten, die sind sehr gut in Chemie, das ist lästig.

Was ist mit Firmen wie Henkel?

Wenn die mich als Wettbewerber sehen, bin ich extrem stolz.

Tun die das denn?

Der Henkel-Chef Rorstedt hat mich mal einem Unternehmer vorgestellt: "Ach, Sie reden mit einem unserer Konkurrenten". Da bin ich fast gestorben vor Stolz. Henkel setzt Milliarden mit Klebstoffen um.

Ist Henkel denn wirklich ein Konkurrent?

Auf verschiedenen Märkten laufen wir uns schon gelegentlich über den Weg, aber selten.

Hatten Sie schon Übernahmeangebote?

Wöchentlich.

Warum greifen Sie nicht zu?

Delo

Sabine Herold ist Diplom-Ingenieurin. Die Unternehmerin sitzt auch im Präsidium des Bundesverbandes der deutschen Industrie.

(Foto: Jens Schwarz)

Weil ich Spaß habe. Was soll ich den ganzen Tag machen, wenn ich Delo nicht mehr habe. Ich kann doch nicht den ganzen Tag Golf spielen. Es gibt hier so viel Neues, so viele nette, intelligente Menschen, daheim ist es echt vergleichsweise langweilig.

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