Deutscher Mittelstand:Was macht eigentlich ... Peter Köhler?

Weidmueller, Detmold

Weidmüller stellt elektrische Verbindungen her.

(Foto: oh)

Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Wir stellen Familienunternehmer vor. Ein Gespräch mit Peter Köhler, dem Chef des Elektrotechnik-Spezialisten Weidmüller über den Übernahmekampf mit dem Wettbewerber R. Stahl.

Von Elisabeth Dostert

Was machen Sie eigentlich?

Wir stellen Komponenten und Lösungen für elektrische Verbindungen her. Überall, wo Daten, Energie und Signale übertragen werden, stecken unsere Produkte, zum Beispiel in Schaltschränken und Steuerungen.

Mitte April haben Sie ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot für das börsennotierte Familienunternehmen R. Stahl aus Waldenburg lanciert. Am Freitag haben Sie es von 47,50 auf 50 Euro je Aktie erhöht. Warum haben Sie nachgebessert. War Ihre erste Bewertung falsch?

Wir haben den Preis erhöht, weil wir von der industriellen Logik fest überzeugt sind und das Angebot dadurch noch attraktiver gemacht haben. Zudem wollten wir ein Signal senden: Momentan wird die Fassade des Widerstands von wenigen Personen auf das gesamte Unternehmen übertragen. Mit dieser Fassade blockiert man eine konstruktive Diskussion und damit die Entwicklung von R. Stahl.

Oder haben Sie sich einfach verzockt?

Nein, wir haben am Freitag sogar einen wichtigen Meilenstein im Prozess erreicht: Das Bundeskartellamt hat Weidmüller die Freigabe zur beabsichtigten Übernahme der R. Stahl erteilt.

Am Ende entscheiden die Stahl-Aktionäre und nicht das Kartellamt. Was wollen Sie eigentlich von der Firma?

Wir würden gerne gemeinsam wachsen.

Die Firma

Weidmüller Gruppe

  • Sitz: Detmold
  • Gegründet 1850 in der Nähe von Chemnitz als Textilfabrik durch Carl August Weidmüller
  • Umsatz: 640 Millionen Euro (2013)
  • Beschäftigte: 4600
  • Gesellschafter: Familie Gläsel

Das sehen einige Aktionäre offenbar immer noch anders, die Gegenwehr aus den Reihen der Familie Stahl ist ziemlich groß!

Weidmüller und R. Stahl sind, was die industrielle Logik anbetrifft, der ideale Fit. Wir sollten in unserer Branche eine Größe von mehr als einer Milliarde Euro Jahresumsatz erreichen. Unsere Produktportfolios für die Prozessindustrie ergänzen sich perfekt. Beide Unternehmen könnten damit konjunkturelle Schwankungen ausgleichen, denen beide momentan noch unterliegen. Und es passt einfach: Auf Ölplattformen oder in Chemiefabriken stecken unsere Produkte häufig im selben Gehäuse. Gemeinsam könnten wir künftig die Produkte aufeinander und auf Kundenwünsche ausrichten.

Gibt es keinen Konkurrenten, der Ihrem Angebot vielleicht freundlicher gesonnen wäre?

Wir sind der festen Überzeugung, dass R. Stahl der richtige Partner ist - aufgrund der industriellen Logik und weil R. Stahl ein Familienunternehmen ist, wie Weidmüller. Wir pflegen die gleichen Werte. Wir engagieren uns beide für die Gesellschaft, pflegen den gleichen Umgang mit Mitarbeitern. Es passt einfach alles ideal zu uns.

Es ist eine feindliche Übernahme. Gehen so Familienunternehmen miteinander um?

Wir haben allen Aktionären ein offenes und transparentes Angebot vorgelegt, das man annehmen oder ablehnen kann. Ich sehe nicht, was daran feindlich sein soll. Trotzdem ist es natürlich so, dass ein solches Angebot bei Familienunternehmen eher unkonventionell ist. Aber wir sprechen hier nicht mit einem Ansprechpartner, sondern mit einer Vielzahl von Aktionären und Familienmitgliedern. Daher haben wir uns für diesen Weg entschieden.

Sie sind aber auch der angestellte Manager eines Familienunternehmens. Sie sollten doch besser wissen, wie Familien ticken. Weidmüller steht ja auch nicht zum Verkauf, weil die Familie Gläsel daran hängt. Sie wissen doch, dass es nicht nur um die Sache, sondern um Emotionen geht!

Die kann ich auch verstehen. Aber Weidmüller ist ein privates Unternehmen und R. Stahl nicht. Ein börsennotiertes Familienunternehmen weiß doch, dass an der Börse andere Spielregeln gelten. Die Gründerfamilien haben sich doch bewusst für diesen Schritt entschieden. Das sage nicht nur ich, sondern die eigenen Aktionäre auf der Hauptversammlung von R. Stahl am 23. Mai in Waldenburg.

Und ich möchte Ihre Meinung hören!

Ich verstehe, dass Teile einer Familie, die Aktien an einer Firma hält, die früher ganz im Familienbesitz war, nicht willens sind zu verkaufen. Aber dieser Teil muss auch akzeptieren, dass es andere Aktionäre gibt, die verkaufen wollen - auch wenn sie zur Familie gehören. Niemand darf Aktionäre entmündigen. Was dazu kommt: Das Unternehmen R. Stahl ist langfristig zu klein, um im Wettbewerb zu bestehen. Sich dieser schlichten Tatsache zu verschließen, schadet dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern.

Noch einmal: Die wollen Sie nicht!

Wir sprechen über einzelne Familienaktionäre, die das kundgetan haben. Das verstehe und respektiere ich. Aber wir reden mit allen Aktionären. Und wir wollen uns inhaltlich auseinandersetzen: Wie begegnet R. Stahl langfristig den Wettbewerbern, die breiter und damit besser aufgestellt sind? Wie sichert sich R. Stahl gegen fallende Ölpreise ab, die die Prozessindustrie unter Druck bringen würde, wenn das Unternehmen sich nicht diversifizieren will? Wie lange kann R. Stahl sein teures Vertriebsnetz mit Tochtergesellschaften in 24 Ländern ohne Partner aufrechterhalten? Wie stark kann R. Stahl vor diesem Hintergrund weiter expandieren? Das sind alles Fragen, die wir gerne diskutieren würden. Nach den ersten Emotionen sollten wir jetzt über Inhalte sprechen.

Machen Sie es sich nicht zu einfach, wenn Sie denen in Waldenburg ständig Emotionen vorwerfen und mangelnde Sachlichkeit? Auch R. Stahl versteht etwas von Technik ...

... absolut und ich werfe auch niemandem etwas vor...

... denen scheint sich Ihre industrielle Logik nicht zu erschließen.

Einem Teil der Familie schon. Deshalb haben wir ja ein Angebot an alle Aktionäre gemacht. Es gibt auch nicht "die" Familie. Es gibt mehrere Stämme, institutionelle Anleger und Kleinaktionäre. Alle sollen über unser Angebot entscheiden, deshalb haben wir es ja so gemacht. Es hat ja auch schon im Vorfeld konstruktive Gespräche gegeben, sowohl mit Familienaktionären als auch mit dem Vorstand von R. Stahl. Wir gehen ja nicht in so etwas rein, ohne die Lage abzuklopfen.

"Jeder Aktionär soll für sich selbst entscheiden."

Es wirkt eher wie ein Überfall von Detmold aus.

Wir machen ein offenes Angebot an alle Aktionäre. Das Unternehmen ist an der Börse, und niemand weiß genau, wie viel Prozent die Familie hält oder kontrolliert. Was spricht dagegen, ein Angebot zu machen? Ein Angebot kann man annehmen oder auch nicht. Nur sollte das jeder Aktionär für sich selbst entscheiden.

Aber die Reaktionen der Familie Stahl waren heftig!

Die Heftigkeit der Reaktionen einzelner Mitglieder der Familie hat mich auch überrascht. Ganz offen: Ich frage mich ein wenig, warum das so ist, wenn man doch angeblich zusammen 51 Prozent der Anteile hält. Martin Schomaker, der Vorstandsvorsitzende von R. Stahl, hat auf der Hauptversammlung selbst erklärt, dass es mehrere Gespräche gegeben habe. Aus unserer Sicht auch konstruktive. Ich habe mit ihm mehrere Stunden zusammengesessen und mich mit ihm über die industrielle Logik unterhalten. In meiner Wahrnehmung haben wir auch eine gemeinsame Sichtweise entwickelt. Erst danach haben wir das öffentliche Übernahmeangebot unterbreitet.

Haben Sie auch mit Mitgliedern der Familie Stahl geredet?

Leider verweigern die Fürsprecher der Blockade in der Familie jeden Dialog. Das haben wir erst in der vergangenen Woche wieder zu spüren bekommen: Die explizite Anregung zweier Großaktionäre, gemeinsam und konstruktiv über das Angebot zu sprechen, wurde eindeutig abgelehnt.

Spätestens seit dem Montag vergangener Woche gilt der Vorwurf, sich nicht sachlich mit dem Angebot auseinanderzusetzen, nicht mehr. Die 73 Seiten lange Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat ist doch deutlich. Denen war auch Ihr Angebot von 47,50 Euro nicht hoch genug! Jetzt haben Sie auf 50 Euro erhöht. Glauben Sie, dass das reicht?

Der neue Angebotspreis ist sehr attraktiv.

Sie glauben ernsthaft, Sie können die Familie mit nicht einmal drei Euro mehr umstimmen?

Der erhöhte Angebotspreis liegt immerhin fast 56 Prozent über dem Aktienkurs vor der Offerte. Unser Angebot entspricht einem Multiplikator von über 15x des erwarteten Ergebnis vor Steuern und Zinsen 2014. Dies liegt deutlich über sonst üblichen Bewertungen bei Transaktionen dieser Art. In der Stellungnahme steht so gut wie kein einziges positives Wort auf mehr als 70 Seiten. Das ist keine Auseinandersetzung, das ist eine Total-Blockade auf dem Rücken des Unternehmens R. Stahl. Warum wird hier jede konstruktive Diskussion blockiert? Wer verantwortet es eigentlich, wenn hier die Zukunft eines Unternehmens verspielt wird?

Aber laut Stellungnahme haben Familiengesellschaftern mit einem Anteil von 51 Prozent vertraglich vereinbart, nicht zu verkaufen. Geben Sie doch einfach zu, dass die Aussichten, 50 Prozent plus eine Aktie ziemlich gering sind!

Abgerechnet wird zum Schluss. Die neue Annahmefrist endet am 1. Juli. Und auch hier darf ich einige Fragen entgegnen: Wie bindend ist diese schriftliche Vereinbarung und wieso gab es keine Stimmrechtsmeldung, wenn die Familie zusammen über 50 Prozent hält und gemeinschaftlich agiert? Wer sind diese Aktionäre? Und warum kriegen die eigenen, unabhängigen Aktionäre auf der Hauptversammlung keine Antwort auf ihre Nachfragen?

Das müssen Sie die fragen. Wie hoch ist aktuell der Anteil von Weidmüller?

Laut unserer Wasserstandsmeldung vom 13. Juni haben wir rund 1,8 Prozent.

Warum fällt es Ihnen so schwer, die Niederlage einzugestehen!

Das ist doch immer so. Je näher das Fristende rückt, umso mehr Aktien werden verkauft. 90 Prozent gehen üblicherweise erst in den letzten Tagen ein - und bis dahin sind es noch gut zwei Wochen.

Warum halten Sie so verbissen an der Übernahme fest? Ist das persönlicher Ehrgeiz?

Das hat nichts mit Verbissenheit zu tun. Es geht darum, mutig voranzugehen, wenn man den langfristigen Erfolg von Unternehmen sichern will. Gerade in Familienunternehmen sind die handelnden Personen Unternehmer, und keine Unterlasser. Wir haben das gemeinsam im Vorstand und mit dem Aufsichtsrat entschieden. Wir haben erst eine Longlist erstellt und auf deren Basis eine Shortlist. R. Stahl ist der perfekte Fit.

Wie lang war denn die Longlist? Wie viele Firmen müssen sich noch vor einer feindlichen Übernahme durch Weidmüller fürchten?

Wir machen ein offenes und transparentes Angebot für ein börsennotiertes Unternehmen, das die Bafin geprüft und für gut befunden hat. Das Angebot kann man annehmen oder ablehnen. Vor uns muss sich niemand fürchten!

Mal angenommen, Sie kriegen die gut 50 Prozent. Dann ist Weidmüller Großaktionär einer Firma, von der Sie Leistung erwarten, deren Mitarbeiter Sie aber ablehnen. Was soll dabei herauskommen?

Sie hatten mich doch gerade noch gefragt, warum ich meine Niederlage nicht einräume - diese Frage ist mir natürlich lieber: Wenn wir uns in dem von uns erwarteten Erfolgsfall zusammensetzen, uns vernünftig über das gemeinsame Geschäftsmodell unterhalten, dass wir gemeinsam in einer breiteren Aufstellung besser unterwegs sind als jeder allein, dann werden wir ganz schnell einen Konsens finden.

Mit dem alten Vorstand können Sie doch nach einer solchen Schlacht kaum weitermachen?

Die Motivation und die Fähigkeiten der Mitarbeiter passen wunderbar zu Weidmüller - das schließt auch den Vorstand ein. Beide Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren toll entwickelt. Wenn wir aus eins und eins drei machen, ist das für alle gut - für die Mitarbeiter und die Firma.

In der Prozesstechnik, also im Geschäft mit der Öl-, Gas-, Chemie- und Pharmaindustrie, sind die Waldenburger nach eigenen Angaben mehr als zweieinhalb mal so groß wie Weidmüller mit gerade mal 70 Millionen Euro Umsatz. Brauchen Sie R. Stahl nicht viel nötiger als die Sie?

Die Produktportfolien passen so gut zusammen, weil sie sich ergänzen. Es geht hier also um Komplementarität. Wir profitieren von R. Stahl und R. Stahl profitiert von unserer Stärke. Fakt ist: Wir können gemeinsam besser wachsen.

Die Alternative

Einer der Befürchtungen des Vorstands ist, dass R. Stahl nach einer Übernahme seine Zulieferer nicht mehr frei nach den Kundenanforderungen wählen kann, sondern nur von Weidmüller beziehen darf. Wäre dem so?

Das stimmt nicht und ich weiß auch nicht, woher eine solche falsche Spekulation kommt.

Finanziell ist die Übernahme kein Problem? 50 Prozent und eine Aktie kosten Sie jetzt fast 160 Millionen Euro.

Die Finanzierung ist gesichert. Weidmüller hat eine Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent.

Sie brauchen keine Bank!

Doch. Wir haben die Finanzierung über eine Kreditlinie der Commerzbank sichergestellt.

Wenn nichts aus der Übernahme wird, wie wollen Sie dann wachsen?

Wir haben die Strategie 2020, bis dahin wollen wir den Umsatz auf mehr als eine Milliarde Euro steigern durch organisches Wachstum und Übernahmen. Größe spielt in unserem Geschäft eine entscheidende Rolle.

Ist diese Übernahme die schwerste in Ihrer bisherigen Laufbahn?

Ich habe in meiner bisherigen Laufbahn mehr als 30 Akquisitionen abgewickelt. Ich sage es einmal so: Das hier ist schon ein interessanter Fall.

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