Deutscher Mittelstand:Was macht eigentlich ... Jens Bormann?

BUW Holding

Mitarbeiter eines Call Centers.

(Foto: buw)

Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Aber womit verdienen Familienunternehmer ihr Geld? Wir stellen einige von ihnen vor. Ein Gespräch mit Jens Bormann über Call Center.

Von Elisabeth Dostert

Was machen Sie eigentlich?

Als Call Center managen für unsere Auftraggeber die Kunden. Da kann es mal um Probleme mit der neuen Waschmaschine gehen, mal um Zufriedenheitsbefragungen nach dem Autokauf oder eben das Einsammeln von Spenden für eine gemeinnützige Organisation -- sei es am Telefon, per Mail, per Post oder auch in Sozialen Netzwerken.

Was machen Sie konkret?

Wir sind die Helfer. Wenn zum Beispiel ein RWE-Kunde umziehen will, nimmt er zu uns Kontakt auf über das Telefon, Email oder Facebook und wir erledigen dann den gesamten Umzugsservice. Der Kunde merkt dabei gar nicht, dass er nicht mit einem RWE-Mitarbeiter spricht, sondern einem meiner Mitarbeiter. Wir melden uns immer mit dem Namen unserer Auftraggeber.

Wer sind denn Ihre Auftraggeber?

Banken, Versicherungen, Autohersteller wie BMW, die Deutsche Telekom, Energieversorger wie RWE.

Die Firma

BUW Holding GmbH

  • Sitz: Osnabrück
  • Gegründet 1993 von Jens Bormann und Karsten Wulf
  • Umsatz: 120 Millionen Euro
  • Beschäftigte: 5400

Was erledigen Sie für BMW?

Zum Beispiel den Aftersales-Service. Wie rufen die Käufer an und fragen, ob alles in Ordnung war, ob wir noch was tun können, ob sie zufrieden sind, ob die Erwartungen erfüllt wurden.

Heißt, der Kunde merkt gar nicht, dass er in einem Callcenter landet?

Im Besten Fall merkt er das nicht. Unsere Mitarbeiter sind sehr freundlich, hochmotiviert und gut ausgebildet.

Und die verdienen auch so viel wie gut ausgebildete, hochmotivierte Mitarbeiter?

... mehr als branchenüblich ist. Aber es ist ja nicht nur der Lohn, der einen Arbeitsplatz attraktiv macht.

Bleiben wir mal beim Lohn. Wie viel zahlen Sie?

Der Stundenlohn liegt bei 8,40 Euro und den werden wir jetzt nochmal aufstocken, Thema Mindestlohn.

Der gesetzlich vorgeschrieben ist, Sie müssen aufstocken!

Ja. Aber das ist ja auch nur das Einstiegsgehalt. Es gibt viele Mitarbeiter, die 9,45 oder 11,25 Euro verdienen. Außerdem gibt es ein gutes Aus- und Weiterbildungsprogramm. Wer bessere Leistung liefert, verdient auch mehr.

Wie viel kann ein Mitarbeiter, der "nur" am Telefon sitzt, SMS oder Emails beantwortet, maximal verdienen?

Deutlich über zehn Euro. Das kann bis 15 Euro gehen, das hängt dann auch von der Provision ab.

Wofür gibt es denn Provision?

Unsere Auftraggeber messen, wie wir selbst auch, die Zufriedenheit der Kunden. Wenn der Kunde sehr zufrieden war, gibt es eine Provision für das Team, die dann verteilt wird.

Ihre Auftraggeber hören sich die mitgeschnittenen Telefonate an?

Ja, selbstverständlich.

Wie viele ihrer fast 5400 Mitarbeiter sind in Vollzeit beschäftigt?

Gut 20 Prozent arbeiten Vollzeit, also 40 Stunden in der Woche und etwa 60 Prozent arbeiten 30 Stunden.

Und wie viele von denen verdienen dann demnächst maximal 8,50 Euro die Stunde, den Mindestlohn?

Wie gesagt, vor allem die Neulinge.

70 Telefonate pro Tag

Wie viele Telefongespräche führt ein Mitarbeiter pro Tag?

Vielleicht 70 Kundenkontakte. Das ist sehr unterschiedlich je nach Auftrag, das hängt auch davon ab, ob die Frage über das Telefon, Twitter oder Facebook kommt. Wir machen telefonisch zum Beispiel den technischen Kundendienst für Miele. Da gibt es komplexe Fragen. Ein Gespräch dauert im Schnitt fünf, sechs Minuten. Tarifberatung für einen Versicherer kostet noch mehr Zeit.

Wie sieht das dann aus? Der Mitarbeiter, der gerade den Zorn eines Miele-Kunden über sich ergehen hat lassen müssen, regelt im nächsten Telefonat den Umzug des Stromanschlusses eines RWE-Kunden?

So läuft das eben nicht. Wir arbeiten mit Exklusivagenten, die kümmern sich um einen Kunden. Für RWE, beispielsweise, arbeiten 350 Mitarbeiter. Die werden zwei bis drei Monate ausgebildet, ehe es an den Kunden geht. Mitarbeiter, die selbst Spaß am Reisen haben, sitzen dann an der TUI-Hotline. Aber die Kommunikation mit den Kunden unserer Auftraggeber ist nur eines unserer Geschäftsfelder. Wir beraten auch Firmen bei der Optimierung ihrer Callcenter und Kundenkontakte.

Und an Ihren Inkasso-Telefonaten sitzen dann die Mitarbeiter mit den unfreundlichsten Stimmen!

Nein. Das Forderungsmanagement ist doch oft eine große Hilfe für den, der vergessen hat, seine Rechnung zu bezahlen. Wir erinnern daran und helfen, wenn es gerade ein wenig knapp ist. Das sind positive Gespräche. Wir bieten Hilfe an.

Wie sieht denn die Hilfe aus?

Wenn jemand seinen Autokredit nicht bedienen kann, rufen wir ihn an, und fragen ihn, wie wir behilflich sein können, damit er wieder in den normalen Zahlungsmodus kommt. Gegebenenfalls vereinbaren wir dann andere Rückzahlungsbeträge oder verlängern die Tilgungsfrist.

Verdienen Sie mehr an einem Inkasso-Telefonat als etwa an der Reiseberatung für TUI?

Nein.

In welchen Fällen empfehlen Sie Ihren Mitarbeitern, den Hörern aufzulegen?

Wenn das Gespräch zur Zufriedenheit des Kunden gelöst ist.

Nur dann?

Nur dann, wir sind die Visitenkarte des Auftraggebers.

Aus Unmut über unverschämte Kunden auflegen geht gar nicht?

Geht gar nicht. Das würde zu einer sehr intensiven Rückkoppelung mit dem Mitarbeiter führen - bis hin zu arbeitsrechtlichen Schritten. Wir wollen doch unseren Auftraggeber glücklich machen. Das wäre doch schlimm, wenn einer unserer Mitarbeiter den Hörer aufknallt. Wir schulen unsere Mitarbeiter darin, alle Fragen zu beantworten. Wer bei uns gearbeitet hat, ist rhetorisch fitter als er vorher war.

Sitzen Sie manchmal noch selbst am Telefon?

Ja, aber ich kann nur an den Spenden-Hotlines sitzen. Für andere Telefonate fehlt mir mittlerweile die fachliche Kompetenz. Ich bin kein Technik-Experte. Ich kann am Telefon keinen Remote-Zugriff auf die Anlage des Kunden durchführen. Ich könnte auch nicht, obwohl ich Bankkaufmann gelernt habe, aus dem Stehgreif für einen unserer Bankkunden arbeiten, weil ich die vereinbarten Wordings nicht kenne.

Wie viele Kundendaten überlassen Ihnen Ihre Auftraggeber?

Wir sind in nahezu allen Fällen auf deren Systeme aufgeschaltet. Was die über ihre Kunden wissen, wissen wir auch, sonst könnten wir die Kunden doch nicht kompetent beraten. Ist doch besser, wenn wir die Gerätenummer des Kühlschranks schon wissen, statt den Kunden danach zu fragen.

Die Gerätenummer ist allerdings auch weniger sensibel als die Vermögensverhältnisse eines Inkasso-Kunden!

Ja, aber dafür gibt es ja Datenschutzvorschriften, die wir natürlich erfüllen. Wir sind sogar vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert worden. Das sind nicht so viele.

Können Sie sich noch an Ihr erstes Telefonat erinnern?

Ja. Wir haben ja als studentische Existenzgründung 1993 angefangen. Karsten Wulf und ich hatten uns im Studium in Osnabrück kennengelernt. Beim Bierchen haben wir uns dann darüber unterhalten, dass BWL zwar sehr spannend ist, aber sehr theoretisch. 14 Tage später haben wir dann in meiner Küche mit 2400 Mark Startkapital angefangen. Das Studium ist übrigens die beste Zeit, sich selbständig zu machen. Da hat man noch keine Hypothek und keine Familie. Das war kontrollierte Offensive.

Was meinen Sie damit?

Das war kein Harakiri. Wir bekamen ja von der Bank kein Geld. Und hatten nur unsere 2400 Mark. Wir konnten nur das Geld ausgeben, was wir vorher verdient hatten. Wir haben erst einmal nur gebrauchte Möbel gekauft.

Was war Ihr erster Auftrag?

Die Anzeigenakquise für das Programmheft zum Osnabrücker Ball des Sports. Ich habe einem Fahrradhändler eine ganzseitige Anzeige verkauft. Das war mein erster Auftrag. Ich bin dann mit dem Fahrrad da hingefahren und habe das Litho für die Anzeige abgeholt.

Wie lange hat das Telefonat gedauert?

Vier, fünf Minuten. Ich war schon damals überzeugend.

Haben Sie genügend Anzeigen für das Programmheft gewonnen?

Nie wieder gab es ein Heft mit so vielen Anzeigen.

Wann haben Sie zum ersten Mal gedacht, dass Sie es als Unternehmer geschafft haben?

In der Euphorie über tolle neue Aufträge nach eineinhalb Jahren. Aber die Wirklichkeit holt einen dann manchmal wieder ein. Das geht jedem so. Wir hatten tolle Erfolge, aber auch Rückschläge. Ich halte es mit dem Satz, den mein Vater mir auf den Weg gegeben hat: Der liebe Gott passt schon auf, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.

Jens Bormann, 45, Mitgründer des Call-Center-Betreibers BUW Holding

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