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Deutscher Mittelstand: Was macht eigentlich ... Albert Dürr?:"Schwarzarbeit schadet uns allen"

Der Mörder im Tatort ist häufig der böse Bauunternehmer, der am Ende die Leiche im Fundament versorgt. Warum ist das Image der Branche so schlecht? Ein Gespräch mit Albert Dürr, Gesellschafter des Bauunternehmens Wolff & Müller, über mangelnde Qualität und Probleme bei Großprojekten wie Stuttgart 21.

Von Elisabeth Dostert

Was machen Sie eigentlich?

Wir haben drei Geschäftsfelder, 80 Prozent des Umsatzes entfallen auf den Bau, vor allem auf den gewerblichen Hochbau. Wir bauen Büro- und Industriegebäude, Hotels, Straßen und mehr. Manchmal erstellen wir nur den Rohbau, oftmals bauen wir aber auch schlüsselfertig und das Gebäude ist bei der Übergabe sofort bezugsfähig. Bei einem Hotel kann das bis zur Zimmereinrichtung, Geschirr und Besteck gehen. Ein Fünftel unseres Geschäfts entfällt auf Baustoffe, Rohstoffe und Dienstleistungen.

Wie oft haben Sie sich schon gewünscht, Ihr Großvater hätte statt einer Baufirma ein Maschinenbauunternehmen gegründet, die genießen einen weit besseren Ruf?

Eigentlich gar nicht, obwohl einige Maschinenbauer unsere Kunden sind, und ich ungeheuer spannend finde, was die machen. Als meine Eltern mir eröffnet haben, dass es da eine Firma gibt, die der Familie gehört, und in der ich eine Rolle spielen könnte, musste ich nicht lange nachdenken. Ich sollte mich aber ganz bewusst dafür entscheiden und meine Ausbildung danach ausrichten. Ich sollte wollen und können.

Wie alt waren Sie?

14.

Wie lange haben Sie nachgedacht?

Nicht sehr lange. Ich habe es auch noch keinen Tag bereut. Die Baubranche hat etwas zum Greifen, auf einer Baustelle sieht man jeden Tag die Fortschritte.

Aber das bessere Image hat der Maschinenbau.

Das stimmt. Die Bauwirtschaft kämpft schon seit Jahren gegen ihr schlechtes Image. Deshalb ist der Mörder im Tatort am Sonntagabend auch oft der böse Bauunternehmer, der die Leiche dann am Ende im Fundament entsorgt. Nur während der Finanzkrise waren es mal die Banker.

Sind die Unternehmen in Ihrer Branche ganz unschuldig an diesem Image?

Unser Fokus lag viel zu lange nicht auf der Qualität, sondern auf dem Preis. Das ist kein besonders zukunftsfähiges Geschäftsmodell. Die Spitzenleistung, die in der Bauwirtschaft erbracht wird, wird öffentlich gar nicht wahrgenommen, weil wir nicht verstanden haben, uns zu positionieren. Ich möchte gern, dass unser Unternehmen dazu beiträgt, den Bau aus der Schmuddelecke zu holen. Unser Fokus gilt daher der Qualität.

Ist die Phase, in der bei der Auftragsaufgabe nur der Preis zählt, völlig überwunden?

Natürlich nicht. Wir können den Preis auch nicht negieren. Die Kunden, sowohl die privaten als auch die öffentlichen, definieren die Bauwirtschaft leider noch allzu oft nur über den Preis. Aber die Einsicht, dass der Preis nicht das beste Argument ist, setzt sich nach und nach durch. Termintreue und Qualität sind auch wichtige Kriterien. Dazu haben durchaus auch die Skandale um öffentliche Großprojekte beigetragen.

Sie meinen den Hauptstadt-Flughafen?

Unter anderem. Alle - Auftraggeber und Auftragnehmer - suchen nach neuen Wegen der Zusammenarbeit. Ein Schlagwort ist dabei BIM, das Kürzel steht für Building Information Modeling. Es ist eine revolutionär neue Art der Zusammenarbeit in Bauprojekten auf allen Ebenen mit Hilfe von Computertechnologien und auf Basis echter Daten, etwa für den Bedarf an Gerätestunden, Beton oder Fenstern für einen Bau. Es gibt auch heute schon Software für dies und jenes, aber bislang werden die Daten nicht miteinander verknüpft. Wenn es gelingt, die wichtigsten Parteien schon zu Projektstart dafür zu gewinnen, gemeinsam in einem System zu arbeiten, ergeben sich wirklich Vorteile für alle.

Es gibt aber immer noch Unternehmen, die über den Preis argumentieren?

Ja, leider.

Und deshalb auch immer noch schwarz arbeiten lassen.

Ja, aber nicht bei uns. Es gibt sicher Gründe, weshalb das Image der Baubranche so schlecht ist. Auch andere Branchen haben ihre Hausaufgaben zu machen, denken Sie an den Textilbereich oder auch die Lebensmittelbranche. Wir haben uns an der eigenen Nase zu fassen und im eigenen Umfeld aktiv zu werden. Wir dulden auf unseren Baustellen keine Schwarzarbeit, und dennoch kann ich Ihnen nicht absolut garantieren, dass es heute schon auf keiner unserer Baustellen mehr Schwarzarbeiter gibt. Aber wir bekämpfen das.

Es gibt Baustellen, da sind Sie nicht allein unterwegs, sondern selbst Subunternehmer oder Mitglied einer Arbeitsgemeinschaft. Was tun Sie, wenn Ihre Kollege Menschen ohne Lohnsteuerkarte und Krankenversicherung arbeiten lässt?

Ich kenne so einen Fall nicht. Ich glaube, wir würden es unserem Kunden melden, der kriegt ja auch Ärger, wenn der Zoll auf seinen Baustellen Schwarzarbeiter findet.

Haben Sie noch Freunde in der Baubranche?

Natürlich. Damit macht man sich doch keine Feinde - das ist doch gut, Schwarzarbeit zu bekämpfen. Sie schadet uns allen.

Was konkret tun Sie gegen Schwarzarbeit?

Wir suchen uns für jedes Gewerk verlässliche Partner aus. Im Rohbau, beispielsweise, arbeiten wir nur mehr mit zehn Unternehmen zusammen, denen wir vertrauen. Wir haben das auch für andere Gewerke und das geht weit über den Pflichtteil hinaus. Wir arbeiten aktiv mit dem Zoll zusammen und sensibilisieren unsere Mitarbeiter und Partner. Wir haben ein compu­ter­gestütztes Kontrollsystem aufgebaut. Wir widmen uns intensiv diesem Thema.

Wenn Ihnen Schwarzarbeit auf fremden Baustellen auffällt, was tun Sie dann?

Das fällt mir nicht auf - auf dem Helm steht doch nicht "Ich bin ein Schwarzarbeiter". So einfach ist das leider nicht.

Dann sind Razzien für Sie in Ordnung?

Ja. Die gab es auch schon auf unseren Baustellen. Wenn sich dabei Verdachtsfälle als begründet erwiesen haben, dann haben wir sofort und mit aller Konsequenz reagiert - und so wird das auch bleiben.

Mit Stuttgart 21 haben Sie eines der größten Bauprojekte in Deutschland direkt vor der Haustür. Sie hatten den Auftrag, den Nordflügel abzureißen.

Ja. Da hatten wir gleich zu Beginn eine sehr prominente Rolle. Über die Auftragsvergabe an uns hat die Bahn sogar eine Pressemitteilung herausgegeben, dass sie sich freuen, mit Wolff & Müller ein hiesiges mittelständisches Bauunternehmen beauftragt zu haben. Das war strategisch sehr klug von der Bahn, allerdings nicht für uns.

Weshalb?

Einen Tag später standen Demonstranten hier vor der Tür und haben uns als Verbrecher beschimpft. Und das war erst der Anfang. Wir haben den Zorn der Bahnhofsgegner intensiv zu spüren bekommen.

Was ist noch passiert?

Wir wurden auf der Baustelle stark behindert. Ständig wurden die Abrisspläne geändert - verbunden mit geheimen Ankündigungen, wann Baustart ist.

Sind Sie auch privat angegriffen worden?

Ja, aber das muss man ertragen. Was mir nahe gegangen ist, waren die Angriffe auf die Mitarbeiter auf der Baustelle. Die wurden beschimpft, beleidigt, bespuckt und mit Flaschen beworfen. Die Reifen ihrer Autos wurden aufgeschlitzt, die Antennen umgeknickt, da habe ich kein Verständnis, das ist auch durch kein Demokratieverständnis mehr gedeckt. Die Leute auf den Baustellen arbeiten hart.

Haben Sie in gewissen Punkten Verständnis für die Gegner von Stuttgart 21?

Das Projekt hat alle überrascht, als es dann wirklich losging. Da wären alle Beteiligten gut beraten gewesen, wenn sie vor dem Baustart noch einmal eine Schleife gedreht und den Leuten die Sache erklärt hätten. Da gab es sicher Fehler in der Kommunikation. Das ist hinterher aber leicht gesagt. Die Dynamik, die das Projekt dann genommen hat, konnte in der Form wohl keiner absehen.

Sind Sie eigentlich auch beim Bau des Hauptstadt-Flughafens dabei?

Nein.

Haben Sie eine Erklärung für die erheblichen Verzögerungen und Kostensteigerungen?

Da kommen sicher mehrere Dinge zusammen. Der Flughafen ist sehr komplex. Dieser Komplexität sollte man frühzeitig etwas mehr Spielraum geben.

Sollen denn die Bauherren von Anfang an sagen, die Fertigstellung kann sich möglicherweise um zwei, drei Jahre verzögern und es kann drei bis vier Mal so teuer werden?

Nein. Aber das Zusammenspiel der Beteiligten muss besser werden, im Vorfeld muss mehr geredet werden, um eine gemeinsame Basis zu finden.

Sie sind in der Kategorie Mittlere Unternehmen für den Deutschen Nachhaltigkeitspreises nominiert, der am nächsten Wochenende verliehen wird. Fahren Sie einen der Stromzwerge, die vor dem Eingang parken?

Nein, die Autos dürfen die Mitarbeiter benutzen. Ich fahre im Nahverkehr aber gerne immer wieder mal mit meinem Elektroroller. Ich bin ja Schwabe und immer froh, wenn ich etwas sparen kann. Ein Elektroauto habe ich nicht.

War es leicht, ein CO2-neutrales Unternehmen zu werden?

Wir haben 2009 mit der CO2-Neutralisierung angefangen. Das war viel Arbeit, weil jeder Schritt dokumentiert werden muss. Unser ökologischer Fußabdruck wird jährlich neu erstellt, wir sind gruppenweit CO2 neutral. Das Thema Nachhaltigkeit hat eine unglaubliche Dynamik erfahren. Beispielsweise fragen Projektentwickler nach Zertifizierungen, weil es sich auszahlt. Nur wenn Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich ist, funktioniert sie. Deshalb haben wir im Betrieb das Gottlob-Müller-Prinzip eingeführt.

Heißt?

Gottlob Müller war mein Großvater. Ich muss eine kleine Anekdote erzählen.

Nur zu!

Mein Großvater ist früher immer über die Baustellen gegangen und hat beispielsweise geschimpft, wenn jemand mit Material achtlos umgegangen ist, etwa Nägel einfach so hat liegen lassen. Heute thematisieren wir ein solches Verhalten unter Nachhaltigkeit, Green Building und was es da noch an schönen Vokabeln gibt. Was mein Opa getan hat, war nichts anderes als der schonende Umgang mit Ressourcen und die Vermeidung von Verschwendung. Die Stromzwerge sind Marketing, ein schönes Aushängeschild. Viel wichtiger ist es aber, alle Mitarbeiter intern für das Thema zu sensibilisieren und ganz konkrete, nachhaltige Maßnahmen umzusetzen.

Ein Beispiel, bitte!

Bagger laufen in der Regel den Tag über durch. Wir haben herausgefunden, dass ein Bagger aber zu ca. 30 Prozent hiervon gar nicht genutzt wird. Das verursacht unnötige Spritkosten und erhöht den CO2-Ausstoß. Deshalb haben wir die Bagger mit einer Start-Stopp-Automatik nachgerüstet. Das ist kein Hexenwerk, so etwas hat heute fast jeder Neuwagen.

Wie viel sparen Sie so?

Ein Bagger ist bei uns fünf bis sechs Jahre in Betrieb. Wir haben gut 100 Bagger im Einsatz. Über die gesamte Betriebslaufzeit sparen wir so 250 000 bis 300 000 Euro. Da ist der verringerte CO2-Ausstoß noch nicht einmal eingerechnet. Und das finde ich toll: wenn die Welt der Nachhaltigkeit nicht irgendwo in abstrakten Sphären stattfindet, sondern im Alltag.

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