Deutscher Mittelstand: Was macht eigentlich ... Albert Contzen?:"Es wird immer gedruckte Bücher geben"

Mediengruppe Universal

45 Mitarbeiter beschäftigt die Mediengruppe Universal in München.

(Foto: oh)

Albert Contzen ist Chef einer alten Münchner Druckerei, er glaubt: Das Papier verschwindet durch die Digitalisierung nicht, es wird aber schöner. Ein Gespräch über das Überleben einer Branche.

Von Elisabeth Dostert

Was machen Sie eigentlich?

Wir produzieren anspruchsvolle Drucksachen für Kunden in München und Umgebung.

Was sind denn anspruchsvolle Drucksachen?

Geschäftsberichte, Chroniken, Kataloge, Bildkalender und Image-Broschüren - meistens in Farbe.

Ab welcher Auflage fangen Sie an?

300 Stück bis 50 000, 60 000.

Sie arbeiten in einer, behaupten manche Experten, sterbenden Branche!

Das sehe ich etwas anders. Wir erleben schon auch die Digitalisierung, aber nur zum Teil als Wettbewerb. Aber meistens ist es doch eine Ergänzung im Medienmix. Für bestimmte Produkte hat die Digitalisierung natürlich das Aus gebracht. Die Bahn hat kein Kursbuch mehr und die Lufthansa keinen gedruckten Flugplan. Da ist man im Internet besser bedient. Aber für Produktpräsentationen oder die Darstellung großer Zusammenhänge nimmt man Gedrucktes gerne zur Hand.

Die Firma

Mediengruppe Universal Grafische Betriebe München GmbH

  • Sitz: München
  • Gegründet: 1850
  • Umsatz: rund neun Millionen Euro (2014)
  • Mitarbeiter: 45
  • Albert Contzen, geschäftsführender Gesellschafter, 53

Es gibt auch hochwertige Produktpräsentationen im Internet mit bewegten Bildern.

Aber die Darstellung bleibt auf den Bildschirm beschränkt. Sie können es nicht fühlen und nicht greifen, nicht umblättern. Das Medium schreibt ihnen vor, wie die Benutzung ablaufen soll. In einem Buch können sie vor- und zurückblättern. Sie wissen, wo was gestanden hat.

Auch das geht in elektronischen Büchern - und wenn ihnen ein Begriff nicht geläufig ist, können sie die Definition nachschauen. Haben Sie einen Tablet-Computer?

Ja. Ich habe ein iPad.

Was machen Sie damit?

Ich surfe damit im Internet. Ich versorge mich mit Nachrichten.

Lesen Sie Bücher auf dem Tablet?

Nein.

Mit der Erfindung des Fernsehens ist auch das Buch oder das Radio nicht verschwunden.

Weil Sie selbst Bücher drucken?

Nein. Es wird immer gedruckte Bücher geben. Sie können schlecht zu Weihnachten einen "Download" verschenken.

Wieso? Dann verschenke ich eben Plastikkarten, die lassen sich auch leichter und preiswerter verschicken.

Sie können auch gleich einen Link verschicken.

"Das Radio ist auch nicht verschwunden."

Genau. Bekommen Sie keine elektronischen Weihnachtskarten?

Doch. Ich bekomme auch viele Newsletter online, die nehme ich aber immer weniger zur Kenntnis. Ich habe auch Fachzeitschriften abonniert. Die lege ich mir zur Seite und lese sie, wann ich möchte. Vielleicht bin ich auch ein Fossil. Aber die gedruckten Produkte werden doch nachgefragt. Es kommt auf den richtigen Medienmix an. Mit der Erfindung des Fernsehens sind auch das Buch oder das Radio nicht verschwunden.

Warum geht es dann klassischen Herstellern wie Metz und Loewe schlecht?

Ich will den Wandel gar nicht leugnen.

Wie erleben Sie den? Was drucken Sie gar nicht mehr, was Sie vor zehn Jahren noch gedruckt haben?

Wir drucken kaum mehr Nachschlagewerke, wie Fahrpläne. Das braucht die Welt nicht mehr. Wir machen auch keine technischen Handbücher mehr für Autowerkstätten. Solche Nachschlagewerke sind besser in einem Online-Medium mit Schlagwortsuche aufgehoben.

Was machen Sie heute, was Sie vor zehn Jahren nicht gemacht haben?

Dinge, die aufwändiger in der Gestaltung sind, die nicht nur Informationen vermitteln, sondern die ein haptisches Erlebnis sind. Stanzungen, Prägungen, Gewebestrukturen und andere Dinge mit ästhetischem Anspruch.

Worin bitte besteht die Ästhetik einer Mitarbeiterzeitschrift?

Nicht jeder Mitarbeiter hat einen Computer an seinem Arbeitsplatz. Wir machen die Mitarbeiterzeitschrift des Flughafens München. Die Leute, die Gepäck verladen, haben an ihrem Arbeitsplatz keinen PC. Wie will das Unternehmen die erreichen?

Es kann ihnen die Mitarbeiterzeitschrift mit einer E-Mail nach Hause schicken. Haben Sie denn die Umsatzeinbußen auf der einen Seite durch neue Geschäftsfelder ausgleichen können?

Wie man es nimmt. Als ich 1991 hier zusammen mit meinem Kollegen Helmut Stoppe anfing, haben wir sechs Millionen Mark umgesetzt, jetzt sind es neun Millionen Euro. Wir haben mehrere Unternehmen übernommen, so ist die Gruppe erst entstanden. Es gibt in so einem Markt ja viele Mittelständler, die keinen Nachfolger finden. 2007, beispielsweise, haben wir die Universitätsdruckerei Wolf & Sohn übernommen, die wurde schon 1806 gegründet. Die übernehmende Gesellschaft E. Mühltaler wurde 1850 gegründet und firmierte dann im Jahr 2000 um in Mediengruppe Universal.

Wie viele Firmen sind in der Mediengruppe aufgegangen?

Fünf.

Das ist doch auch ein deutliches Zeichen für den Strukturwandel!

Siemens kauft auch dauernd Unternehmen und gibt wieder welche ab. Das ist der Gang des Wirtschaftslebens.

Haben Sie immer alle Mitarbeiter übernommen?

In der ganz harten Zeit 2008/2009 gab es eine Handvoll betriebsbedingter Kündigungen. Viele Mitarbeiter sind über die natürliche Fluktuation ausgeschieden, weil sie das Rentenalter erreichten.

Welche der Firmen, die im Verbund aufgegangen sind, gehörte Ihrer Familie?

Gar keine, ich habe mich eingekauft. Ich habe im BWL-Studium ein Praktikum in einer Druckerei gemacht und war so begeistert, dass ich danach in einer mittelständischen Druckerei als Assistent des Geschäftsführers anfing. Nach drei Jahren ging ich zu Bertelsmann nach Gütersloh, Europas größter Offset-Druckerei, um festzustellen, dass das nicht meine Welt ist. Nach zwei Jahren ging ich.

Warum?

Ich arbeite lieber im Mittelstand selbstverantwortlich.

Was war so schlimm bei Bertelsmann?

Ich mag lieber kürzere Entscheidungswege mit weniger Gremien als in großen Firmen, wo dann doch oft eher politisch motivierte Entscheidungen fallen als sachlich begründete. Da sind Deals wichtiger als das Tagesgeschäft. Ich wollte in den Mittelstand und bin mit Ende 20 hier Geschäftsführer geworden. Der Inhaber wollte sich zur Ruhe setzen, es ist immer das gleiche Szenario. Dessen Kinder wollten nicht. Es hat nicht gepasst. Die Frage ist immer die gleiche: Schließt er zu oder findet er jemanden, der die Firma in seinem Sinne weiterführt?

Das waren Sie?

Ja, und mein Kollege Helmut Stoppe, der die Technik verantwortet. Ich bin für den kaufmännischen Bereich verantwortlich. Die Familie des Vorgängers ist auch heute immer noch mit ein paar Prozent beteiligt.

Wie groß ist Ihr Anteil?

Knapp 40 Prozent. Und Herr Stoppe hat sich auch beteiligt. Viele der alten Eigentümer haben ein paar Prozent behalten.

Wie sehen Ihre Wachstumspläne aus?

Eine Betriebsgröße von 50 Mitarbeitern halten wir für vernünftig. Wir werden vielleicht noch den einen oder anderen Drucker übernehmen oder mit ihm andere Formen der Kooperation realisieren. Es ist leichter zusammen als alleine. Die Konkurrenz ist überall. Es gibt ja auch Druckereien, die ihre Produkte intensiv über das Internet anbieten wie zum Beispiel Flyeralarm. Die werben sogar in Fußballstadien. Die bieten ihre Produkte zu sehr günstigen Konditionen an, das kann nicht der Markt sein, den wir bedienen.

Wieso können die günstig sein?

Weil sie die Aufträge mehrerer Kunden bündeln.

Haben solche Konkurrenten noch eigene Druckereien?

Ja.

Warum nehmen Sie sich kein Beispiel an denen?

Online-Portale haben immer das Bestreben, Discounter zu sein. Die haben andere Kostenstrukturen als wir. An einem Standort wie München geht das nicht. Solche Unternehmen streben nach Größe, die müssen wachsen, die müssen ihre Konkurrenten kannibalisieren. Das läuft wie im Versandhandel, neben Amazon gibt es nicht viel mehr. Neckermann ist weg, Quelle ist weg.

Aber an Ihre Zukunft glauben Sie immer noch fest?

Ja. Es gibt ja auch noch einen stationären Handel. Es gibt immer noch Boutiquen, in die man gerne geht. Ich bin fest davon überzeugt, dass ein Nebeneinander von Online-Handel und persönlichem Verkauf möglich sein muss Es gibt Menschen, die wollen nicht bei Amazon kaufen.

Kaufen Sie bei Amazon?

Nein. Das ist mir unsympathisch.

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