Deutscher Aktienmarkt:"Politische Börsen haben kurze Beine"

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Obama gewinnt die US-Wahl, doch den Dax stützt das nicht. Der deutsche Leitindex gibt nach - entgegen dem internationalen Trend.

Die Euphorie über den Wahlsieg von Barack Obama lässt den Dax kalt: Sah es am Mittwochmorgen zunächst noch so aus, als würde die Deutsche Börse mit Gewinnen in den Handel starten, eröffnete der deutsche Leitindex dann doch mit deutlichen Kursverlusten. Bis zum frühen Nachmittag hatte sich das Barometer etwas erholt, doch notierte immer noch mit einem Minus von 0,8 Prozent bei 5236 Punkten.

Reif für die Obama-Zeit: International reagierten die Börsen positiv, nur der Dax - hier die Börse in Frankfurt am Main - gab leicht nach. (Foto: Foto: dpa)

"Man sieht jetzt, dass politische Börsen kurze Beine haben", sagte Marktstratege Christian Schmidt von der Helaba. Noch am Dienstag waren die Kurse deutlich gestiegen und der Dax hatte mit fünf Prozent im Plus geschlossen, nachdem sich ein klarer Wahlsieg Obamas abgezeichnet hatte. Doch nun äußerten sich viele Händler zurückhaltend.

"Jetzt muss Obama erst einmal zeigen, was er kann. Die Finanzkrise ist schließlich noch nicht vorüber", sagte einer.

"Mal sehen, was Obama aus dem Ärmel zaubert, aber die Finanzkrise ist durch seinen Sieg ja nicht weg", sagte ein anderer Marktteilnehmer.

Für schlechte Stimmung sorgten einige Quartalsberichte. Vor allem eine Gewinnwarnung des Nürnberger Automobilzulieferers Leoni und ein zurückhaltender Ausblick des Stahlriesen ArcelorMittal drückten die Kurse.

Die Aktien von ArcelorMittal stürzte am Pariser Markt um fast 20 Prozent in die Tiefe und zogen andere europäische Stahlwerte mit sich. ThyssenKrupp verloren 8,2 Prozent auf 15,51 Euro. Im MDax sackten Salzgitter um 9,6 Prozent ab, die Titel des Stahlhändlers Kloeckner verloren 11,7 Prozent.

Leoni hatte zum zweiten Mal innerhalb nur weniger Wochen seine Gewinnprognose gekürzt. Die im MDax notierten Leoni-Titel sackten um 15,2 Prozent ab und zogen auch die Autowerte mit sich. "Man muss sich ja nur vor Augen führen, wer die Kunden von Leoni sind", erklärte ein Börsianer. BMW verloren 3,4 Prozent, Daimler 2,1 Prozent und Porsche lagen 6,8 Prozent im Minus. Nur Volkswagen widersetzten sich einmal mehr dem Branchentrend: Mit einem Plus von 6,4 Prozent gehörten die Titel zu den wenigen Gewinnern im Dax.

Deutsche Börse verliert deutlich

Die Aktien der Deutschen Börse standen mit einem Minus von 3,4 Prozent auf der Verliererseite. Der Börsenbetreiber hatte mit seinen Zahlen zum dritten Quartal die Erwartungen von Analysten übertroffen und zugleich seine Prognosen für das Gesamtjahr bekräftigt.

Hannover Rück lagen nach Veröffentlichung von Ergebnissen 3,1 Prozent im Plus, Rheinmetall fielen dagegen um 0,8 Prozent. Die Leonie-Aktie sackte um 7,4 Prozent ab, nachdem sich der Automobilzulieferer zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen skeptischer zum weiteren Geschäftsverlauf geäußert hatte.

Im TecDax schossen die Aktien von QSC um 22,4 Prozent in die Höhe, nachdem der Telekommunikationsanbieter im dritten Quartal wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt war und seine Jahresprognose bekräftigt hatte. Singulus stiegen nach Veröffentlichung von Zahlen um zehn Prozent.

International hatten die Börsen weitaus freundlicher auf den Sieg Obamas reagiert. Der Nikkei-Index in Tokio notierte zum Handelsschluss mit einem Plus von 406,64 Punkten oder 4,46 Prozent beim Stand von 9521,24 Punkten. An der Börse in Hongkong stieg der Hang-Seng-Index in den ersten Handelsstunden zeitweise um 5,7 Prozent. Im australischen Sydney legte der ASX-Index um knapp 3 Prozent zu.

Gewinne in fast allen Branchen

Unter dem Eindruck der US-Präsidentenwahl hatten auch die amerikanischen Börsen zuvor einen Höhenflug erlebt. Die Gewinne zogen sich am Dienstag durch fast alle Branchen. Die Aktienmärkte zeigten sich erleichtert, dass die Unsicherheit nach einem langen Wahlkampf nun ein Ende finde, sagte ein Händler in New York. Der Dow-Jones-Index kletterte um 3,28 Prozent auf 9625,28 Punkte. Der S&P-500-Index gewann um 4,08 Prozent auf 1005,75 Punkte. Der Nasdaq stieg um 3,12 Prozent auf 1780,12 Punkte. Die Aktienmärkte zeigten sich weltweit nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen im Handelsverlauf stabil und bauten ihr Plus bis zur Schlussglocke immer mehr aus. Einige Händler spekulierten bereits über eine Trendwende.

Auf den Ölpreis hatte der Wahlausgang bisher kaum Auswirkungen: Der US-Ölpreis fiel am Mittwoch nach den deutlichen Kursgewinnen am Vortag im asiatischen Handel wieder unter die 70-Dollar-Marke. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im Dezember sank auf 68,67 Dollar. Das sind 1,86 Dollar weniger als zum Handelsschluss am Vortag. Die Kursverluste seien in erster Linie auf Gewinnmitnahmen nach Kursgewinnen von über sieben Dollar am Vortag zurückzuführen, sagten Händler.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/hgn/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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