"Deutsche Wohnen & Co. enteignen":Wohnungskonzerne fühlen sich wie im falschen Film

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Für die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" ist der Abschlussbericht der Expertenkommission ein Erfolg.
Für die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" ist der Abschlussbericht der Expertenkommission ein Erfolg. (Foto: Christophe Gateau/DPA)

Die Menschen in Berlin stimmen bald ab, ob das Land große Immobilienfirmen enteignen soll, genug Unterschriften gibt es nun. Doch das Vorhaben würde Milliarden kosten. Unternehmen wie Vonovia umgarnen die Politik mit Versprechungen.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Wenn Deutschland in drei Monaten den Bundestag wählt, dann stimmen die Menschen in Berlin voraussichtlich noch über eine andere Frage ab - zwar nicht mit bundesweiten Folgen, aber von grundsätzlicher Natur: Sollte das Land jede Immobilienfirma, die mehr als 3000 Wohnungen besitzt, vergesellschaften? Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" hat nun genug gültige Unterschriften für einen Volksentscheid gesammelt.

Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia deutet den Etappensieg der Initiative als Zeichen, wie sehr sich viele Menschen wegen steigender Mieten sorgen. "Wir können jedoch nicht erkennen, was sich durch eine Enteignung verbessern sollte", hält das Unternehmen dagegen. Vonovia vermietet etwa 43 000 Wohnungen in Berlin und plant, den Konkurrenten Deutsche Wohnen zu übernehmen. Dieser ist mit 113 000 Einheiten der größte private Vermieter der Hauptstadt. Viele der Immobilien waren einst im kommunalen oder gemeinnützigen Wohnungsbau entstanden und wurden privatisiert. Die Konzerne profitieren davon, dass Städte wie Berlin stark gewachsen sind, der Neubau kam lang kaum hinterher. Die Firmen konnten Mieten erhöhen, ihre Immobilien gewannen an Wert.

Ebendieser Wert ist ein Grund, warum eine Enteignung knifflig wäre: Das Land müsste die Unternehmen entschädigen, so sieht es das Grundgesetz vor. Allein die Wohnungen von Vonovia in Berlin sind gut 7,8 Milliarden Euro wert. Hinzu kommen die Mehrheitsverhältnisse: So müsste in dem Volksentscheid mindestens ein Viertel aller Wahlberechtigten das Land zu einer Vergesellschaftung großer Wohnungsfirmen auffordern. Dafür müsste die Initiative noch mal deutlich mehr Menschen überzeugen, als Unterschriften für den Entscheid nötig waren. Doch CDU, FDP und AfD in Berlin lehnen derlei Enteignungen ab. Auch Franziska Giffey, Spitzenkandidatin der SPD für die anstehende Wahl zum Abgeordnetenhaus, hält eine derartige Vergesellschaftung "nicht für das richtige Mittel".

Die Unternehmen, um die es geht, besitzen etwa 14 Prozent aller Mietwohnungen in Berlin

Große Wohnungsunternehmen fühlen sich ohnehin wie im falschen Film, jedenfalls in ihrer Außendarstellung. Vonovia vermiete in Berlin im Schnitt zu 6,63 Euro kalt pro Quadratmeter, betont eine Sprecherin. Als der Konzern vor einem Monat den Zusammenschluss mit Deutsche Wohnen ankündigte, warb er mit Zugeständnissen um die Gunst von Politik und Bevölkerung: Nach der Fusion wolle man 13 000 Wohnungen in der Hauptstadt bauen, lautet ein Versprechen. Die gemeinsame Firma wolle Bestandsmieten in Berlin anfänglich höchstens um ein Prozent pro Jahr erhöhen. Obendrein wollen Vonovia und Deutsche Wohnen dem Land etwa 20 000 Wohnungen verkaufen, als Beitrag zur sogenannten Re-Kommunalisierung. Die Chefs beider Unternehmen stellten ihren Zusammenschluss gar gemeinsam mit dem noch amtierenden Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor. Klar ist freilich auch, dass Konzerne wie Vonovia und Deutsche Wohnen jährlich Hunderte Millionen Euro Dividenden an ihre Investoren ausschütten, sie investieren zudem kräftig in die Modernisierung ihrer Häuser.

Insgesamt ist der Wohnungsmarkt in Berlin ziemlich zersplittert, wie in Deutschland üblich. Von gut 1,6 Millionen Mietwohnungen gehörte zuletzt knapp ein Fünftel landeseigenen Vermietern, weitere elf Prozent Genossenschaften. Jene großen, privaten Wohnungsfirmen, um die es nun geht, besitzen etwa 14 Prozent aller Mietwohnungen. Bloß: wie lange noch, das ist bald die Frage.

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