Deutsche Wirtschaft 2015:Diese Ökonomen sagen die Wirtschaft am besten voraus

Weihnachtseinkäufe

Die Menschen kaufen ein, den Geschäften geht es gut: Wie der Konsum die Wirtschaft beeinflussen wird, auch das schätzen die Konjunkturforscher.

(Foto: dpa)

Von Thomas Fricke und Hubert Beyerle

Als die Professoren des Sachverständigenrats vor einem Jahr ihre Prognose für 2015 vorstellten, gaben die Weisen sich noch höchst besorgt. Schon die Ankündigung des Mindestlohns und anderer Wohltaten habe die Konjunktur schwächeln lassen. Zu groß sei die Belastung für die Wirtschaft. Das fand zumindest die Bundeskanzlerin damals erstaunlich. Wie es denn sein könne, dass etwas schädige, was noch gar nicht in Kraft sei, spottete sie.

Ein Jahr später scheint klar zu sein: Die Physikerin Angela Merkel hatte im Vergleich die bessere Eingebung. Die Konjunktur lief 2015 eher besser als schlechter. Richtig lagen am Ende gerade die Propheten, die darauf setzten, dass es erstmals wieder einen richtigen Konsumschwung geben würde - dank stark fallender Energiepreise; und ein bisschen auch, weil der Mindestlohn so manchem mehr Geld bescherte. Von wegen weise.

Die besten Konjunkturprognosen kamen denn auch von den Konsumoptimisten: von Stefan Kooths aus dem Kieler Institut für Weltwirtschaft und Gustav Horn aus dem IMK-Institut in Düsseldorf. Und von den Ökonomen um Michael Heise bei der Allianz, die am Ende noch einen Hauch besser lagen als die Kollegen, wie die Auswertung zum Prognostiker 2015 ergab.

Kurz vor Jahresende zeichnet sich ab, dass die Wirtschaftsleistung im Land diesmal um etwa 1,7 Prozent gewachsen ist - kein Boom, aber die beste Rate seit 2011. Ein Dutzend der 50 ausgewerteten Prognostiker hatte lediglich mit etwa einem Prozent Wachstum gerechnet, darunter der Sachverständigenrat, ebenso wie höchst amtlich die EU-Kommission und die Bundesbank (siehe Grafik).

Ökonomen

Die besten Prognostiker 2015

Die Menschen hatten mehr Einkommen zur Verfügung, die Inflation war extrem niedrig

Knapp die Hälfte der Auguren ahnte vor einem Jahr bereits, dass es mindestens 1,4 Prozent werden würden - für die oft gescholtene Zunft eine erneut ziemlich hohe Treffgenauigkeit (siehe Text rechts). Für die Qualität der Vorhersagen spricht auch, dass das Gros der Experten ziemlich gut lag, was die Entwicklung der deutschen Exporte angeht. Fast jeder zweite Prognostiker sah Ende 2014 voraus, dass Deutschlands Firmen dieses Jahr zwischen 4,5 und 6,5 Prozent mehr rund um den Globus verkaufen werden, auch dank des zwischenzeitlich deutlich gefallenen Euro-Kurses, der deutsche Waren im Ausland billiger macht. Von den Top-13 der Prognoseauswertung lagen zehn mit ihrer Vorhersage für die Ausfuhren richtig.

Was die Allerbesten von den anderen trennt, ist etwas anderes. Viel zu skeptisch war das Gros der Experten bei der Vorhersage der Investitionslust im Land. Vor allem in den ersten Monaten steckten die Firmen erstmals seit Jahren wieder deutlich mehr Geld in ihre Ausrüstung. Die Investitionen dürften 2015 um immerhin vier Prozent höher ausfallen als 2014. Mit einer etwa so hohen Rate hatten vor zwölf Monaten nur neun der 50 Experten gerechnet.

Der Export wurde erstmals wieder von der Nachfrage aus Euroland getragen

Ähnliches gilt für die Treffgenauigkeit, mit der die Experten die Konsumdynamik in Deutschland vorhersagten. Erstmals seit Jahren haben die Bürger 2015 real wieder knapp zwei Prozent mehr ausgegeben als im Vorjahr. Das verfügbare Einkommen stieg um fast drei Prozent, während die Inflation wegen des Ölpreiskollapses gegen null tendierte. Die große Mehrheit der Prognostiker hatte nur mit einem Konsumanstieg von 1 bis 1,5 Prozent gerechnet. Nur den drei Top-Prognostikern 2015 gelang es, das Tempo des Wirtschaftswachstums in Deutschland bis auf eine verbleibende Fehlermarge genau vorherzusagen und auch ziemlich gut zu erahnen, was das Wachstum treiben würde. Zwar ahnten auch die drei Ökonomen Ende vergangenen Jahres noch nicht, wie dramatisch sich die griechische Krise zuspitzen würde - oder dass die Konjunktur in China kippt; was beides dazu beigetragen haben dürfte, dass seit Sommer auch in Deutschland wieder Investitionen gekappt wurden. Auch dass so viele Menschen vor dem Krieg hierher flüchten, stand in keiner Prognose; was bislang allerdings auch wenig Folgen für die deutsche Konjunktur hatte und wirtschaftlich nur dazu geführt hat, dass im Land noch etwas mehr konsumiert wird.

Alle drei Top-Experten prophezeiten dafür ziemlich präzise, wie sehr die Wirtschaft von sinkenden Energiepreisen und dem günstigeren Euro profitieren würde. Und dass der deutsche Export erstmals wieder von der Nachfrage aus Euroland getragen wird - "die früheren Krisenstaaten werden wieder auf einem klaren Aufwärtstrend sein", sagte Allianz-Konjunkturchef Heise vor einem Jahr. Richtig. Ausnahme Griechenland, wo Euro-Austrittspanik, Steuern und Kürzungen bewirkten, dass die Krise andauert.

In der Endauswahl lagen Heise und seine Volkswirte sowohl mit ihrer Konsumprognose von 1,9 Prozent innerhalb der Fehlermarge, als auch mit dem erwarteten Exportplus von 4,9 Prozent. Sie unterschätzten mit einem prophezeiten Plus von 3,2 Prozent nur knapp, wie stark die Unternehmen 2015 in ihre Ausrüstungen investieren würden.

Zum Vergleich: Die Kollegen aus Kiel und Düsseldorf lagen bei jeweils einem von den drei potenziellen Wachstumstreibern deutlicher daneben.

Was auf den Spitzenpositionen auffällt: Für alle drei Ökonomen ist es nicht das erste Mal, dass sie die Rangliste der Auswertung anführen. Das Kieler Institut und das IMK waren schon einmal die Besten, Michael Heise sogar zwei Mal, in den Jahren des Aufschwungs 2006 und 2010 - ein Experte für gute Zeiten.

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