Süddeutsche Zeitung

Deutsche Werften:Tanz auf dem Vulkan

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Mit dem Untergang des deutschen Werftunternehmens Bremer Vulkan gingen die ostdeutschen Werften Wismar und Warnemünde an den norwegischen Kvaerner-Konzern. Seine Werfttochter Aker Yards stößt sie jetzt ab: an die russische Investmentgesellschaft FLC West.

Henning Hinze

Als der deutsche Werftenkonzern Bremer Vulkan am Tag der Arbeit im Jahr 1996 unterging, standen die Angestellten wortlos vor dem Werkstor und rauchten. Monatelang hatten sie lautstark für den Erhalt ihrer Werft demonstriert, doch jetzt hatte sie alles Geld aufgebraucht - und alles Vertrauen. Denn der gelernte Apotheker und frühere Senatsdirektor im Bremer Wirtschaftsressort, Friedrich Hennemann, hatte als Vulkan-Chef nicht nur Elektronik-, Ausrüstungs- und Werftbetriebe zu einem ,"integrierten maritimen Technologiekonzern'' zusammengekauft, der nicht funktionierte.

Vor allem hatte er über Jahre insgesamt 700 Millionen DM an EU-Fördermitteln heimlich und illegal von den ehemaligen DDR-Staatswerften Wismar und Rostock-Warnemünde abgezogen und sie in die maroden Bremer Konzernteile verschoben.

Die Norweger geben jetzt an die Russen ab

Die ausgenommenen Ost-Betriebe gingen nach der Vulkan-Pleite an den norwegischen Kvaerner-Konzern, dem sie Hennemann fünf Jahre zuvor weggeschnappt hatte - und dessen Werft-Tochter Aker Yards sie am Dienstag an die russische Investmentgesellschaft FLC West verkaufte.

In den kommenden Wochen sollen die ostdeutschen Restbestände des einstigen Vulkan-Verbundes zunächst innerhalb des Aker-Konzerns an Aker Yards Ukraine übertragen werden, der schon ein Betrieb im ukrainischen Nikolaev gehört. Für 70 Prozent an dieser Tochter will FLC West dann 291,9 Millionen Euro zahlen. Die Firma ist in Luxemburg ansässig und wird je zur Hälfte von der mehrheitlich staatlichen russischen FLC und der zypriotischen Almiar Investment kontrolliert, die wiederum namentlich nicht genannten Russen gehört. 30 Prozent an Aker Yards Ukraine wollen die Norweger dagegen selbst behalten.

Der Teilverkauf sei nicht als Rückzug aus dem Frachtschiffbau zu verstehen, sagte ein Aker-Yards-Sprecher. Der Konzern habe sich zuletzt auf teurere Frachter konzentriert, die zum Beispiel im Eis fahren könnten. Dafür sei die russische Öl- und Gasindustrie ein wichtiger Abnehmer. "Die Russen bekommen Zugang zu moderner Technologie und wir einen besseren Zugang zu ihrem Markt'', sagte der Sprecher.

Für die Mitarbeiter soll sich nichts ändern

Die IG Metall Küste wollte zunächst abwarten, welche Pläne der neue Investor für die deutschen Werften hat. Dort sind 2300 Mitarbeiter und 110 Auszubildende beschäftigt. Die Produktion sei bis ins dritte Quartal 2010 ausgelastet, meldete zwischenzeitlich die deutsche Geschäftsführung. Den Norwegern zufolge soll bei Geschäftsführung und Mitarbeiterzahl alles beim Alten bleiben.

Aker Yards hat seine Standorte in Norwegen und Finnland konzentriert und ist außerdem in Rumänien, Vietnam und Brasilien präsent. Neben Frachtern baut die Werftengruppe Spezial- und Kreuzfahrtschiffe. Dieser renditeträchtige Bereich war zuletzt deutlich ausgebaut worden. Vor knapp zwei Jahren hatte Aker Yards den traditionsreichen französischen Schiffbauer Chantiers de l'Atlantique in Saint-Nazaire gekauft. Seitdem ist Aker Yards im Besitz der Werften, die die größten Passagierschiffe der Welt bauen: In Saint-Nazaire war für die britische Cunard-Reederei die Queen Mary 2 gefertigt worden, in Finnland wurden zuletzt die drei Schiffe der Freedom-Klasse für Royal Caribbean gebaut, die Kreuzfahrer mit der größten Passagierkapazität. Auch die noch größeren Genesis-Schiffe für 900 Millionen Euro das Stück hat die Reederei bei Aker bestellt. Trotzdem musste Vorstandschef Yrjö Julin das Unternehmen Anfang März wegen schlechter Geschäftszahlen verlassen.

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SZ vom 26.03.2008/sme/mel
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