Deutsche Waffenexporte:Die Kolumbien-Connection

Polizisten in Kolumbien

Kolumbianische Polizisten beim Sicherheitstraining. Bei einem ihrer Mitglieder wurden Waffen der deutschen Firma Sig Sauer gefunden.

(Foto: AP)

Normalerweise verbietet die Bundesregierung Waffenexporte nach Kolumbien, wo seit Jahrzehnten ein blutiger Bürgerkrieg tobt. Doch nun tauchten dort Pistolen "Made in Germany" auf.

Von Volkmar Kabisch und Frederik Obermaier

Die Sig Sauer SP2022 ist sicherlich keine Schönheit. Sie hat einen Griff aus Plastik und einen kurzen Lauf, alles in mattem Schwarz gehalten, Kaliber neun Millimeter. Und dennoch: Profi-Schützen lieben die Pistole. In den Vereinigten Staaten gehört sie zu den 20 meistverkauften Waffen. Die dortige Drogenbekämpfungsbehörde nutzt sie, die französische Gendarmerie auch, die US-Army sowieso.

Eigentlich dürfte es also nicht verwundern, dass auch die kolumbianische Bundespolizei mit der SP2022 schießt. Wäre da nicht ein kleines Detail: der Schriftzug "Made in Germany", der auf den Pistolen vieler kolumbianischer Polizisten zu finden ist. Ihre Waffen - oder zumindest Teile davon - wurden in der Bundesrepublik hergestellt. Pistolen, die in Deutschland produziert wurden, dürfen nur mit Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) exportiert werden. Und die liegt im Fall der in Kolumbien verwendeten Pistolen nicht vor.

In Kolumbien herrscht seit mehr als einem halben Jahrhundert Bürgerkrieg. Rechtsgerichtete Milizen kämpfen gegen linksgerichtete Guerilleros, Soldaten und Polizisten gegen Zivilisten. Anträge zum Waffenexport in das Land werden daher in Deutschland meist abgelehnt.

Die Pistolen stammen aus einem kleinen Städtchen an der Ostsee

Die Bundesregierung hat sich, zumindest auf dem Papier, strenge Regeln auferlegt, wann und wohin Waffen exportiert werden dürfen. In dem Regelwerk heißt es, eine Ausfuhrgenehmigung komme nicht in Betracht, "wenn die innere Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht, z. B. bei bewaffneten internen Auseinandersetzungen und bei hinreichendem Verdacht des Missbrauchs zu innerer Repression oder zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen".

Bürgerkrieg und Menschenrechtsverletzungen - beides ist in Kolumbien Alltag. Und dennoch fanden SZ und NDR bei der dortigen Bundespolizei eine Waffe, die anhand ihrer Registrierungsnummer bis nach Deutschland zurückverfolgt werden konnte.

Die Firma Sig Sauer, die den beiden Unternehmern Michael Lüke und Thomas Ortmeier gehört und einer der weltweit größten Ausrüster von Polizei und Armee ist, hat ihren Sitz in Eckernförde. In dem kleinen Städtchen an der Ostsee wurde bis vor einigen Jahren auch die SP2022 gefertigt- auch die Waffe mit der Seriennummer SP0238567.

Ohne Genehmigung aus Deutschland kein Re-Export

Sie wurde 2010 hergestellt und tauchte einige Monate später in Kolumbien auf: als Dienstwaffe eines jungen Bundespolizisten. Das Bafa teilt mit, in der infrage kommenden Zeit "keine Genehmigungen oder Re-Export-Genehmigungen für die Ausfuhr dieser Waffen nach Kolumbien erteilt" zu haben. Wie also ist die Waffe nach Kolumbien gekommen?

Mehrere Tausende Pistolen lieferte Sig Sauer zwischen 2009 und 2011 in die Vereinigten Staaten, an die Schwesterfirma Sig Sauer Inc. Diese Exporte wurden vom Bafa genehmigt, weil das US-Außenministerium in einem sogenannten Endverbleibszertifikat bestätigt hatte, dass die fraglichen Waffen in den USA bleiben würden. Die Pistolen gingen an die Armee.

Die Waffen blieben allerdings nicht im Besitz der Amerikaner. Das US-Militär schickte die Sig-Sauer-Pistolen nach Kolumbien - obwohl das lateinamerikanische Land auf der deutschen Ausfuhrgenehmigung "mit keinem Wort erwähnt" war, wie ein Sig-Sauer-Mitarbeiter NDR und SZ berichtete.

Sig Sauer äußert sich nicht zum seltsamen Weg der deutschen Waffen

Schon seit Jahren kooperiert das amerikanische Militär eng mit den kolumbianischen Behörden. Das US-Militär belieferte die Verbündeten mit mehr als 100 000 Stück der Pistole SP2022. Eigentlich hätten diese komplett aus amerikanischer Fertigung stammen müssen, ansonsten hätte das US-Militär für den Re-Export eine Genehmigung aus Deutschland gebraucht. Fotos und Videos, die NDR und SZ vorliegen, zeigen jedoch: Waffen aus Eckernförde waren Teil der Lieferungen. Damit haben US-Behörden wissentlich oder unwissentlich deutsches Recht gebrochen.

Wie viele deutsche Pistolen insgesamt nach Kolumbien gelangt sind, ist unklar. Ein Polizist, der gegen die Farc im Einsatz war, berichtete, dass seine ganze Einheit mit Waffen "Made in Germany" ausgerüstet sei. Sig Sauer äußerte sich nicht zum seltsamen Weg der deutschen Waffen nach Kolumbien. Auch das US-Außenministerium ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Für die USA, immerhin einer der größten Abnehmer deutscher Rüstungsgüter, könnte der Waffendeal mit Kolumbien schwerwiegende Konsequenzen haben. Denn die politischen Grundsätze der Bundesregierung zu Waffenexporten schreiben vor, dass ein Empfängerland bei Verstößen gegen die abgegebenen Endverbleibserklärungen, wie im Fall der Sig-Sauer-Pistolen, vorerst "grundsätzlich" von weiteren Rüstungslieferungen ausgeschlossen wird.

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