Süddeutsche Zeitung

Deutsche Unternehmen:Lust auf Frankreich

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Nach Jahren des Pessimismus beurteilen deutsche Manager den größten EU-Partner wieder positiver, kritisieren aber weiterhin Arbeitsrecht und hohe Steuern.

Von Leo Klimm, Paris

Deutsche Unternehmer glauben wieder an Frankreich. Zumindest macht sich bei deutschen Investoren nach Jahren negativer Nachrichten aus dem europäischen Partnerland vorsichtiger Optimismus breit: Sowohl die Konjunktur dort als auch die Geschäftsaussichten des eigenen Unternehmens beurteilen die Frankreich-Manager deutscher Firmen deutlich positiver als noch vor zwei Jahren. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Wirtschaftsprüfers EY und der deutsch-französischen Industrie- und Handelskammer, die an diesem Montag in Paris vorgestellt wird.

Seit der Finanzkrise fällt der Standort Frankreich durch schwaches Wachstum, ausufernde Staatsschulden und steigende Arbeitslosenzahlen auf. Keine guten Voraussetzungen, um ausländisches Kapital anzulocken. Doch deutsche Unternehmen "verspüren wieder Lust auf Frankreich", fasst EY-Landeschef Jean-Pierre Letartre die Ergebnisse mit einiger Zuversicht zusammen.

Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Franzosen. Der Brexit verstärkt das noch

Die Umfrage gibt Aufschluss über eine elementare Ebene der deutsch-französischen Beziehungen: die Ebene privater Unternehmen, die mit dem Ausstieg der Briten aus der EU noch an Bedeutung für Europa gewinnen wird. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Franzosen. Mit mehr als 3000 Tochterfirmen und 340 000 Arbeitsplätzen sind Unternehmen, deren Muttergesellschaften rechts des Rheins ansässig sind, ein wichtiger Faktor ihrer Wirtschaft. Diese Firmen tragen der Studie zufolge derzeit mit den bewährten Rezepten des Mittelstands - technische Qualität, Nischenprodukte, Geduld - zur Umpositionierung der französischen Industrie auf Güter mit starker Wertschöpfung bei. Zugleich bessert sich die Wahrnehmung des Standorts: Steuererleichterungen bei den Löhnen haben dazu geführt, dass die Arbeitskosten im Nachbarland zumindest in der Industrie unter das deutsche Niveau gefallen sind.

Die Deutschen, so zeigt sich, sind positiver gestimmt als die Gesamtheit der ausländischen Investoren. Die haben die Zahl ihrer neuen Projekte in Frankreich zuletzt leicht gesenkt. Das lässt zwei Schlüsse zu: Entweder neigen deutsche Investoren zu mehr Optimismus. Oder sie erkennen früher als Amerikaner, Briten oder Chinesen eine Trendwende. Die Macher der Studie tendieren zur zweiten Erklärung, zumal fast die Hälfte der befragten Manager für Unternehmen arbeiten, die seit mehr als 45 Jahren in Frankreich produzieren und verkaufen, also die ökonomischen Eigenheiten des Landes gut einschätzen können.

Die tatsächliche Lage der Firmen ist auch klar besser, als die Stimmung insgesamt. Die befragten Manager halten die wirtschaftliche Situation Frankreichs zu 58 Prozent für schlecht oder sehr schlecht; 2014 lag dieser Wert allerdings noch bei 82 Prozent. Die eigenen Geschäfte aber bezeichnen die Frankreich-Statthalter zu 77 Prozent als gut oder befriedigend. Vor zwei Jahren waren es 69 Prozent. 90 Prozent erwarten in den nächsten zwei bis vier Jahren höhere oder zumindest stabile Gewinne. Und während das Außenhandelsdefizit Frankreichs insgesamt steigt, nehmen die Ausfuhren der Filialen deutscher Unternehmen zu. In zwei entscheidenden Punkten zeigen sich die deutschen Firmenlenker trotz der positiven Entwicklung jedoch zurückhaltend: Nur je 30 Prozent wollen in den nächsten Jahren neue Jobs schaffen und ihre Investitionen steigern.

Denn abgesehen von gesunkenen Lohnnebenkosten hat sich an der Bewertung des Standorts wenig geändert, gesteht Studienautor William Zanotti ein. Die Stärken würden weiter geschätzt, etwa die Verfügbarkeit guter Ingenieure und ein selbst in Krisenzeiten stabiler Absatzmarkt. Dem stünden aus Sicht der Unternehmen aber unverändert Nachteile wie das starre Arbeitsrecht und hohe Unternehmenssteuern gegenüber. "Eine großzügige Sozialversicherung ist für deutsche Investoren nicht das Problem", sagt Zanotti. "Wohl aber der Eindruck, dass die Behörden ineffizient mit Beiträgen umgehen oder das Risiko langer arbeitsrechtlicher Prozeduren." Eine Zahl lässt auch Zweifel zu, ob die Lust auf Frankreich wirklich wieder voll hergestellt ist: Bei der Frage, ob sie ihren Betrieb wieder dort ansiedeln würden, ist ein Drittel der Manager unschlüssig. Nur 53 Prozent antworten mit Ja.

Umgekehrt ist Deutschland für französische Investoren uneingeschränkt attraktiv. Seit 2009 kauften sie hierzulande mehr zu als deutsche Firmen in Frankreich zugriffen, zeigt eine Erhebung des EY-Konkurrenten PwC. Und es geht so weiter: In den ersten neun Monaten 2016 erwarben Franzosen 78 deutsche Firmen - darunter bekannte Marken wie Rimowa, WMF und Auto Teile Unger. Die Franzosen, sie haben Lust auf Deutschland.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2016
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