DUH:Es ist gut, dass die Deutsche Umwelthilfe nervt

Abgasskandal: Demonstration gegen Diesel

Diesel-Gegner bei einer Demonstration der Deutschen Umwelthilfe in München 2017.

(Foto: Florian Peljak)

Der Verein zwingt die Politik, sich mit den Regeln auseinanderzusetzen, die sie selbst aufgestellt hat.

Kommentar von Stephan Radomsky

Wer Regeln aufstellt, an die er sich selbst nicht halten mag, erntet fast immer eines: einen Haufen Probleme. Alle Eltern kennen das. Und inzwischen auch die Bundesregierung. Über Jahre hat sie auf EU-Ebene mitgetragen, dass die Vorschriften für Autoabgase und Luftqualität immer weiter verschärft wurden - mit gutem Grund. Jetzt aber, da offensichtlich geworden ist, dass die Ziele höchstens auf dem Papier, nicht aber auf der Straße zu erreichen sind, wüsste sie am liebsten nichts mehr von alldem.

Allerdings gibt es da eine wachsame Nervensäge: die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Die hat sich in den vergangenen Jahren bei vielen Politikern und Automanagern reichlich unbeliebt gemacht, weil sie sich durch Bundesländer und Instanzen geklagt hat, um die Behörden auf die Einhaltung der eigenen Ziele zu verpflichten - in aller Regel mit Erfolg. Vor allem die CDU reagiert inzwischen höchst gereizt auf diesen kleinen, aber sehr lauten Verein. Am liebsten würde sie ihn irgendwie zum Schweigen bringen, ihm das Verbandsklagerecht entziehen und auch gleich die steuerlichen Vorteile der Gemeinnützigkeit aberkennen. Nach dem Motto: Wenn es keine Kritik gibt, gibt es auch kein Problem.

Es ist gut, dass der Bundesgerichtshof (BGH) dabei offenbar nicht mitspielen will. Die DUH hatte einen Autohändler abgemahnt, weil dieser Sprit- und Abgaswerte eines Neuwagens im Internet nicht richtig angegeben hatte. Der Händler wehrte sich, dürfte aber vor dem BGH scheitern. Noch ist es zwar nur eine vorläufige Einschätzung des Gerichts, aber die Tendenz ist klar erkennbar: Die DUH mag unbequem sein, verhält sich aber wohl im Einklang mit dem Recht.

Die offene Feindseligkeit, mit der die CDU der DUH begegnet, ist kurzsichtig und gefährlich

Solche Streitereien wirken auf den ersten Blick vielleicht kleinlich. Und überhaupt: Was können viele Millionen Autofahrer in deutschen Städten dafür, dass ihnen Autos verkauft wurden, die viel dreckiger sind als versprochen? Sie leiden ja zuerst unter den von der DUH erstrittenen Fahrverboten.

Entscheidend aber ist, dass die Umwelthilfe nicht in erster Linie Politik macht, sondern sich auf geltendes Recht beruft. Mit jedem Urteil zwingt sie die Politik, sich mit den selbst erlassenen Regeln auseinanderzusetzen. Auch das ist eine Form zivilgesellschaftlichen Protests, weniger emotional vielleicht als Großdemonstrationen, womöglich aber wirkungsvoller. In jedem Fall ist es eine nützliche, sogar unerlässliche Arbeit für die Demokratie.

Die offene Feindseligkeit, mit der die CDU der DUH begegnet, ist daher nicht nur kurzsichtig, sie ist auch gefährlich. Die Partei untergräbt damit nicht nur ihre eigene Glaubwürdigkeit, sondern auch die der Politik und des Rechtsstaats insgesamt. Es bleibt der Eindruck, dass Regierung und Industrie nach Belieben alles versprechen und jede Regel beugen oder brechen dürfen, während jeder Verstoß der Bürger sofort geahndet wird. Und wer dagegen widerspricht, soll zum Schweigen gebracht werden. In diesem Fall durch den Entzug der steuerlichen Gemeinnützigkeit, den Verlust juristischer Mittel und den Ausschluss von einer neuen Klagemöglichkeit auf EU-Ebene.

Politiker und Manager verweisen gern auf die Hunderttausende Jobs, die in Deutschland an der Autoindustrie hängen. Und sie warnen vor dem Schaden, den die Branche durch all die Klagen und Urteile nehmen könnte. Das alles ist sicher richtig. Wenn aber ein kleiner, renitenter Verein gleich einer ganzen Reihe von Weltkonzernen derart gefährlich werden kann, liegt das Problem vielleicht an ganz anderer Stelle. Es könnte sich deshalb lohnen, das eigene Verhalten zu hinterfragen, statt die Nervensäge abzustrafen. Auch das wissen alle Eltern.

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