Deutsche Telekom:Mit Grüßen von Ron Sommer

Konzernchef Höttges fädelt in den USA eine Milliardenfusion ein. Er will damit die Fehler seines Vor-Vor-Vorgängers reparieren. Der Plan hat Risiken.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Plötzlich stockt Tim Höttges, 55, mitten im Satz. Gerade hat der Vorstandschef der Deutschen Telekom noch frohgemut von dem geplanten Milliardengeschäft in den USA berichtet, vom Innovationsgeist des Silicon Valley geschwärmt, die Steuerreform von Präsident Donald Trump gelobt. Jetzt erscheint auf seinem Handy eine Nachricht: Ron Sommer, sein Vor-Vor-Vorgänger an der Spitze der Telekom, gratuliert ihm zum jüngsten Deal. Da macht Höttges eine kurze Pause.

So schließt sich am Montagvormittag der Kreis: von Ron Sommer, von 1995 bis 2002 Telekom-Chef, der einst übermütig nach Amerika expandierte, über den Absturz der T-Aktie an der Börse (siehe Aktienchart), der viele Menschen bis heute davon abhält, Aktien zu kaufen, bis hin zum Ehrgeiz von Höttges, der die Deutsche Telekom endlich zu einem weltweiten Schwergewicht formen will.

Wenn die US-Behörden den Zusammenschluss wirklich genehmigen, stünde Höttges vor dem größten Erfolg seiner Karriere. Nach jahrelangem Hin und Her soll so einer der drei größten Mobilfunkanbieter in den USA entstehen, mit etwa 127 Millionen Kunden und einem Jahresumsatz von 63 Milliarden Euro. Am Sonntagabend hatte die Telekom bekannt gegeben, dass die Tochter T-Mobile US mit dem hoch verschuldeten Konkurrenten Sprint fusionieren will, der mehrheitlich dem japanischen Softbank-Konzern gehört. "Wir werden einen neuen Spieler formieren, der dem Wettbewerb deutlich einheizen wird", verspricht Höttges. T-Mobile und Sprint gemeinsam könnten den Druck auf die Marktführer AT&T und Verizon erhöhen. Zudem stiegen mittlerweile ja auch Kabelnetzbetreiber in den Mobilfunkmarkt ein. "Jetzt gilt es, die Behörden von dieser Transaktion zu überzeugen", sagt der Telekom-Chef. Er ist zuversichtlich.

Die Fusion wäre auch das vorläufige Ende eines 17 Jahre währenden Abenteuers: 2001, mitten im Börsenboom, übernahm die Telekom unter Ron Sommer die US-Mobilfunkanbieter Voicestream und Powertel für knapp 40 Milliarden Euro. Dies war zur Zeit der allgemeinen Aktieneuphorie, als hierzulande viele Menschen mit der als Volksaktie beworbenen Telekom erste Erfahrungen an der Börse sammelten. Viele lassen seitdem lieber die Finger davon.

Präsident Donald Trump könnte noch ein Veto gegen den Zusammenschluss einlegen

Denn die T-Aktie stürzte ab: von über hundert auf zwölf Euro im Juli 2002, als Ron Sommer rausflog. Jahre später litt der Konzern noch unter hohen Schulden und seinem lückenhaften Netz in den USA. Im Jahr 2011 scheiterte die Telekom bei dem Versuch, T-Mobile an den Marktführer AT&T zu verkaufen, an kartellrechtlichen Einwänden. Doch seitdem hat die Telekom-Tochter Millionen Kunden hinzugewonnen, neue Funkfrequenzen ersteigert und schreibt Gewinne. Das US-Geschäft liefert jenes Wachstum, das Höttges unbedingt braucht, da seine Telekom gerade im Heimatmarkt unter dem scharfen Wettbewerb leidet.

Pedestrians walk past a T-Mobile store in New York

Ein Telekom-Laden in New York: Der deutsche Konzern ist in den USA vor allem in den Großstädten sehr präsent.

(Foto: Lucas Jackson/Reuters)

Doch könnte auch diesmal die geplante Fusion an den US-Behörden scheitern. Gleich fünf verschiedene Stellen werden sie in den nächsten Monaten prüfen: Das US-Justizministerium und die Regulierungsbehörde FCC müssen untersuchen, wie sehr es den Wettbewerb einschränken würde, wenn es künftig nur noch drei statt vier landesweite Mobilfunkanbieter gäbe. US-Sicherheitsbehörden werden den Zusammenschluss prüfen, weil der neue Netzriese mehrheitlich in ausländischer Hand wäre. Schließlich dürften weder einzelne Bundesstaaten noch Präsident Donald Trump ihr Veto einlegen, damit das geplante Gemeinschaftsunternehmen im nächsten Jahr starten könnte. Bisher steht Trumps Regierung großen Fusionen, noch dazu unter ausländischer Führung, jedoch eher skeptisch gegenüber. Höttges versucht, die Argumente der Kritiker schon im Vorfeld zu entkräften: "Dieser Deal ist gut für den amerikanischen Arbeitsmarkt", sagt der Telekom-Chef. So will die neue T-Mobile zusätzliche Callcenter und Filialen eröffnen - und Dutzende Milliarden in die neue 5G-Funktechnik investieren, die große Datenmengen in Echtzeit übertragen kann. Dies schaffe neue Jobs.

Allerdings würde die Deutsche Telekom mit der Fusion noch abhängiger vom amerikanischen Markt werden. Schon heute erwirtschaftet der frühere Staatskonzern knapp die Hälfte seines Umsatzes in den USA sowie gut 40 Prozent seiner Gewinne. Nach dem Zusammenschluss könnten es jeweils nahezu 60 Prozent sein. Eine solche Abhängigkeit von einem einzigen Auslandsmarkt ist selbst für einen global aufgestellten Dax-Konzern ungewöhnlich.

Auch finanziell geht Höttges Risiken ein: Mit dem Konkurrenten Sprint würde die Verschuldung von Europas größtem Telekommunikationskonzern wieder über jene knapp 60 Milliarden Euro steigen, die er sich selbst als Obergrenze gesetzt hat. Auch rechnen T-Mobile und Sprint damit, dass ihr Zusammenschluss zunächst Kosten in Höhe von gut zwölf Milliarden Euro verursachen würde. Höttges stellt jedoch in Aussicht, dass beide Kennzahlen schon nach drei Jahren wieder im grünen Bereich sein sollen.

"Unsere Industrie lebt von den Größenvorteilen", erklärt der Telekom-Chef. Beispielsweise müssten die beiden Netzbetreiber in Gebieten, in denen sie sich überlappen, künftig nur noch einen Platz auf den Funktürmen mieten. Sie könnten sich die Kosten für den Bau und die Wartung eines landesweiten 5G-Netzes teilen. Und sie könnten doppelte Ausgaben für Werbung, Vertrieb oder Buchhaltung vermeiden.

Diese Logik treibt viele Telekommunikationsunternehmen in Fusionen: hierzulande etwa E-Plus und Telefónica (O2) vor gut drei Jahren oder aktuell Telekom und Tele2 in den Niederlanden. T-Mobile und Sprint beziffern ihre Synergien auf knapp fünf Milliarden Euro pro Jahr. Dank der US-Steuerreform seien die Kostenvorteile noch höher als zuvor, sagt der Telekom-Chef.

Telekom

Seit gut vier Jahren steht Höttges nun an der Spitze des Bonner Konzerns - und nie habe er einen Hehl daraus gemacht, dass er sich einen Zusammenschluss mit Sprint wünsche, sagt der Betriebswirt. "Ich habe es dreimal versucht." Im Jahr 2014 scheiterte die Fusion an kartellrechtlichen Einwänden; damals wäre T-Mobile nur der Juniorpartner gewesen. Im vergangenen Herbst brach die Telekom neuerliche Verhandlungen mit Softbank ab. Denn die Konzerne wurden sich nicht einig, wer das Sagen im geplanten Gemeinschaftsunternehmen haben soll. Höttges bezeichnete diese Zeit als die turbulentesten Wochen seines Berufslebens. Doch kündigte der Rheinländer schon damals an, dass er keine Tür zuschlagen werde. "Unsere Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt", so Höttges.

Denn auch in den vergangenen Monaten gewann T-Mobile unter seinem unkonventionellen Chef John Legere weitere Kunden hinzu und erwirtschaftete Gewinne, während Sprint an der Börse zusehends an Wert verlor. Daher gibt sich Softbank nun damit zufrieden, nur 27 Prozent an dem geplanten Gemeinschaftsunternehmen zu halten. Die Telekom wäre noch zu 42 Prozent an der neuen T-Mobile beteiligt, hat sich aber weitgehende Stimmrechte gesichert. So bliebe das US-Geschäft als "unser Wachstumsstar" in der Konzernbilanz, sagt Höttges, der selbst Aufsichtsratschef der neuen T-Mobile werden will.

Einzig für die vielen Aktionäre bleibt es ein Abenteuer, das einst unter Ron Sommer begann: Obwohl schon die Fusionsgerüchte den Börsenwert der Telekom nach oben getrieben hatten, liegt die T-Aktie noch immer leicht unter jenen umgerechnet 14,57 Euro, zu denen sie vor mehr als 20 Jahren an die Börse ging.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: