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Nahaufnahme:Der Zauderer

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Wie viel mehr wird die Deutsche Telekom seinen Angestellten zahlen? Im Warnstreik kommt es nun entscheidend auf Personalchef Christian Illek an - doch der hält sich bislang auffällig zurück.

Von Varinia Bernau

Warnstreiks gehören zur rituellen Rhetorik von Tarifverhandlungen. Deshalb hat die Gewerkschaft Verdi 12 500 Mitglieder, die bei der Deutschen Telekom im Kundenservice und als Techniker beschäftigt sind, aufgerufen, ihre Arbeit niederzulegen. Und deshalb müssen Kunden in diesen Tagen etwas länger in der Hotline warten, oder wenn sie ihren Anschluss freischalten lassen wollen. Die Gewerkschafter jedenfalls lassen ihre Muskeln spielen, um von ihren Forderungen nach mehr Geld möglichst viel durchzubekommen.

Doch hinter dieser Drohkulisse sieht es deutlich friedlicher aus. Noch zumindest. Das dürfte auch daran liegen, dass der oberste Personaler der Telekom, Christian Illek, einiges von dem Vertrauen zurückgewonnen hat, das in vorigen Tarifrunden verloren gegangen war. Es seien harte Verhandlungen, aber keine verhärteten Fronten, sagte ein Gewerkschaftsmann. Das war nicht immer so. Thomas Sattelberger, von 2007 bis 2012 im Telekom-Vorstand für Personal verantwortlich, nutzte Tarifrunden gerne mal, um seine Macht zu demonstrieren. Nachfolgerin Marion Schick war das Gegenteil: Sie ging jeglichem Konflikt aus dem Weg. Nun also Illek, der vor einem Jahr das Personalressort im Vorstand und damit die Verantwortung für 230 000 Mitarbeiter weltweit übernahm. Und von dem es heißt, dass er den Weg dazwischen gewählt habe. "Der muss sich nichts beweisen", sagt ein Beobachter. Die Verhandlungen führt Martin Seiler, der für das Personal der Telekom in Deutschland zuständig ist. Erst wenn es an dem vorerst letzten Verhandlungstermin, der für diesen Mittwoch angesetzt ist, keine Einigung geben sollte, dürfte sich Illek einschalten.

Das sagt viel aus über den Rheinländer, der bereits fünf Jahre lang für die Telekom das Marketing für deutsche Dienste geleitet hatte, ehe er 2012 als Deutschlandchef beim US-Softwarekonzern Microsoft anheuerte. Er setzt auf Eigenverantwortung. Darauf, dass seine Mitarbeiter selbst am besten wissen, was sie wann und wie erledigen. Anders geht es wohl auch nicht in einer Welt, in der neue Technologien nicht nur das Arbeiten zu jeder Zeit und an jedem Ort ermöglichen, sondern auch das etablierte Geschäft der Deutschen Telekom erschweren. "Die Digitalisierung kommt nicht als laues Lüftchen daher, sondern als Sturm", sagt Illek. Deswegen hängt von der Frage, ob er es schafft, seine Mannschaft fit für den Wandel zu machen, auch ab, wie viel der Konzern ihr zahlt.

Noch liegen die Positionen auseinander: Die Telekom bietet den 63 000 Tarifangestellten und Azubis über eine Laufzeit von zwei Jahren einen Anstieg der Gehälter um 2,8 Prozent. Verdi pocht auf ein Lohnplus von fünf Prozent über zwölf Monate sowie eine überproportionale Anhebung der unteren Einkommen - und verweist dabei auf das üppige Plus in der Bilanz. Im vergangenen Jahr steigerte die Telekom den Überschuss um elf Prozent auf 3,3 Milliarden Euro. "Ein Unternehmen, das so gut dasteht, kann sich auch eine ordentliche Lohnerhöhung leisten", haben die Gewerkschafter bereits zum Auftakt der Verhandlungen im Februar betont. Allerdings sind es derzeit vor allem die Erfolge der Tochter T-Mobile in den USA, die für die guten Geschäfte beim Bonner Konzern sorgen. Dass sich die Telekom langfristig in der sich wandelnden Technologiewelt behauptet, ist noch nicht ausgemacht. Auch deshalb verwendet Illek derzeit viel Energie darauf, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem neue Dienste und, daran geknüpft, Geschäfte entwickelt werden können. Durch offene Büros ohne feste Arbeitsplätze. Oder Schulungen, in denen Chefs lernen, wie sie Mitarbeiter auch dann motivieren, wenn sie ihnen nicht zufällig in der Kaffeeküche begegnen - und Lob nebenbei platzieren können.

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SZ vom 13.04.2016
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