Deutsche Steinkohle:Ein Ausstieg ohne Rettungsanker

Die SPD verabschiedet sich vom Kohlebergbau in Deutschland. Die Bedenkzeit bis 2012 sei Augenwischerei, glaubt die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Paul Katzenberger

Nach monatelangen Verhandlungen über den Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohle-Bergbau haben Bund und Länder einen Durchbruch erzielt.

Deutsche Steinkohle: Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

(Foto: Foto: DIW)

Die Bundesregierung und die Bergbau-Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland teilten am Sonntagabend in Berlin mit, die Chancen stünden gut, dass bereits in den nächsten Tagen eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sagte, er habe für die SPD angeboten, dass sich die Partei auf einen Auslaufbergbau im Jahr 2018 einlassen könnte, falls es eine Optionsklausel gebe.

Demnach solle 2012 geprüft werden, ob der Ausstiegsbeschluss im Lichte der dann geltenden energiepolitischen Lage doch zu revidieren sei.

Ob der Ausstiegsbeschluss im Jahr 2012 allerdings tatsächlich noch einmal gekippt werden kann, ist aus Expertensicht allerdings zweifelhaft.

Eher skeptisch

So ist etwa Claudia Kemfert, die beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt leitet, eher skeptisch: "Bis zum Jahr 2012 wird sich im Vergleich zur heutigen Lage energiepolitisch überhaupt nichts geändert haben. Warum sollte die heutige Entscheidung dann revidiert werden?", sagte sie zu sueddeutsche.de.

Dabei sei der Erhalt eines Sockelbergbaus von ein bis zwei der derzeit noch sieben Zechen, wie ihn die SPD bislang favorisiert habe, unter bestimmten Voraussetzungen durchaus sinnvoll, so Kemfert.

Der Energieträger Kohle könne in Zukunft nämlich durchaus wieder an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnen. Das sei vor allem dann zu erwarten, wenn die Kohlendioxidemissionen in Kraftwerken deutlich gesenkt werden könnten.

Frühstens 2014 fertiggestellt

Eine emissionssenkende Technologie werde derzeit unter dem Begriff "Kohlendioxid-Abscheidung-Einlagerung" entwickelt, erklärt die Expertin. Das erste Kraftwerk dieser Art werde allerdings frühstens 2014 fertiggestellt sein: "Das heißt, dass nach heutiger Beschlusslage die Entscheidung gegen die Steinkohle höchstwahrscheinlich schon zwei Jahre vorher gefallen ist".

Sogar aus wirtschaftlicher Sicht könnte sich das nach Auffassung der Energieexpertin noch rächen. Denn sollten neue umweltschonende Kohlekraftwerke zu einer echten Alternative heranreifen, dann wäre Deutschland künftig gezwungen, Kohle aus dem Ausland zuzukaufen.

Die Versorgungssicherheit werde dadurch zwar nicht gefährdet, da Steinkohle jederzeit günstig auf dem Weltmarkt eingekauft werden könne. "Doch es ist immer einfacher, den Rohstoff direkt vor Ort zu haben und außerdem verabschiedet man sich von Know-How und Technologie", argumentiert Kemfert.

"Zwei Fliegen mit einer Klappe"

Die Subventionen, die mit dem Ausstieg aus der Kohle gespart würden, sollten nach Auffassung der Energieexpertin daher zumindest zu einem kleinen Teil in die Entwicklung der neuen umweltschonenden Kohlekraftwerke gesteckt werden. "Damit würde man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen", so Kemfert. Auf der einen Seite werde die unwirtschaftliche Subventionspolitik beendet, auf der anderen Seite der notwendige Strukturwandel in Richtung innovative Energien befördert: "Die umweltfreundliche Kohle würde zum Ruhrgebiet sehr gut passen, denn das wäre energiepolitischer Strukturwandel", sagt Kemfert.

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