Deutsche Post:"Tarifpolitisch brisant"

Der Konzern will die Paketzustellung neu organisieren und Doppelstrukturen abschaffen. Bisher gibt es eine Zweiklassen-Gesellschaft aus etwa 30000 Beamten mit bestimmten Privilegien und anderen Arbeitnehmern.

Von Thomas Öchsner und Benedikt Müller, München/Düsseldorf

Bei der Deutschen Post arbeiten mehr als 100 000 Briefträger und Paketboten. Zusteller ist bei dem Logistikunternehmen jedoch nicht gleich Zusteller. Der Konzern pflegt eine Art Klassengesellschaft.

Etwa 30 000 sind noch Beamte - mit bestimmten unantastbaren Privilegien. Unter den angestellten Boten verdienen laut der Gewerkschaft Verdi die am besten, die vor 2001 eingestellt wurden. Für diejenigen, die seither als Brief- oder Paketbote bei der Post angefangen haben, gilt ein anderer Haustarif. Und davon getrennt gibt es die reinen Paketzusteller bei der Posttochter DHL Delivery. Wer dort seit dem Jahr 2015 eingestellt wurde, wird nach den regional unterschiedlichen Tarifen der Speditions- und Logistikbranche bezahlt, die zum Teil deutlich unter dem Haustarif der Post liegen.

Nun aber scheint die Post zurück zu wollen zu einem Gesamtbetrieb, der Pakete zustellen soll. Für die Beschäftigten ändert sich zwar vorerst nichts. Trotzdem hält Verdi einen solchen Gemeinschaftsbetrieb für "tarifpolitisch äußerst brisant".

Mit den DHL-Delivery-Gesellschaften ist die Lieferung von Paketen komplexer geworden: In bestimmten Bezirken stellen nur Boten der Delivery-Gesellschaften zu, in anderen Bezirken nur Beschäftigte mit Haustarifvertrag. Diese Trennung will der Konzern aufgeben, um den Personaleinsatz von Beschäftigten verschiedener Firmen zu erleichtern und Doppelstrukturen abzuschaffen. Ob das bereits zum 1. Mai passieren soll, ist offenbar noch unsicher.

Der Plan, über den die Welt zuerst berichtete, könnte unter dem Motto stehen: "Zurück in die Vergangenheit". Schließlich hatte die Post erst vor drei Jahren die Gründung der Tochterfirma DHL Delivery (auf Deutsch: Lieferung) gegen den Widerstand der Mitarbeiter durchgesetzt, die deswegen mehr als zwei Monate streikten.

Arbeitsbedingungen der Zusteller werden nicht verschlechtert, verspricht das Unternehmen

Mittlerweile tragen etwa 11 000 Boten für DHL Delivery Pakete aus. Delivery ist unterteilt in 46 Regionalgesellschaften mit teilweise sehr unterschiedlichen Tarifverträgen. Während der Haustarif der Post laut Verdi einen Stundenlohn zwischen 14,22 Euro und 18,27 Euro vorsieht, einschließlich Urlaubs-, Weihnachtsgeld und variabler Vergütung, liegt der Stundenlohn im Flächentarif für das Speditionsgewerbe etwa in Nordrhein-Westfalen zwischen 13,39 und 13,64 Euro, Sonderzahlungen eingerechnet.

Dass nun wieder alle Paketzusteller unter einem Dach arbeiten sollen, sieht Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis mit gemischten Gefühlen. Einerseits habe das Unternehmen begriffen, dass "die Doppelstruktur von Regionalgesellschaften und Post ein Irrweg ist". Andererseits sollte das Management nun auch konsequent sein und die Beschäftigten der Regionalgesellschaften in den bestehenden Haustarif der Post überführen. "Regionale Flächentarifverträge mit unterschiedlichen Arbeits- und Bezahlbedingungen gehören nicht unter das Dach der Deutschen Post AG", sagt Kocsis.

Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass die Post diesen Wunsch von Verdi erfüllt. Die Lohnkosten würden sich dadurch deutlich erhöhen. Stattdessen könnte der Konzern langfristig versuchen, mehr neue Beschäftigte - und nicht nur neue Paketzusteller - zu den schlechteren Konditionen einzustellen. So einfach geht das aber nicht. Laut Verdi gelten verschiedene Schutzklauseln, die dies vorerst verhindern. Und für bereits eingestellte Beschäftigte gilt ohnehin ein Bestandsschutz. Die Post verspricht, nicht in die Gehälter dieser Tarifbeschäftigten einzugreifen. "Medienberichte, dass die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Brief- und Paketzustellung unseres Unternehmens verschlechtert werden sollen, entbehren jeder Grundlage", sagt ein Sprecher.

Den zum Haustarif bezahlten Mitarbeiter hat die Post gerade angeboten, die Tarife um 3,0 Prozent zum 1. Oktober und weitere 2,1 Prozent zum 1.10.2019 zu erhöhen. Erstmals sollen sie auch wählen können zwischen einer Lohnerhöhung und freien Tagen.

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