Deutsche Post:Plötzlich sind die Befristungen politisch

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Gut 180 000 Menschen beschäftigt die Post in Deutschland. Wie viele davon befristet angestellt sind, sagt der Konzern nicht. (Foto: Malte Christians/dpa)
  • Der Umgang der Deutschen Post mit befristet Beschäftigten erhöht den Druck auf die Politik, die eigene Haltung zu dem Thema zu überdenken.
  • Finanzminister Olaf Scholz kündigte an, Konsequenzen aus dem Fall zu ziehen. Bislang hält sich der Bund aus dem operativen Geschäft seiner Beteiligungen zurück.
  • Scholz kündigte an, dass der Bund auch die Zahl der sachgrundlosen Befristungen in seinen Behörden prüfen werde.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf, und Henrike Roßbach, Berlin

Wie die Deutsche Post mit befristeten Beschäftigten umgeht, hat die Politik aufgeschreckt. Offenbar will die Bundesregierung nun sogar ihre jahrelange Zurückhaltung ablegen: Sie mischte sich bislang nicht in das operative Geschäft von Unternehmen mit Bundesbeteiligung ein. So kündigte eine Sprecherin von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Montag an, als Konsequenz aus dem Vorgehen der Post werde sein Ministerium von allen Firmen, bei denen der Bund im Aufsichtsrat sitzt, Berichte über befristete Arbeitsverhältnisse anfordern.

Am Wochenende wurde bekannt, dass die Post Angestellte nur dann unbefristet übernimmt, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nicht mehr als 20 Krankheitstage angehäuft und höchstens zwei Unfälle mit Zustellfahrzeugen verschuldet haben. Auch dürfen sie die Zeiten für ihre Touren, die der Konzern vorgibt, in drei Monaten um höchstens 30 Stunden überschreiten. So jedenfalls steht es in einem Konzept für die Niederlassungsleiter.

Zwar beschwichtigt die Post, dass sie stets den Einzelfall prüfe und es nur gut mit der Belastbarkeit ihrer Boten meine. Scholz aber will die Praxis nicht länger hinnehmen und dazu den Einfluss des Bundes als größter Aktionär der Post nutzen. "Diejenigen, die für uns im Aufsichtsrat sitzen, haben sich vorgenommen, darauf zu reagieren", kündigte er am Sonntagabend im Fernsehen an. Er nehme die Praxis der Post nicht hin; sie sei "nicht in Ordnung".

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Kritik kommt auch von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). "Ein Unternehmen hat immer eine soziale Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", sagte er. "Diese Verpflichtung darf nicht von der Art des Arbeitsvertrages abhängig gemacht werden." Heil kündigte an, er werde sich dafür einsetzen, dass die sachgrundlose Befristung eingedämmt und "endlose Kettenbefristungen" abgeschafft werden. So sieht es auch der Koalitionsvertrag vor.

Scholz kündigte an, dass der Bund auch bei all seinen Behörden und Folgebehörden die Zahl der sachgrundlos befristeten Beschäftigungsverhältnisse prüfen werde. Außerdem sollten die Befristungsquoten gesenkt werden. Telekom und Deutsche Bahn, wo der Bund ebenfalls Anteilseigner ist, wiesen auf eine grundsätzlich andere Einstellungspraxis in ihren Häuserin hin.

Wenn der Bund sich nun auch andere Firmen genauer ansieht, an denen er beteiligt ist, wäre das ganz im Sinne des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Dessen Vorsitzender Reiner Hoffmann sagte, arbeitsrechtlich sei das Verhalten der Post "leider nicht angreifbar", moralisch aber sei es "höchst verwerflich". Es sei an der Zeit, "dass mit diesem Unfug aufgeräumt wird". Zudem solle das Finanzministerium als einer der Hauptaktionäre auch bei der Deutschen Telekom Verantwortung übernehmen. So weigere sich die Tochterfirma T-Mobile US in Amerika, Gewerkschaften und Tarifverträge anzuerkennen. Mit Blick auf die Post sagte Hoffmann, er habe als Student selbst als Zusteller gearbeitet, "ich weiß, was es bedeutet, wenn die Zustellbezirke zu groß geschnitten sind". Dass die Post Arbeitnehmer in die Pflicht nehme, wenn es unter Druck zu Unfällen komme, "geht gar nicht".

An Einfluss auf die frühere Bundespost fehlt es dem Bund wahrlich nicht: Über die staatliche KfW-Bank hält er knapp 21 Prozent der Aktien und entsendet zwei Vertreter in den Aufsichtsrat des Dax-Konzerns. Da das Kontrollgremium zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzt ist, haben Bund und Belegschaft zusammen die Mehrheit der Stimmrechte. In der Praxis aber schätzt die Post den Bund bisher als zuverlässigen Großaktionär, der seine Beteiligung eher wie ein reiner Finanzinvestor führt.

Gewerkschäfter schätzen den Befristeten-Anteil bei der Post auf 14 Prozent

Auch die Bundesregierung verwies bislang stets darauf, dass der Bund als Aktionär keinen Einfluss auf das operative Geschäft ausüben wolle. "Dazu gehört auch die Gestaltung von Beschäftigungsverhältnissen", heißt es in der Antwort auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage. Es sei erschütternd, kritisierte die Grünen-Politikerin Beate Müller-Gemmeke, "dass es erneut einen so heftigen Skandal gebraucht hat, bis die Bundesregierung endlich beginnt, ihre unverantwortliche Lethargie abzulegen". Allerdings galt der Bund bereits in den vergangenen Monaten als unterstützende Kraft, als die Post erstmals ein Vergütungssystem entwickelte, das die Gehälter der Vorstände auf acht Millionen Euro im Jahr begrenzt.

Die Post beschäftigt in Deutschland, in Vollzeitstellen gerechnet, gut 180 000 Menschen. Wie viele davon befristet angestellt sind, gibt der Konzern nicht bekannt. Gewerkschaftler schätzen den Anteil auf vier bis 14 Prozent, je nach Standort. Die Post weist darauf hin, dass sie vor allem in der Weihnachtszeit viele Aushilfen befristet beschäftige; einige von ihnen wünschten ohnehin nur einen saisonalen Zuverdienst, sagte ein Konzernsprecher.

Dank des boomenden Online-Handels suchen alle Paketdienste dringend nach Personal. So hat die Post allein im vergangenen Jahr etwa 9000 Zeitverträge entfristet. Das sei eine ganze Menge, erkennen auch Arbeitnehmervertreter an. Die Gewerkschaft Verdi unterstützt daher das Entfristungskonzept, warnt aber vor zu pauschalen Kriterien. Es müsse in jedem Fall eine individuelle Beurteilung geben, fordern die Arbeitnehmervertreter.

© SZ vom 08.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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