Logistik:Die Post wird zum Rekord-Konzern

Logistik: In den Logistikzentren der Deutschen Post wurden 2020 so viele Pakete umgeschlagen wie nie zuvor.

In den Logistikzentren der Deutschen Post wurden 2020 so viele Pakete umgeschlagen wie nie zuvor.

(Foto: INA FASSBENDER/AFP)

Kaum ein Unternehmen steht derzeit so gut da - aus Sicht der Deutschen Post hat das nicht nur mit den Folgen der Pandemie zu tun. Was sich gerade allerdings zeigt: Die Paketflut kann auch an ihre Grenzen geraten.

Von Michael Kläsgen und Benedikt Müller-Arnold, München/Köln

Die Szene trug sich kurz vor Weihnachten im Kölner Hausflur zu. "Na, wie laufen die Geschäfte?", fragte der Vermieter den schwer beladenen Paketzusteller. "Für die Aktionäre gut", scherzte der DHL-Mann prompt; ohne seinen Besuch verging kaum ein Werktag im Dezember. Da viele Läden schließen mussten und Zuhausebleiben das Gebot der Stunde ist, bestellen Kunden mehr im Internet - wohl auch im neuen Jahr.

Kaum ein Unternehmen profitiert davon so stark wie die Deutsche Post. Allein hierzulande hat der Konzern im vorigen Jahr 1,83 Milliarden Pakete ausgetragen, 15 Prozent mehr als 2019. "Wir haben ein Rekordjahr hinter uns", sagt Vorstandschef Frank Appel am Mittwoch. Seine vorläufigen Jahreszahlen sind so viel besser als erwartet, dass der Konzern sie am Vorabend ad hoc veröffentlicht hat. Erstmals meldet die Post einen Gewinn von mehr als 4,8 Milliarden Euro vor Zinsen und Steuern.

Das Weihnachtsgeschäft sei noch lukrativer gewesen als gedacht, staunen Börsenanalysten. Denn DHL stellt nicht nur in Deutschland oder den USA Pakete zu. Auch die Expresssparte transportiert per Frachtflugzeug immer mehr Konsumgüter, beispielsweise Elektronikgeräte aus Asien nach Europa.

Doch war 2020 einfach nur eine Ausnahme? Droht der Post ein Rückschlag nach der Pandemie?

Viele kleine Händler entdecken das Internet notgedrungen für sich - und werden Großversender von Paketen

Appel glaubt das nicht. Er sieht einen strukturellen Wandel. Denn Onlinehandel betreiben ja nicht nur Konzerne wie Amazon oder Otto. Viele kleine Händler seien während der Corona-Krise als Großversender von Paketen hinzugekommen. "Die haben jetzt in den letzten Monaten gelernt", sagt der 59-Jährige. Daher erwarte sein Konzern für dieses Jahr abermals mehr Sendungen, wenngleich die Zahl wohl nicht wieder so stark steige wie 2020. Was Appel Hoffnung macht: Auch in asiatischen Staaten sei die Zahl der Pakete hoch geblieben, obwohl es zuletzt deutlich weniger Corona-Infektionen gab. Und mit dieser Annahme ist Appel nicht allein.

So meldet hierzulade der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Umsatzrekorde im vergangenen Weihnachtsgeschäft. Während der stationäre Handel darbte, waren die Online-Umsätze in den letzten drei Monaten 2020 fast 24 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Demnach haben Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich mehr Lebensmittel, Drogerieartikel und Kleidung im Internet bestellt. "Nach Corona wird der Handel in vielen Aspekten anders aussehen als heute", prophezeit Branchenexperte Ulrich Eggert. Das Wachstum des Onlinehandels werde bleiben oder sich sogar verstärken.

Längst hat der Handelsverband Deutschland (HDE) Initiativen mit Techkonzernen wie Amazon oder Google lanciert, um auch kleinere Händler zum Onlineverkauf zu ermuntern. Ziel seien "hybride Betriebe", so HDE-Experte Stephan Tromp: Läden, die online und offline präsent sind. Dies sei eine Frage des Überlebens. "Nur wer digital sichtbar ist, kann sich weiterentwickeln", mahnte Tromp Ende vergangenen Jahres.

Infektionen, Aufpreise, Verspätungen: Die Paketlogistik ist während der Pandemie an Grenzen gestoßen

Allerdings ist die Paketlogistik, ohne die der Onlinehandel nicht funktioniert, während der Pandemie auch an Grenzen geraten: Insgesamt sind Hunderte Fälle bekannt, in denen sich Beschäftigte in Lagerhäusern und Verteilzentren mit dem Virus infizierten. Auch verlangten Paketdienste im Vorfeld Prognosen, wie viele Sendungen Händler an welchen Tagen in etwa verschicken wollten - wer mehr versenden wollte, musste mit Absagen oder Aufpreisen rechnen. In der Folge hieß es in vielen Onlineshops: Der Versand könne länger dauern, die Logistik sei am Anschlag.

So zählte die Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr gut 18 800 Beschwerden über Postdienste in Deutschland, etwa die Hälfte betraf Pakete. Damit ist die Zahl der Reklamationen zwar gestiegen, aber deutlich geringer als in den Vorjahren. "Die Corona-Pandemie zeigt bisher keine Auswirkungen auf die Entwicklung der Beschwerdezahlen", lobte Behördenchef Jochen Homann kurz vor Weihnachten.

Möglich ist das nur, weil die Branche in neue Depots investiert - und immer mehr Menschen beschäftigt. Alleine die Post hat voriges Jahr etwa 4000 Mitarbeiter zusätzlich im hiesigen Paketgeschäft angestellt, zudem etwa 10 000 Saisonkräfte im Weihnachtsgeschäft. "Wir gehen davon aus, dass wir unsere Mannschaft weiter ausbauen werden", kündigt Vorstandschef Appel an. Hinzu kommt das Wachstum von Konkurrenten wie Hermes oder DPD, die ihre Zusteller bislang vor allem über viele Subunternehmer beschäftigen.

In dem Zusammenhang lässt sich in der Rückschau feststellen, dass der Staat gerade noch rechtzeitig Mindeststandards auf dem Arbeitsmarkt eingezogen hat. Denn in vergangenen Jahren hatten Behörden wie der Zoll viele Gesetzesverstöße in der Branche festgestellt: vom Unterschreiten des Mindestlohns bis hin zu gefälschten Pässen. Daraufhin ist vor gut einem Jahr das sogenannte Paketbotenschutzgesetz in Kraft getreten. Seitdem müssen Paketdienste sicherstellen, dass ihre vielen Subunternehmer Sozialversicherungsbeiträge für die Zusteller abführen. Das Gesetz habe "ein Umdenken in der Branche angestoßen", honorierte Andrea Kocsis, Vizechefin der Gewerkschaft Verdi: Auch Konkurrenten der Post stellten allmählich mehr Boten fest an.

Nach der Corona-Krise hofft die Post wieder auf mehr Sendungen von Unternehmen an andere Unternehmen

Und hat jener Kölner Zusteller nun recht, dass die Geschäfte auch für die Aktionäre gut laufen? Tatsächlich ist die Post an der Börse mittlerweile mehr als doppelt so viel wert wie zum allgemeinen Tiefpunkt an den Märkten im vergangenen März. Mit gut 42 Euro notiert die Aktie dieser Tage so hoch wie nie seit dem Börsengang vor gut 20 Jahren.

Dabei läuft gar nicht alles rund in dem Konzern: Die Zahl der Briefe ist im vergangenen Jahr um weitere sieben Prozent zurückgegangen; vor allem Firmen verschickten deutlich weniger Werbepost. Auf Lagergeschäfte für die kriselnde Autoindustrie sowie die eigene Fahrzeugproduktion Streetscooter musste die Post zusammengerechnet mehr als 400 Millionen Euro abschreiben. Für den Rekordgewinn reicht es dennoch.

"Wir blicken auch mit Optimismus auf dieses Jahr", sagt Appel. Denn wenn sich die Weltwirtschaft von der Corona-Krise erhole, hofft der Konzern wieder auf mehr Expresssendungen, Land- und Seefracht von Unternehmen an andere Unternehmen. Eine andauernde Ausnahmesituation wünsche sich die Post jedenfalls nicht, verspricht der Chef. "Wir haben sehr starkes Interesse, dass Covid 19 vorbeigehen wird."

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