Deutsche Flughäfen:"Vollkommen dicht"

Lesezeit: 3 min

Der Flugverkehr in Deutschland wächst massiv. Dumm nur, dass die Flughäfen in München und Frankfurt schon jetzt an ihre Grenzen stoßen. Dringend erforderliche Start- oder Landezeiten können oft nicht mehr genehmigt werden.

Jens Flottau, Frankfurt

Es spricht der Mann aus dem Tower. Michael Kerkloh hat vor einem großen Foto seines Kontrollturms an der Stirnwand im Saal "Leonardo da Vinci" des Münchner Hotels Kempinski Platz genommen. Der Chef des Flughafens der Stadt ist bester Stimmung: "Wir haben nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise sehr viel schneller als erwartet wieder deutliche Verkehrszuwächse registriert", sagt er bei der Bilanzvorstellung seines Unternehmens.

Unter den Top-Ten-Flughäfen der Welt ist aus Deutschland nur der Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt vertreten. Doch der Flughafen München ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Für eine Aufstellung der größen Flughäfen der Welt bitte auf die Grafik klicken. (Foto: N/A)

Etwa 35 Millionen Fluggäste benutzten den zweitgrößten deutschen Verkehrsflughafen im vergangenen Jahr, das waren 6,2 Prozent mehr als im Vorjahr und so viele wie noch nie. Der Flughafen-Konzern machte nach vorläufigen Zahlen 1,1 Milliarden Euro Umsatz und erzielte mit 125 Millionen Euro sein bisher bestes Ergebnis.

Kerkloh rechnet mit fünf bis sechs Prozent Wachstum auch in diesem Jahr und lässt durchblicken, dass dies eine eher konservative Schätzung ist. Grund zum Optimismus gibt dem Manager vor allem die rasante Entwicklung des Luftfracht-Geschäftes mit plus 27 Prozent. Das gilt als Barometer für den gesamtwirtschaftlichen Trend.

München steht nicht alleine da

Die Tochtergesellschaft Cargogate musste noch bis April 2010 kurzarbeiten, nun macht die Belegschaft Überstunden, um die Fracht zu laden, die nicht zuletzt dank neuer Langstrecken-Verbindungen so viel mehr geworden ist. Neuerdings verbinden die Lufthansa-Partner Singapore Airlines, Continental Airlines und All Nippon Airlines München täglich mit Singapur, New York und Tokio.

Da wird es eng auf den zwei Start- und Landebahnen in München. "In den Verkehrsspitzen sind wir aufgrund der heute bestehenden Auslastung über mehrere Stunden des Tages vollkommen dicht", sagt Kerkloh. Wünsche der Fluggesellschaften nach zusätzlichen Start- oder Landezeiten können "schon lange nicht mehr berücksichtigt werden".

München steht mit seinen guten Zahlen hierzulande nicht alleine da. Obwohl die Aschewolke, heftige Schneefälle und Pilotenstreiks den Flugbetrieb massiv beeinträchtigten, konnten praktisch alle großen deutschen Flughäfen im vergangenen Jahr nach der Krise zulegen.

Das Wachstum war auch deswegen deutlich, weil die Geschäftsreisenden zahlreiche Termine nachgeholt haben, die sie im Vorjahr aus Budgetgründen noch verschoben hatten: Der Aufschwung ist vor allem dem Plus im Geschäftsreisesegment zuzuschreiben. Insgesamt legten die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Verkehrsflughäfen (ADV) bis einschließlich November 2010 um fünf Prozent zu.

Winterchaos auf Flughäfen
:Erstarrt im Eis

Wer wegen des Winterwetters in deutschen Flughäfen schlafen muss, hat zwei Probleme: Es ist zu hell. Und Sessel sind Mangelware. Diese Passagiere haben Lösungen gefunden.

In Bildern.

Zwar dürfen die meisten Flughäfen davon ausgehen, dass sie auch 2011 weiter wachsen werden. Aber das Wachstum wird voraussichtlich langsamer sein als im vergangenen Jahr. Und die Szenerie wird sich deutlich wandeln.

Vor fast 20 Jahren ist der Münchner Flughafen vom alten Standort in Riem ins Erdinger Moos umgezogen. Die zweite Startbahn, die damals eröffnet wurde, ist die bislang letzte neue Piste in Deutschland gewesen. Doch bis Mitte 2012 wird sich die Lage ändern: Im Herbst 2011 geht in Frankfurt die vierte Bahn in Betrieb - nach 13 Jahren für Planung und Bau. Und im Frühsommer 2012 schließen die Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld, dann soll Berlin Brandenburg International eröffnen.

Die vierte Bahn in Frankfurt wird das Kräfteverhältnis zwischen den beiden größten deutschen Flughäfen wieder zugunsten von Frankfurt verschieben. In den vergangenen Jahren war es München gelungen, den Abstand zu Frankfurt zu verkleinern. Das lag aber nicht etwa daran, dass viele Airlines umziehen wollten. Sie hatten nur wegen der Kapazitätsengpässe in Frankfurt dort nicht weiter wachsen können. Nur darum baute Lufthansa in München ein Drehkreuz als Basis von 125 Flugzeugen aus.

Mit der vierten Bahn wird Frankfurt die stündliche Kapazität von 83 Starts und Landungen schrittweise auf bis zu 120 erweitern und damit wieder deutlich Luft nach oben bekommen. Bis zu 90 Millionen Fluggäste pro Jahr können dann abgefertigt werden, so viele wie heute in London-Heathrow. Auch Lufthansa kann dann an ihrem nach wie vor größten Standort wieder wachsen, während Konkurrenten wie Air Berlin ebenfalls darauf hoffen, dass sie zusätzliche Slots bekommen, um damit dem Marktführer besser Konkurrenz machen zu können.

Im Erdinger Moos bei München wird bis 2015 ein weiteres Terminal entstehen für 17 Millionen zusätzliche Passagiere pro Jahr. Für eine dritte Startbahn läuft das Planfeststellungsverfahren seit 2007 - nur eines ist dabei sicher: Die Anwohner leisten Widerstand. "Schon jetzt ist klar, dass die dritte Startbahn keinen Tag zu früh kommen wird", sagt Flughafen-Chef Michael Kerkloh, der fest daran glaubt, dass der Flugverkehr in den nächsten zehn Jahren um ein Drittel zunehmen wird. In München 50 Millionen Passagiere mit dem gleichen Qualitätsniveau wie heute abzufertigen, "das ist die große Herausforderung".

Noch Luft nach oben in Berlin

In Berlin werden zwar in der ersten Ausbaustufe des neuen Airports keine zusätzlichen Kapazitäten geschaffen. Dennoch ist eine der spannendsten strategischen Fragen, was die Airlines aus der Anlage machen.

Air Berlin hat angekündigt, ein Drehkreuz aufzuziehen. Die Fluggesellschaft hat einen eigenen Terminalbereich und kann dort von kurzen Umsteigezeiten profitieren. Auch Lufthansa hat sich die Hauptstadt noch einmal vorgenommen. Der bisherige Verkaufschef für Deutschland, Josef Bogdanski, ist künftig zuständig für das Vorhaben "Zukunft Berlin" und soll herausfinden, wie Lufthansa den Markt besser erschließen kann.

Bis zum Fall der Mauer durfte die Airline die Stadt nicht anfliegen, und sie hat es bis heute dort schwer. Wegen der wirtschaftlichen Strukturschwäche der Stadt gilt es allerdings als unwahrscheinlich, dass Berlin als Drehkreuz auf absehbare Zeit München und Frankfurt gefährlich wird.

© SZ vom 09.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Größte Flughäfen der Welt
:Istanbul misst sich mit den Mega-Airports

Istanbul boomt und will den größten Flughafen der Welt bauen - 150 Millionen Gäste sollen dann jährlich landen und abfliegen. Die bisherigen zehn weltgrößten Airports sind aber nicht nur groß, sondern oftmals eine Plage für Anwohner, eine Oase der Ruhe oder ein Paradies für Sportler. Eine Reise zu den Airportgiganten.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: