Süddeutsche Zeitung

Deutsche Börse:Staatsanwalt ermittelt gegen Chef der Deutschen Börse

  • Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen Carsten Kengeter, den Chef der Deutschen Börse.
  • Es geht um den Verdacht des Insiderhandels bei der angestrebten Fusion mit der Londoner Börse LSE.

Der Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, gerät mitten in den Verhandlungen über eine Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) ins Visier der Strafverfolger. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen Kengeter, weil dieser gut zwei Monate vor dem Bekanntwerden der Verhandlungen mit der LSE im großen Stil Aktien von Deutschlands größtem Börsenbetreiber gekauft hat. Aufsichtsratschef Joachim Faber stellte sich hinter Kengeter. "Die Vorwürfe sind haltlos", erklärte er am Mittwochabend. Kengeter habe die Aktien etwa einen Monat vor der Aufnahme von Fusionsverhandlungen mit der LSE erworben.

Finanzkreisen zufolge durchsuchten Ermittler wegen des Verdachts des Insiderhandels am Mittwoch Räume in der Zentrale der Deutschen Börse in Eschborn bei Frankfurt. Kengeter, der am Dienstagabend beim Neujahrsempfang des Unternehmens in London auftrat, sei selbst nicht anwesend gewesen.

Das Unternehmen erklärte, die Staatsanwaltschaft habe bei der Deutschen Börse wegen des Aktienerwerbs von Kengeter am 14. Dezember 2015 zur Umsetzung eines neues Vorstandsvergütungsprogramms ermittelt. "Das Unternehmen und der Vorstandsvorsitzende kooperieren in vollem Umfang mit der Staatsanwaltschaft." Kengeter habe die Aktien im Rahmen eines Vergütungsprogramms gekauft, das der Aufsichtsrat beschlossen habe und das bis Ende Dezember 2015 befristet gewesen sei, erklärte Faber.

Laut Geschäftsbericht kaufte Kengeter im Dezember 2015 aus eigenen Mitteln Aktien für 4,5 Millionen Euro und verpflichtete sich, diese mindestens bis Ende 2019 zu halten. Das war die Voraussetzung dafür, dass er von der Deutschen Börse im Rahmen des Vergütungsprogramms zusätzlich sogenannte Co-Performance Shares für ebenfalls 4,5 Millionen Euro bekam. Deren Wertentwicklung hängt vom Konzernüberschuss in den kommenden fünf Jahren sowie von der Aktienrendite der Deutschen Börse im Vergleich zu anderen Finanzkonzernen ab. Ausbezahlt werden sie schrittweise ab 2019. Der Aufsichtsrat wollte Kengeter einem Insider zufolge durch das Programm langfristig an das Unternehmen binden. Die Compliance- und Rechtsabteilung habe den Aktienkauf vorab geprüft und grünes Licht gegeben.

Kengeter selbst hat über den Aktienkauf im Januar 2016 in einem Zeitungsinterview offen gesprochen. Der Vermögensverwalter einer großen Bank habe die Aktien für ihn in drei Orders zu jeweils 20 000 Stück gekauft, sagte er damals, versehen mit klaren Preislimits.

Erst Ende Februar sickerten Informationen über die Fusionsgespräche durch

Der 49-jährige Kengeter, der zuvor unter anderem für die Investmentbanken UBS und Goldman Sachs gearbeitet hatte, stieß im April 2015 zur Deutschen Börse und übernahm zwei Monate später die Leitung des Unternehmens. Aufsichtsratschef Faber verpflichtete ihn in der Hoffnung, dass Kengeter bei der Deutschen Börse für neues Wachstum sorgt. Finanzkreisen zufolge begann Kengeter unmittelbar nach seinem Amtsantritt mit seinen Vorstandskollegen über Wachstumsmöglichkeiten und denkbare Fusionen und Zukäufe zu sprechen - inklusive eines Deal mit der LSE. Die konkrete Vorbereitung der LSE-Fusion und erste Sondierungsgespräche fanden Insidern zufolge allerdings erst im Januar 2016 statt - also nach Kengeters Aktienkauf.

"Erst in der zweiten Januarhälfte 2016 haben sich die beiden Chairmen und CEOs gemeinsam darauf verständigt, Verhandlungen über eine Fusion zwischen LSE Group plc und Deutscher Börse AG zu beginnen", erklärte Faber nun. Erst Ende Februar sickerten Informationen über die Fusionsgespräche durch, die beide Unternehmen schließlich bestätigten. Die Aktienkurse von Deutscher Börse und LSE zogen daraufhin deutlich an. Die Aktionäre beider Unternehmen haben sich bereits mit großer Mehrheit für den gut 25 Milliarden Euro schweren Deal ausgesprochen. Die Zustimmungen der EU-Kommission und der hessischen Börsenaufsicht, die große Bedenken gegen den Zusammenschluss hat, stehen allerdings noch aus.

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SZ vom 02.02.2017 / Reuters
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