Süddeutsche Zeitung

Deutsche Börse:Kurs halten

Der Chef der Deutschen Börse zeigt sich offen für Übernahmen, dafür hat er zwei Milliarden Euro in der Kasse. Er dämpft aber die Erwartungen an den Konzern.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Andere Konzerne präsentieren ihre Zahlen mit einem großen Paket an Papier, mit mehren Reden und langen Präsentationen und mehrseitigen Pressemitteilungen. Theodor Weimer, Chef der Deutschen Börse, fasst seine Botschaften auf sieben Seiten zusammen. Gerade hat der Aufsichtsrat seinen Vertrag um vier Jahre verlängert. Wenn nichts dazwischenkommt, bleibt Weimer noch bis Ende 2024 Konzernchef des größten Börsenbetreibers auf dem europäischen Festland. Und noch hat er allen Grund, zufrieden zu sein.

Denn die Geschäfte laufen, und unter Weimer hat die Börse alle Ziele erreicht, die sich der Vorstand gesetzt hatte. Der Chef bleibt, die Strategie ging auf, jetzt ist es wieder Zeit, für die Zukunft zu planen. Und da macht Weimer etwas, das man schon von ihm kennt: Er dämpft die Erwartungen an den Konzern und das, was er sich leisten kann und will. Er sehe keinen Anlass, "das Ruder gänzlich herumzureißen", sagte er. Das Geschäftsmodell - dazu gehören Dienstleistungen für Banken und Finanzfirmen, der Betrieb der Frankfurter Börse oder die Vermarktung von Indizes wie dem Dax - sei intakt. Die neue Strategie, die er für Ende Mai ankündigte, wird demnach keine Überraschungen bringen.

Die könnte es aber anderweitig geben. Zwei Milliarden Euro liegen für Übernahmen bereit, eine Kapitalerhöhung wäre kein Problem, und es wäre nicht teuer, sich zusätzliches Geld zu leihen. Weimer betonte, nicht den Anschluss an Konkurrenten wie die Londoner Börse LSE verpassen zu wollen. Die hatte im Sommer die 27-Milliarden-Dollar-Übernahme des Datenanbieters Refinitiv auf den Weg gebracht - einen Deal, den sich die Deutsche Börse wohl nicht hätte leisten können. Aber auch einer, der zeigt: Große Übernahmen in der Welt der Börsenbetreiber sind teuer geworden. "Wir sind keine Getriebenen", sagte Weimer, "auf dass wir jetzt einen Deal machen müssen". Mögliche Übernahmeziele - etwa im Währungshandel - will der Konzernchef sich aber stets genau anschauen.

Im vergangenen Jahr verdiente die Börse unter dem Strich 1,1 Milliarden Euro, ein Plus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Dividende soll um sieben Prozent auf 2,90 Euro pro Aktie steigen. Sorgen muss sich Weimer wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln in Sachen Cum-Ex. Die Fahnder untersuchen, inwieweit Mitarbeiter der Konzerntochter Clearstream in die Geschäfte zulasten des Fiskus eingebunden waren. Vorstand und Aufsichtsrat hätten Anwaltskanzleien mit internen Untersuchungen dazu beauftragt, sagte Weimer. Rückstellungen habe man aber nicht gebildet.

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SZ vom 19.02.2020
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