Deutsche Börse:Geschäft mit Daten

Börse in Frankfurt/Main

Aktienhändler in Frankfurt: Die Deutsche Börse erhofft sich von dem ISS-Deal einen Schub für ihr Indexgeschäft.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Ein Coup, der kritische Nachfragen provoziert: Die Deutsche Börse übernimmt einen Datenspezialisten.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Theodor Weimer stand unter Druck, aber er hatte keine Eile. Schon als er der Chefposten bei der Deutschen Börse antrat, waren Zukäufe ein Thema. Gerade war die Fusion mit der Londoner Börse spektakulär gescheitert und es blieb offensichtlich: Irgendetwas muss sich der Börsenbetreiber einfallen lassen, um seine Aktionäre langfristig glücklich zu machen. Denn das Geschäft mit dem Wertpapierhandel lässt sich nicht beliebig ausweiten, Wachstum muss man sich kaufen. "Wir sind keine Getriebenen", hatte Weimer zwar noch im Februar gesagt, "auf dass wir jetzt einen Deal machen müssen."

Aber der Druck war eben da, und er wuchs, als Weimers Konzern im Übernahmekampf um die Mailänder Börse gegen die Konkurrenz verlor. Am Dienstagabend löste sich dieser Druck auf mit einem Coup, den Weimer zu vermelden hatte. Für 1,5 Milliarden Euro, davon eine Milliarde als Kredit, will die Börse 80 Prozent der Anteile am Datenanbieter Institutional Shareholder Services (ISS) aus den USA übernehmen. Eine Firma, die vor allem von sich reden macht als sogenannter Stimmrechtsberater, der Aktionären empfiehlt, wie auf Hauptversammlungen abzustimmen sei. Sie ist aber auch eine Firma, die ein gewisses Zukunftsversprechen mitbringt.

ISS gilt als einer der wichtigsten Anbieter sogenannter ESG-Daten. Das Kürzel steht für environment, social und governance, also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung: Für die Aspekte in der Bewertung eines Unternehmens, die nicht direkt in der Gewinn- und Verlustrechnung auftauchen. Anbieter wie ISS versuchen beispielsweise in harte Daten zu übersetzen, wie Konzerne mit der Umwelt umgehen. In der Finanzindustrie ist ESG eines der größten Themen dieser Zeit: Profi-Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen legen zunehmend nach solchen Kriterien an, getrieben von besseren Daten und einer allgemein steigenden Nachfrage nach verantwortungsvollen Investments.

Die Börse erhofft sich von dem ISS-Deal einen Schub für ihr Indexgeschäft. Der Konzern, bekannt für den Leitindex Dax, vermarktet eine Vielzahl kleinerer Indizes und versteht sich immer mehr als Datenlieferant. "Gemeinsam haben ISS und die Deutsche Börse beste Voraussetzungen, um einer der weltweit führenden ESG-Akteure der Zukunft zu werden", ließ sich Weimer zitieren. Das Timing passte. Zum Investorentag am Mittwoch stellte Weimer seine neue Strategie bis zum Jahr 2023 vor, während die Aktie zeitweise mehr als vier Prozent im Plus notierte. Die Sache mit dem großen Deal wäre also erst einmal erledigt. Bleibt nur noch die Frage nach Interessenkonflikten, wenn ein börsennotierter Herausgeber von Börsenindizes zugleich Aktionären empfiehlt, wie sie auf Hauptversammlungen abstimmen sollen.

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