Süddeutsche Zeitung

Deutsche Börse:Der nächste Abgang naht

Bei der Deutschen Börse kehrt nach dem angekündigten Rücktritt von Vorstandschef Kengeter immer noch keine Ruhe ein. Jetzt geht es um den Aufsichtsratschef.

Von Meike Schreiber, Jan Willmroth, Frankfurt

Wer trägt die Verantwortung für das mutmaßliche Insidergeschäft, das Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter nicht nur die Reputation, sondern auch das Amt kostete? Gewiss nicht Kengeter alleine, das jedenfalls ließ er unlängst durchblicken. Es sei schließlich seine "moralischen Pflicht" gewesen, Aktien der Börse zu kaufen und auch den dazugehörigen Bonus anzunehmen, hatte Kengeter öffentlich gesagt. Nahegelegt hatte ihm den verhängnisvollen Kauf, der seine Verbundenheit mit dem Konzern ausdrücken sollte, sein Aufsichtsratschef: Joachim Faber.

Schon seit geraumer Zeit hatten mehrere Aktionäre deshalb durchblicken lassen, dass sie auch Faber infrage stellen. Auch wenn er vielleicht gehofft haben mag, dass er heil davonkommt, nachdem Kengeter seinen Rücktritt zum Jahresende erklärt hatte. Finanzkreise bestätigten am Donnerstag, dass nun auch Faber seinen Rückzug vorbereite. Das Handelsblatt hatte zuvor darüber berichtet. Vor angelsächsischen Großaktionären der Börse habe der 67-jährige zu verstehen gegeben, dass er sich auf der kommenden Hauptversammlung im Frühjahr 2018 zwar noch einmal wiederwählen lassen will, aber nur, um den Posten dann 2019 vorzeitig aufzugeben. Das kommenden Jahr könnte Faber nutzen, um einen Nachfolger aufzubauen. Noch ist zwar nichts entschieden, es ist nur eine Option. Mit einem solchen Schachzug könnte Faber aber seine Kritiker besänftigen und zugleich diejenigen beruhigen, die ein Führungschaos unbedingt vermeiden wollen. Im Januar stehen weitere, womöglich entscheidende Gespräche mit Investoren an. Ein Sprecher der Börse äußerte sich nicht zu Fabers Plänen.

Bei einflussreichen Aktionären war zuletzt der Unmut gewachsen. "Der Aufsichtsrat hat in dieser Geschichte komplett versagt, und das betrifft in erster Linie Faber", hieß es bei einem größeren Anteilseigner, der nicht namentlich genannt werden wollte. Er habe stets vorgegeben, die Bonus-Sache im Griff zu haben. Das sei eine Fehleinschätzung gewesen. Die Aktionäre werfen ihm außerdem vor, viel zu lange an Kengeter festgehalten zu haben, selbst als der Druck von Aufsehern und Politik bereits kaum noch zu übersehen war.

Kengeter hatte im Rahmen eines Bonus-Programms Deutsche-Börse-Aktien gekauft, und zwar rund zwei Monate vor Bekanntwerden von Fusionsgesprächen mit der Londoner Börse, was wiederum für ein deutliches Kursplus gesorgt hatte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Manager damals bereits über die Fusion verhandelte. Die Ermittlungen gegen Kengeter waren im Februar 2017 bekannt geworden. Erst Ende Oktober hatte er seinen Rücktritt zum Jahresende erklärt.

Womöglich kann Faber es sich zunutze machen, dass demnächst mehrere Wechsel anstehen. Das dürfte ihm helfen, zumindest bis 2019 im Amt zu bleiben. Im Januar folgt Theodor Weimer, Chef der Hypo Vereinsbank, auf Kengeter. Aus dem Aufsichtsrat werden bei der Hauptversammlung alleine drei Mitglieder turnusgemäß sowie eines altersbedingt ausscheiden. Mancher Aktionär wünscht sich Beständigkeit. "Der Wechsel an der Vorstandsspitze und der personelle Umbruch im Kontrollgremium machen aus heutiger Sicht eine personelle Kontinuität an der Spitze des Aufsichtsrates notwendig", sagt Ingo Speich, Fondsmanager von Union Investment. Durchsetzen werden sich aber wohl eher die großen angelsächsischen Fonds. Die Frage nach Fabers Nachfolge steht nun zumindest im Raum. Dem Vernehmen nach macht sich Gerd Häusler, Noch-Aufsichtsratschef der BayernLB, Hoffnungen auf einen der Posten im Kontrollgremium. Häusler steht nach Ablauf seines Mandats bei der Landesbank im April nicht mehr zur Verfügung, wolle sich aber "anderen Aufgaben zuwenden". Für den Chefposten im Kontrollgremium käme laut eines Großaktionärs aber eher jemand wie Roland Koch (CDU), ehemaliger hessischer Ministerpräsident und Aufsichtsratschef der Schweizer Großbank UBS in Deutschland, infrage.

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SZ vom 08.12.2017
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