Süddeutsche Zeitung

Deutsche Börse:Börse streitet mit Ex-Chef Kengeter um Millionen

Nach seinem Rücktritt kämpft der frühere Chef der Frankfurter Börse Carsten Kengeter um seinen Bonus. Der Aufsichtsrat will hohe Auszahlungen unbedingt verhindern.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Wenigstens der Machtwechsel ist geglückt. Als der neue Chef Theo Weimer zum Jahreswechsel in der Konzernzentrale in Eschborn anfing, hatte die Deutsche Börse aufregende Monate hinter sich: eine gescheiterte Großfusion, Ermittlungen wegen Insiderhandels und Markmanipulation sowie ein Frankfurter Finanzplatz, an dem viele nur noch Häme für das Unternehmen und dessen Führung übrig hatten. Zu Weimers übergeordneten Aufgaben gehört es deshalb, für etwas Ruhe zu sorgen. Ausgerechnet sein Vorgänger Carsten Kengeter tut derweil das Gegenteil.

Der ist zwar vorerst abgetaucht. Aber hinter den Kulissen verhandeln er und der Konzern seit Wochen um Millionen Euro an Bonuszahlungen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung streiten Kengeters Anwälte momentan mit dem Aufsichtsrat darüber, wie viel ihm für das vergangene Jahr zusteht und welche Summe er nach seinem unrühmlichen Abgang insgesamt mit nach Hause nehmen darf. Die Bonus-Regeln des Konzerns sind dermaßen kompliziert, dass sich das noch nicht abschätzen lässt. Fest steht: Das Experiment Kengeter war teuer für den kleinen Konzern.

Das Problem hat sich der Aufsichtsrat der Deutschen Börse selbst eingebrockt

Die Positionen beider Seiten könnten kaum weiter auseinanderliegen. Kengeter versucht offenbar das Maximum für sich herauszuholen. Er hat das Unternehmen Ende Dezember verlassen, sein Vertrag läuft aber noch bis Ende März. Der Aufsichtsrat will dagegen möglichst wenig zahlen, um nicht auch noch hohe Boni für einen gescheiterten Chef erklären zu müssen. Eine Fusion mit der Londoner Börse LSE, Kengeters wichtigstes Projekt, schlug im vergangenen Frühjahr fehl. Monatelang wehrte sich das Unternehmen zudem gegen den Vorwurf, Kengeter habe im Zuge der Fusion strafbare Aktiengeschäfte getätigt. Der Fall ist weiter in der Schwebe, doch der Image-Schaden für die Börse ist längst da. Und jetzt beansprucht der Ex-Chef auch noch einen Millionen-Bonus?

Das Problem hat sich der Aufsichtsrat selbst eingebrockt. Zu Zeiten von Kengeters Amtsantritt ließ er die Beratungsfirma hkp das System der Vorstandsvergütung überarbeiten, das daraufhin von 2016 an galt. Mit den üblichen Vorgaben: Nur wenn sie langfristig ihre Ziele erreichen, sollen die Vorstände auch höhere Boni kassieren. Aktien, die ihnen am Ende eine Geschäftsjahres zustehen, müssen sie jahrelang halten. So machen sie ihren eigenen finanziellen Erfolg stärker vom Erfolg der Firma abhängig. Über Jahre, nicht Quartale.

Wie viele Millionen dem Ex-Chef noch zustehen, ist zu einem großen Teil Auslegungssache

Es ist ein gut gemeintes System, das aber selbst Experten kaum durchschauen. Kengeter stehen 1,5 Millionen Euro Grundgehalt zu. Die erhält er auch für 2017, aber sie machen nur 30 Prozent seiner sogenannten Ziel-Vergütung aus. Die anderen 70 Prozent sind variabel und bestehen aus zwei Teilen: Zwei Drittel seines Bonus ergeben sich anhand individueller Ziele und des Umsatzwachstums. Das übrige Drittel hängt von letzterem sowie von der Aktienkursentwicklung relativ zu anderen europäischen Finanzkonzernen ab. Für beide Teile gelten wiederum unterschiedliche Regeln zur Berechnung. Der Interpretationsspielraum ist offenbar groß.

In Kengeters Fall kommt noch ein Chef-Bonus hinzu, der die ganze Misere seiner Amtszeit erst auslöste. Im Dezember 2015 kaufte er für 4,5 Millionen Euro Aktien der Börse, erhielt Aktien mit mehrjähriger Haltefrist zum gleichen Wert dazu und bekam es gute zwei Monate später mit der Staatsanwaltschaft zu tun. Die Ermittler gingen davon aus, er habe die Fusion mit London schon geplant, als er die Aktien kaufte, und verdächtigten ihn des Insiderhandels. Rein rechnerisch hätte Kengeter allein mit diesem Sonderprogramm an die 40 Millionen Euro verdienen können. Das war zwar unwahrscheinlich, veranlasste den Konzern aber, eine Gehaltsobergrenze von 9,5 Millionen Euro pro Jahr einzuziehen.

Offiziell will die Deutsche Börse das alles lieber nicht kommentieren; ebenso wenig hkp. Das Thema ist heikel. Auf detaillierte Fragen antwortet ein Sprecher der Börse, man könne zum aktuellen Stand der Gespräche keine Angaben machen: "Das ist eine Angelegenheit zwischen Herrn Kengeter und dem Aufsichtsrat." Wenn Kengeters Nachfolger Theo Weimer an diesem Mittwoch Umsatz und Gewinn für das Jahr 2017 vorstellt, wird er zu den Boni für den Ex-Chef wenig sagen können. Kengeter lässt über seinen Strafverteidiger ausrichten, er wolle sich nicht äußern. Auf ein paar Millionen mehr oder weniger kommt es ihm nicht an: In Diensten der Schweizer Bank UBS gehörte er einst zu den bestbezahlten Bankern Europas. Als Börsenchef verdiente er mehr als doppelt so viel wie sein Vorgänger Reto Francioni. Wie viel er unterm Strich in Frankfurt verdient hat, wird so schnell nicht feststehen.

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SZ vom 21.02.2018/mahu
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