Süddeutsche Zeitung

Deutsche Banken:Mit der dicken Keule gegen Paypal

Der bankeneigene Bezahldienst Paydirekt erhofft sich von seinen Gesellschaftern eine dreistellige Millionenspritze. Damit droht dem Prestigeprojekt die Zerreißprobe.

Von Heinz-Roger Dohms und Meike Schreiber, Frankfurt

Bei Paydirekt, dem Paypal-Klon der deutschen Banken, sitzt das Geld eher locker. Das wurde im Juli klar, als ein bemerkenswerter Deal zwischen dem neuen Online-Bezahldienst und dem Versandhandelskonzern Otto bekannt wurde. Demnach bietet das Hamburger Traditionsunternehmen seinen Kunden künftig die Möglichkeit, bei "Otto.de" mit Paydirekt zu bezahlen. Allerdings machen die Hanseaten das nicht umsonst - sondern lassen sich dafür mit mindestens zehn Millionen Euro entlohnen. "De facto hat sich Paydirekt also bei Otto eingekauft", sagt der Payment-Experte Jochen Siegert.

Spätestens seit diesem Geschäft fragen sich bei den beteiligten Banken viele Manager: Wie viel Geld soll das 2015 mit großen Hoffnungen gestartete Anti-Paypal-Projekt eigentlich noch verschlingen?

Die Antwort lautet: noch einiges. Das zumindest scheint nach SZ-Informationen inzwischen der feste Wille bei Paydirekt zu sein. Wie es aus mehreren Quellen heißt und aus Teilen des Gesellschafterkreises bestätigt wird, spekuliert das Management auf einen Finanzierungszuschuss in dreistelliger Millionenhöhe. Im Sparkassenlager wurde offenbar schon vorgefühlt. Allein von dort sollen angeblich mehr als 100 Millionen Euro kommen. Dabei halten die öffentlich-rechtlichen Institute grob geschätzt nur etwa 40 Prozent der Anteile. Man kann sich also ungefähr ausrechnen, wie viel Geld insgesamt fällig würde, wenn neben den Sparkassen auch die großen Privatbanken und die genossenschaftlichen Institute entsprechend ihren Anteile bei der Finanzierungsrunde mitzögen.

Um die Sprengkraft der Causa zu verstehen, muss man wissen, dass die Banken bei Paydirekt bislang in zweistelligen Millionenbeträgen kalkulierten - aber keineswegs in dreistelligen. Insidern zufolge dürften die Sparkassen in Kombinationen mit der Stuttgarter Landesbank LBBW und der hessisch-thüringischen Helaba bislang etwa 40 Millionen Euro in das Prestigeprojekt gesteckt haben. Von der DZ-Bank als Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken müssten rund 30 Millionen Euro gekommen sein, die ungefähr gleiche Summen floss wohl von den Großbanken. Dabei war allen Beteiligten klar, dass weitere Finanzspritzen nötig sein würden. Schließlich ist Paydirekt ja nichts anderes als ein Start-up - und bei fast allen Start-ups laufen in den ersten Jahren Verluste an, die gedeckt werden müssen. Bloß: Irgendwie ging man in den Banken aber von bescheideneren Summen aus.

Die deutschen Banken hatten sich deutlich mehr erhofft von ihrem neuen Bezahlverfahren

Vermutlich täte sich die Branche mit dem Ansinnen leichter, wäre Paydirekt bislang ein Erfolgsprojekt, bei dem man fest davon ausgehen kann, dass das investierte Geld irgendwann zu entsprechenden Renditen führt. Vom einst avisierten Zwischenziel, bis Ende 2017 sieben Millionen Kunden zu haben, ist das Unternehmen jedoch weit entfernt. Nach SZ-Informationen kommt Paydirekt auf ungefähr 1,3 Millionen registrierte Nutzer - wobei die Wachstumskurve zuletzt sogar abflachte. Zur Einordnung: Paypal zählt in Deutschland etwa 19 Millionen Kunden. Das Kalkül war eigentlich, dass sich die Nutzer - sobald sie die Möglichkeit haben, zwischen einem deutschen und einem amerikanischen Anbieter zu wählen - immer häufiger für die einheimische Variante entscheiden. Die meisten Internet-Shops jedoch bieten Paydirekt bis heute nicht an. Auch jene Kunden, die sich tatsächlich mal für das neue Bezahlverfahren angemeldet haben, können es in vielen Fällen also gar nicht nutzen. Das Handelsforschungsinstitute EHI kam im Frühjahr zu einem ernüchternden Ergebnis: Von den 1000 umsatzstärksten deutschen Internethändlern hatten nur 45 Paydirekt tatsächlich eingebunden; inzwischen dürften es zwar ein paar mehr sein, aber der Durchbruch steht noch aus. Dabei ist schwer zu erkennen, worauf die deutsche Paypal-Kopie ihren strategischen Fokus legt - eher darauf, möglichst viele Shops zu akquirieren, um Paydirekt beim Endkunden bekannter zu machen? Oder eher darauf, sehr schnell viele Endkunden zu gewinnen, um den Druck auf die Händler zu erhöhen? Das Otto-Geschäft war zwar eine Erfolgsmeldung. Aber sie war eben auch teuer erkauft. Wiederholen ließen sich solche Husarenstücke nur, wenn die Banken und Sparkassen tatsächlich dazu bereit wären, hohe Summen nachzuschießen. Doch sind sie das?

Was zuletzt auffiel: Nachdem sich die Sparkassen im vergangenen Jahr als letzte der drei großen Bankengruppen dazu durchringen konnten, bei Paydirekt mitzumachen, marschierten sie zuletzt entschlossen voran. Das geht sogar so weit, dass die kommunalen Ortsbanken derzeit Millionen ihrer Kunden für Paydirekt quasi zwangsweise registrieren. Von Datenschützern kam dezente Kritik, doch das ficht im Sparkassenlager momentan niemanden an. Es geht um zu viel, als dass man auf datenschutzrechtliche Befindlichkeiten Rücksicht nehmen könnte. Dabei wirbt Paydirekt sogar damit, dass es sich um ein deutsches System handelt, das sensible Daten vermeintlich besser schützt.

Ist das Engagement der Sparkassen der Grund dafür, dass die Idee der Finanzierung allem Anschein nach zunächst dort platziert wurde? Mag sein. Aus Gesellschafterkreisen heißt es indes, der Wille, bei Paydirekt mit hohen Millionensummen voranzugehen, sei bei den Sparkassen eher schwach ausgeprägt. Und was sagt Paydirekt? Das Unternehmen teilte mit, die genannten Zahlen seien falsch. Zudem ordne man "Informationen falsch ein". In Teilen des Gesellschafterkreises, hört sich das, wie gesagt, ganz anders an.

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Quelle:
SZ vom 06.09.2017
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