Deutsche Bank:Zweifel an der Doppelspitze

Keine Skandale und keine Affären mehr, dafür ein neuer Wertekanon: Als neuer Co-Chef der Deutschen Bank rief Jürgen Fitschen den "Kulturwandel" bei dem Institut aus. Doch nun ermittelt die Staatsanwaltschaft. Großaktionäre denken bereits über mögliche Nachfolger für ihn und Co-Boss Jain nach.

Von Klaus Ott und Andrea Rexer

Eigentlich haben die beiden Vorstandschefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, den "Kulturwandel" ausgerufen: Die Bank will sich nicht mehr länger von Affäre zu Affäre hangeln, nicht länger als böser Bube dastehen und hat sich deshalb sogar einen neuen Wertekanon verpasst. Doch jetzt muss das Kreditinstitut einen herben Rückschlag hinnehmen.

Die Staatsanwaltschaft München verdächtigt Fitschen der Falschaussage im Rechtsstreit mit Leo Kirchs Erben und hat Ermittlungen gegen ihn wegen versuchten Prozessbetrugs eingeleitet. Darüber hinaus geht die Staatsanwaltschaft inzwischen auch gegen die Bank selber vor, wie die Süddeutsche Zeitung aus Kreisen von Verfahrensbeteiligten erfuhr. Die Ermittler haben ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren gegen die Bank eingeleitet, das zu einer Geldbuße führen kann. Die Bank, so der Verdacht, könnte ihre Pflichten verletzt haben. Gemeint ist offenbar, dass die Geschäfte nicht ordentlich geführt worden wären, sollte sich der Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs und entsprechender Absprachen unter den Vorständen der Deutschen Bank bestätigen.

Großaktionäre rücken ab

File photo of Fitschen Co-CEO of Deutsche Bank

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Jürgen Fitschen und gegen die Bank selbst.

(Foto: Ralph Orlowski/Reuters)

Die Bank dementierte am Dienstag, dass gegen sie ein Verfahren laufe. Auf Anfrage der SZ bestätigte die Münchner Staatsanwaltschaft jedoch die Ermittlungen. Man habe wegen "Fehlverhalten" von Fitschen und seinem Vorgänger Josef Ackermann ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren gegen die Bank eingeleitet und das Institut am 10. Oktober darüber unterrichtet. Am 18. Oktober habe die Bank deshalb bei der Ermittlungsbehörde um Akteneinsicht gebeten, um dazu Stellung nehmen zu können, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Dienstagabend.

Angesichts der jüngsten Ermittlungen rücken nach Angaben von Reuters bereits erste Großaktionäre der Bank von Jain und Fitschen ab. "Das rührt an den Grundfesten des Vertrauens in die Bank", sagte einer der größten Anteilseigener. Ein anderer aus dem Kreis der fünf größten Aktionäre macht sich der Nachrichtenagentur zufolge schon Gedanken über potenzielle Nachfolger: "Bei anderen Häusern sind ,unbelastete' Banker aus dem Privatkundengeschäft hochgerückt. Wir könnten uns deshalb auch gut Finanzchef Stefan Krause und Privatkundenchef Rainer Neske als Doppelspitze vorstellen."

Dass die Ermittler nun auch gegen die Bank selber ermitteln und nicht nur gegen einzelne Manager wie Fitschen und die beiden Ex-Chefs Josef Ackermann und Rolf Breuer, ist eine Folge des komplexen Kirch-Verfahrens. Der inzwischen verstorbene Medienunternehmer Kirch beschuldigte die Bank und vor allem Breuer schon vor Jahren, für die Pleite seines Konzerns verantwortlich zu sein. Die Ermittler haben nach Angaben von Verfahrensbeteiligten bei ihren Durchsuchungen viele belastende E-Mails, Schriftsätze und Vorstands-Vorlagen gefunden. Sie legen nahe, dass Zeugenaussagen im Kirch-Prozess abgesprochen worden sein könnten, um Schadensersatzzahlungen an Kirch zu verhindern. Kenner der Ermittlungen werten das Verfahren gegen die Bank als Indiz, dass die Staatsanwaltschaft die Beschuldigten oder zumindest einige von ihnen anklagen will. Sonst, so der Hinweis, hätte sich das Vorgehen gegen die Bank erübrigt.

"Daran kann ich mich nicht erinnern"

Im Rahmen des Kirch-Prozesses mussten sämtliche Vorstände in München vor Gericht aussagen - unter ihnen Fitschen. Anders als die anderen Befragten hatte er sich jedoch weitgehend der Aussage enthalten. Oft ließ er vor Gericht den Satz fallen: "Daran kann ich mich nicht erinnern." In Finanzkreisen, aber auch im Kirch-Lager, wurde dies als Grund genannt, warum die Staatsanwaltschaft zunächst zwar gegen die anderen Ex-Vorstände ermittelte, nicht aber gegen Fitschen. Doch bereits im April trug die Staatsanwaltschaft ihn dann als Beschuldigten in die Akten ein.

Ausschlaggebend dafür war offenbar ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München von Ende 2012. Das OLG entschied, die Bank müsse Kirchs Erben Schadensersatz zahlen. In dem Urteil rügte das Gericht mehrere Spitzenleute der Bank für deren Zeugenaussagen, darunter Fitschen. Was dieser vor dem OLG ausgesagt habe, sei "schlicht inkonsistent". Fitschens Erinnerung an den Umgang des Geldinstituts mit dem Kunden Kirch sei teilweise "ersichtlich unrichtig" gewesen.

Seit mehr als gut zwei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Ackermann & Co. In Kreisen von Verfahrensbeteiligten wird erwartet, dass die Staatsanwaltschaft Anfang 2014 entscheidet, ob angeklagt wird - oder nicht. Die Deutsche Bank weist die Vorwürfe der Münchner Ermittler zurück: "Wir sind davon überzeugt, dass sich die Vorwürfe als haltlos erweisen werden", sagte ein Sprecher.

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