Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:"Zu keinem Zeitpunkt gelogen oder betrogen"

  • Deutsche-Bank-Chef Fitschen ist dran: Er kann im Verfahren wegen angeblichen Prozessbetrugs im Kirch-Prozess erklären, warum die Vorwürfe gegen ihn falsch sein sollen.
  • Fitschen sagt, dass er im Kirch-Streit "zu keinem Zeitpunkt gelogen oder betrogen" habe.

Von Klaus Ott

Auf diese Gelegenheit hat Jürgen Fitschen lange warten müssen. Zuletzt drei Wochen seit Beginn des Verfahrens vor dem Landgericht München I gegen den Co-Chef der Deutschen Bank und vier seiner ehemaligen Vorstandskollegen wegen versuchten Prozessbetrugs im Fall Kirch. Und davor viele Monate lang seit Erhebung der Anklage. Jetzt endlich ist Fitschen dran und kann in aller Deutlichkeit und im Detail erklären, warum die Vorwürfe gegen ihn falsch seien. Warum er zu Unrecht vor Gericht stehe. Diese Gelegenheit kommt gerade noch rechtzeitig vor der Hauptversammlung des größten deutschen Geldinstituts am Donnerstag, bei der mit teils vehementer Kritik von Aktionären zu rechnen ist: wegen der bescheidenen finanziellen Lage und wegen der vielen Affären.

Was er zu sagen hat, fasst Fitschen am Montag in Saal b 273/II des Münchner Justizzentrums in einem Satz zusammen. Er habe im Kirch-Streit "zu keinem Zeitpunkt gelogen oder betrogen", und er habe das auch nicht versucht. Der Co-Chef der Deutschen Bank liest eine vorbereitete Erklärung vor, die mit einer Art Appell an Peter Noll endet, den Vorsitzenden der fünften Strafkammer am Landgericht München I, und an dessen Kollegen. Die Richter könnten nunmehr "vielleicht verstehen, warum ich die gegen mich erhobenen Vorwürfe nicht nachvollziehen kann". Noll äußert jedoch kein Verständnis, natürlich nicht. Die Beweisaufnahme, auf die alles ankommt, hat noch gar nicht begonnen.

Niederlage für die Verteidigung

Aus diesem Grund lehnt die Kammer vor Fitschens Erklärung auch das Ansinnen der vielen Verteidiger der insgesamt fünf Angeklagten ab, einen "rechtlichen Hinweis" zu geben, um welche Vorwürfe es denn eigentlich gehe. Das werde doch in der Anklage beschrieben, entgegnet Noll kühl und weist den vor zwei Wochen gestellten Antrag zurück. Die Anwälte dringen auch mit ihrem Begehren, ihre Hauptgegnerin, Oberstaatsanwältin Christiane Serini, möge aus dem Verkehr gezogen werden, bei Gericht nicht durch. Dass Serini im Verlaufe des Verfahrens zwischendurch als Zeugin über ihre Ermittlungen berichten soll, ist für Noll überhaupt kein Grund, die Oberstaatsanwältin als Chef-Anklägerin ablösen zu lassen.

Nach den ersten Niederlagen der Verteidigung haben die Angeklagten das Wort. Fitschen, dessen Vorgänger Josef Ackermann sowie die Ex-Vorstände Clemens Börsig und Tessen von Heydebreck, machen davon reichlich Gebrauch. Nur der einstige Bankchef Rolf Breuer, der Anfang 2002 mit einem Fernseh-Interview über die finanzielle Notlage des Kreditkunden und Medienmagnaten Leo Kirch das ganze Schlamassel ausgelöst hatte, schweigt einstweilen.

Wortreich erklären Fitschen und die meisten seiner Ex-Kollegen, warum sie in Kirchs letztem großen Schadensersatzprozess gegen die Bank vor dem Oberlandesgericht (OLG) München mitnichten versucht hätten, die Justiz zu täuschen. Fitschen beteuert, er habe bei seiner Aussage vor dem OLG Mitte 2011 nur noch eine "verblassende Erinnerung" an die Ereignisse Anfang 2002 gehabt. Er, Fitschen, habe dem OLG wahrheitsgemäß berichtet, die Bank habe damals wissen wollen, "wo Kirch steht". Ob der Film- und Fernsehunternehmer Beratung wünsche. Man habe aber keinen Auftrag von Kirch angestrebt, Teile seines Imperiums zu verkaufen, berichten Fitschen und seine ebenfalls redewilligen drei Ex-Kollegen jetzt vor dem Landgericht.

"Kein Schuldeingeständnis"

So sieht das aber die Staatsanwaltschaft: Die Deutsche Bank habe Kirch mit Breuers TV-Interview unter Druck setzen wollen, um dessen Imperium zerlegen und dran verdienen zu können. Und als das OLG dem nachgegangen sei, hätten sich Fitschen & Co. mehr oder weniger abgesprochen und wahrheitswidrig versucht, das abzustreiten. Alles Unsinn, entgegnen Ackermann, Börsig, Fitschen und Heydebreck jetzt vor dem Landgericht. Kirchs wirtschaftliche Probleme seien zum Zeitpunkt von Breuers TV-Interview längst bekannt gewesen, sagt Fitschen. Die Bank, so seine feste Überzeugung bis heute, habe den Medienkaufmann nicht geschädigt.

Fitschens Vorgänger Ackermann äußert sich genauso deutlich. Er sei vor seinem Auftritt am OLG "nicht trainiert" worden, ihm sei von der Bank und deren Juristen "nichts in den Mund gelegt" worden. Es habe entgegen der Anklage keine Absprachen gegeben, um die Justiz in die Irre zu führen. Ackermann betont, er habe vor dem OLG "nach bestem Wissen und Gewissen" über den Fall Kirch berichtet. Das nehmen alle Angeklagten für sich in Anspruch, die jetzt vor Gericht reden. Dass die Bank den Erben und Gläubigern des inzwischen verstorbenen Kirch 925 Millionen Euro Schadensersatz zahlte, betrachtet keiner der Banker als Schuldeingeständnis. Es sei nur darum gegangen, den "reputationsschädigenden" Kirch-Prozess zu beenden.

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SZ vom 19.05.2015/hgn
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