Deutsche Bank:"Wir wissen, dass Sie enttäuscht sind"

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Hauptversammlung der Deutschen Bank: Co-Vorstandsvorsitzender Anshu Jain in Frankfurt am Main (Foto: dpa)
  • Die Kritik an der Deutschen Bank ist groß - auch bei der eigenen Aktionärsversammlung.
  • Noch in der Nacht hat die Deutsche Bank ihren Vorstand umgebaut, um die Führungsspitze zu schützen.
  • Einflussreiche Aktionärsberater empfehlen, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten. Eine abgelehnte Entlastung kommt einen Vertrauensentzug gleich und wäre ein Novum bei der Deutschen Bank.

Von Meike Schreiber und Harald Freiberger, Frankfurt

Was bleibt Aufsichtsratschef Paul Achleitner jetzt anderes übrig, als Asche auf sein Haupt zu streuen? Lässt sich die Lage der Deutschen Bank - mieser Aktienkurs, Reputation kaputt, tägliche Kritik von Aktionären - doch nicht mehr durch Imagefilme übertünchen, die zu Beginn der Veranstaltung zu schmissiger Musik über eine Leinwand in der sorgfältig ausgeleuchteten Festhalle laufen. "Keine Frage: Das öffentliche Bild der Deutschen Bank ist heute stark angeschlagen" - mit diesen Worten eröffnet Achleitner an diesem Donnerstag die Hauptversammlung der Deutschen Bank in Frankfurt. Die rund 9000 Aktionäre auf den Rängen sollen merken: Der Oberaufseher hat verstanden. Niemand könne mit dem äußeren Bild der Bank und mit ihrem Aktienkurs zufrieden sein. Positives sei von einer Vielzahl von Rechtsfällen in den Schatten gestellt worden. Es sei Aufgabe der Bank, "die unrühmliche Vergangenheit konsequent aufzuarbeiten". Aber: "Letztlich sind wir kein Scherbengericht."

Seit die Deutsche Bank vor vier Wochen eine neue Strategie beschloss - in erster Linie den Verkauf der Postbank - vergeht kaum ein Tag, an dem sich nicht einflussreiche Aktionäre oder Stimmrechtsberater mit Kritik an der Bank zu Wort meldeten. Scharmützel wie in den vergangenen Jahren, als einmal Blockupy-Aktivisten die Rede von Co-Chef Anshu Jain störten oder die Truppen von Medienmogul Leo Kirch die Veranstaltung des größten deutschen Kreditinstituts in die Länge zogen, wären für Anshu Jain und Co-Chef Jürgen Fitschen an diesem Tag wohl fast willkommen.

"Wer den Vorstand entlastet, dem ist nicht zu helfen"

Statt dem dümpelnden Aktienkurs auf die Sprünge zu helfen, fiel dieser nach Bekanntgabe der Strategie tagelang - der Börsenwert der Deutschen Bank löste sich um weitere 3,5 Milliarden Euro auf. Viele Aktionäre hatten sich einen größeren Wurf, zum Beispiel die Abspaltung des gesamten Privatkundengeschäfts erhofft, kritisierten die hohen Kosten für Rechtsstreitigkeiten und die Verfehlung der gerade erst vor drei Jahren ausgerufenen Strategie.

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Zahlreiche einflussreiche Aktionärsberater hatten daher im Vorfeld der Veranstaltung empfohlen, dem Vorstand und teilweise auch Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern - ein Novum in der Geschichte der Bank. "Wer den Vorstand entlastet, dem ist nicht zu helfen", sagt am Donnerstagmorgen auch eine Kleinaktionärin in der Festhalle. Aktionärsschützer Hans-Martin Buhlmann ruft Jain und Fitschen zu: "Ich möchte das T im Wort ,entlasten' durch ein S ersetzen und Sie entlassen." Und Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger fragt: "Herr Jain, sind Sie die Lösung der Bank oder das Problem - oder beides?"

Jains' letzte Chance

Als eine Art Befreiungsschlag hatte sich die die Bankführung noch in der Nacht zum Donnerstag zu einem hektischen Vorstandsumbau durchgerungen, um die Führungsspitze zu schützen. So wird zum Beispiel Rechtsvorstand Christian Sewing das Privatkundengeschäft von Rainer Neske übernehmen, der die Bank verlässt, weil er die Strategie nicht unterstützte. Strategie- und Finanzvorstand Stefan Krause übernimmt die Verantwortung für den Zahlungsverkehr und die Handelsfinanzierung sowie die konzerninterne Bad-Bank. Seinen bisherigen Vorstandsposten für Strategie übernimmt zusätzlich Jain. Vor allem die Bedeutung von Jain strich der Aufsichtsrat damit heraus: Weil er nunmehr verantwortlich ist für die Umsetzung der neuen Strategie, heißt das aber auch: Jain wird daran gemessen werden, es ist seine letzte Chance

Trotz aller Kritik stärkt Achleitner dem Führungsduo auf der Hauptversammlung daher nun erneut deutlich den Rücken. "Alle berechtigte und unberechtigte Kritik darf nicht davon ablenken, mit welchem Engagement und auch Frustrationstoleranz sich die Vorstandsmitglieder einbringen", sagt Achleitner. Dafür gebühre ihnen und ihren Familien Dank. Es gibt dünnen Applaus.

Jain hingegen hält seine Rede dann lieber doch auf Englisch. "Weil jedes Wort zählt, wähle ich heute meine Muttersprache", sagt er. Für die Aktionäre wird die Rede zwar simultan übersetzt, das Ganze wirkt dadurch aber ein klein wenig künstlich. "Wir wissen, dass sie enttäuscht sind. Jürgen und mir und den Vorstandskollegen geht es genauso", versucht Jain es mit einer kleinen Charmeoffensive, erntet aber nur ein paar Lacher im Podium.

Und auch Jain gibt in seiner Rede zu, dass er wichtige Ziele nicht erreicht habe. "Wir haben uns sehr viele geschäftliche Optionen offen gelassen", sagt er. Das sei nicht durchzuhalten gewesen, weil die regulatorischen Anforderungen viele Geschäfte teurer machten. "Meine Damen und Herren, wir wissen, dass Sie enttäuscht sind". Als er vor drei Jahren antrat, wollte er anderen Großbanken Geschäft vor allem im Investmentbanking abnehmen. Während Institute wie die Schweizer UBS sich aus vielen Bereichen verabschiedeten, machte die Deutsche Bank aber erfolglos weiter. Das drückte auf Gewinne und Aktienkurs. Es ist das Eingeständnis des Scheiterns.

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Den Privatkundenvorstand Neske - der als größter Verlierer der neuen Strategie gilt - verabschiedet Jain mit warmen Worten: "Rainer, ich darf Dir für Deine wertvollen Beiträge und viele Jahre der Partnerschaft danken. Wir wünschen Dir von Herzen alles Gute für die Zukunft." Neske steht kurz auf, die Aktionäre spenden ihm Applaus. Mit ihm geht der Mann, der im Vorstand am stärksten den traditionellen Banker verkörperte.

Neue Strategie sei nicht der große Wurf

Die Aktionäre zollen dem jedoch nicht wirklich Beifall: Mit den Personalentscheidungen sei zwar ein Anfang gemacht. "Aber: Warum haben Sie erst so spät gehandelt?", fragt Fondsmanager Ingo Speich von der genossenschaftlichen Union Investment. An die Adresse von Jain sagt er: "Dass Sie sich künftig selbst um die Strategie und ihre Umsetzung kümmern wollen, Herr Jain, ist ein längst überfälliger Schritt!" Gleichwohl lasse die Entscheidung zur neuen Spitze des Privatkundengeschäfts tief blicken. "Welche Bedeutung kommt dem Privatkundengeschäft künftig eigentlich noch zu?". Die Fondsgesellschaft, die 0,9 Prozent der Aktien hält, werde den Vorstand daher nicht entlasten.

Klaus Nieding von der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz kritisiert, die neue Strategie sei bei weitem nicht der vom Kapitalmarkt fast schon sehnsüchtig erwarteten große Wurf einer Trennung von Privatkunden und Geschäftskundenbank, sondern "von allem ein wenig, aber vor allem keine Vision". Zudem traue man den Ankündigungen des Managements nicht mehr über den Weg. Nieding will daher eine Sonderprüfung durchsetzen, um zu prüfen, ob die Rückstellungen für Strafzahlungen denn nun ausreichten.

Wie die Sache ausgeht, wird sich wohl erst am späten Donnerstagabend entscheiden. Angesichts einer Präsenz von gut einem Drittel ist für die Entlastung formal nur eine Zustimmung von rund 15 Prozent nötig - ein Wert, den Jain und Fitschen schaffen könnte. Doch was wäre das für ein Zeichen - gilt doch normalerweise schon eine Ablehnung von zehn Prozent als Ohrfeige für Management und Aufsichtsrat.

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