Deutsche Bank: Jain für Ackermann?:Kronprinz was there

Ist das der Ackermann der Zukunft? Anshu Jain, Favorit für die Nachfolge des Deutsche-Bank-Chefs, tritt in Frankfurt auf. Manche zweifeln, ob ein Englisch sprechender Inder der Richtige für den Job ist.

Harald Freiberger, Frankfurt

Das also soll er sein, der Ackermann der Zukunft. Schlanke Gestalt, dunkler Teint, erste graue Strähnen im schwarzen Haar, zurückhaltende Gesten. Anshu Jain, 47, geboren in Indien, Investmentbanking-Chef der Deutschen Bank in London, seit wenigen Monaten als Favorit für die Nachfolge von Vorstandschef Josef Ackermann gehandelt, hat auf der Euro Finance Week seinen ersten großen Auftritt in der Stadt, in der die Zentrale sitzt.

Es gibt noch nicht viele Bilder von ihm, deshalb haben sich die Fotografen mit ihren langen Objektiven vor der Bühne postiert. Jain redet 20 Minuten, manchmal legt er eine Kunstpause ein und blickt ins Publikum. Wenn er kurz die Hand hebt, macht es hundertfach Klick. Es kann nicht schaden, Fotos von ihm im Archiv zu haben.

Die Rede, die er schnell herunterliest, ist ein Ritt durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Investmentbankings. Jain gesteht Fehler seiner Branche ein und gelobt Besserung. Er zitiert den spanischen Philosophen Santayana: "Wer sich nicht an seine Vergangenheit erinnert, ist verdammt, sie zu wiederholen." Er prophezeit dem Investmentbanking gute Aussichten und vergisst nicht, seinen Chef zu loben, der die Bank hervorragend durch die Krise geführt habe.

Eine hochpolitische Institution

Im Übrigen hält er seine Rede vom ersten bis zum letzten Satz in Englisch. In dieser Tatsache konzentrieren sich die Zweifel, ob das überhaupt geht: Ein englisch sprechender Inder, der sein Leben lang nichts anderes als Investmentbanking gemacht hat, soll Chef der Deutschen Bank werden, die in Deutschland viel mehr ist als die größte Bank des Landes.

Sie ist ein Symbol des Kapitalismus, eine hochpolitische Institution. Und jemand, der gar nicht deutsch spricht, soll da alle Zwischentöne finden, soll mit Politikern reden, sie für die Interessen der Deutschen Bank einnehmen. Man erinnert sich, in wie viele Fettnäpfchen in den ersten Jahren seiner Amtszeit der Schweizer Josef Ackermann trat, dessen Muttersprache Deutsch ist.

Er wurde damals von einem Kommunikationschef aus London beraten, der nicht verstand, was die Deutsche Bank für die Deutschen bedeutet. Seit drei Jahren macht es ein Deutscher, mit ihm ist es besser geworden. Am Montag bekam Ackermann den Preis Banker of the year verliehen.

Ein großes Problem hinter den Kulissen

Das Interessante ist, dass Ackermann seinen Nachfolger selbst aussucht. Das gab er im Mai auf der Hauptversammlung indirekt zu, als er sagte, er sei "seit Monaten in intensiven Gesprächen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig über dieses Thema".

Eigentlich ist es die Aufgabe des Aufsichtsrats, aber diese Chance hat Börsig vertan, als er sich vor eineinhalb Jahren selbst für den Posten ins Spiel brachte. Die Folge war, dass Ackermann seinen Vertrag noch einmal um drei Jahre bis 2013 verlängerte. Die Nachfolgersuche nimmt er selbst in die Hand. Er wird sich dabei gut an seine ersten Jahre erinnern und sich fragen, ob das geht mit Anshu Jain.

Diskussion zur Unzeit

Die frühe Nachfolgediskussion, die Ackermann selbst heraufbeschworen hat, kommt der Deutschen Bank ungelegen. Offiziell heißt es, die Frage stelle sich noch gar nicht, Ackermann genieße gerade die Früchte seiner Arbeit, an ein Aufhören sei nicht zu denken.

Doch hinter den Kulissen hat Ackermann ein großes Problem zu lösen. Denn eigentlich führt an Jain kein Weg vorbei. Er ist neben Ackermann mit Abstand das profilierteste Mitglied im Vorstand, er hat über Jahre die höchsten Gewinne abgeliefert. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es mehr als 90 Prozent. Nur einmal war das Investmentbanking seit 2000 in Jains Amtszeit überhaupt in den roten Zahlen, das war im Finanzkrisenjahr 2008.

Gefahr der Aufruhr

Der Inder gilt als "Regenmacher", als einer der besten Finanzhändler auf der ganzen Welt. So jemanden kann man nicht übergehen - oder nur um den Preis, dass er das Unternehmen verlässt. Das aber würde in der wichtigsten Sparte der Deutschen Bank für Aufruhr sorgen.

Ackermanns Problem ist, dass er im Vorstand sonst niemanden aufgebaut hat. Die möglichen deutsch sprechenden Kandidaten sind gut und solide. Finanzchef Stefan Krause, der 2008 von BMW kam, trat zuletzt immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit, weil er die Zahlen präsentiert und die Kapitalerhöhung durchzog.

Privatkundenvorstand Rainer Neske verantwortet das Ressort, das mit der Übernahme der Postbank wichtiger wird. Risikovorstand Hugo Bänziger hat den Vorteil, wie Ackermann Schweizer zu sein und zeigte sich in den letzten Monaten auffallend oft in der Frankfurter Finanzszene. Hermann-Josef Lamberti, verantwortlich für Personal und EDV, kennt jede Ecke der Bank. Sie haben alle ihre Vorteile, aber als Ackermanns Nachfolger drängt sich keiner auf.

"Der beste Torjäger muss nicht automatisch Kapitän sein"

Aus dem Umfeld der Bank ist zu hören, das Rennen sei völlig offen, jeder könne es werden. Keineswegs sei die Wahl schon auf Jain gefallen. "Der beste Torjäger muss nicht automatisch Kapitän sein", heißt es. Eine Möglichkeit, die immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist die Doppelspitze: Jain könnte ein gleichberechtigter Nebenmann als Botschafter für die deutsche Politik und Öffentlichkeit zur Seite gestellt werden.

Dagegen aber spricht die Führungskultur der Deutschen Bank. "Sie hatte in den letzten Jahrzehnten immer herausragende Vorstandschefs", sagt der Frankfurter Bankenprofessor Martin Faust. Bei zwei Verantwortlichen bestehe stets die Gefahr, dass sie sich gegenseitig blockieren. Deshalb glaubt er, dass "die Deutsche Bank am Ende eine Person brauchen wird, die die klare Führung übernimmt".

Jain wird nach seiner Rede schnell von Journalisten umringt. Einer fragt ihn auf Englisch, was dran sei an seiner Nachfolge von Ackermann.

"No comment", sagt er.

Ein anderer fragt auf Deutsch: "Wie lange bleiben Sie in Frankfurt?" Keine Reaktion. "Fahren Sie auch nach Berlin?" Keine Reaktion. "Treffen Sie deutsche Politiker?" Da lacht Jain laut und zieht mit einem "Thank you" ab. Er hätte auch "danke" sagen können.

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