Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Vorerst Entwarnung

Das größte deutsche Finanzinstitut braucht keinen Staatseinstieg, versichern die Konzern-Manager den Aktionären. Deren Kritik fiel in diesem Jahr etwas milder aus.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Paul Achleitner muss zwar stets heftige Kritik einstecken, wenn er sich jährlich im Mai auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank den Aktionären stellt - doch das schockiert den Aufsichtsratschef des Kriseninstituts in der Regel wenig. Im Gegenteil: Er scheint das Rampenlicht auch immer ein wenig zu genießen, die große Bühne der Frankfurter Messehalle, seine Rolle als Versammlungsleiter, die angespannte Atmosphäre.

Man nimmt es dem Österreicher daher durchaus ab, dass er sich dieses Jahr Corona-bedingt um dieses Vergnügen betrogen sieht. Denn auch die Hauptversammlung der Deutschen Bank wurde dieses Jahr ins Internet verlegt, wie die vieler Konzernen. "Mir fehlt die Dynamik einer Präsenzveranstaltung, aus der ich als Versammlungsleiter auch immer Energie ziehe", sagt Achleitner am Mittwoch auf der Online-Hauptversammlung. Er steht dabei am Pult im großen Sitzungssaal der Deutschen Bank in Frankfurt. Sein Publikum vor Ort ist überschaubar, Vorstandschef Christian Sewing, Finanzchef James von Moltke und Privatkundenvorstand Karl von Rohr sind da, der Notar, einige Kameraleute. Achleitners Eröffnungsrede verhallt unkommentiert durch Applaus oder Buhrufe. Die übrigen Aufsichtsräte und Vorstände können sich ebenso einwählen wie die Anteilseigner. Die Fragen der Aktionäre werden vorgelesen.

Immerhin wollen Achleitner und die Vorstände alle 366 vorher eingereichten Fragen beantworten, dazu waren sie nicht verpflichtet nach den neuen Corona-Gesetzen. Wenn der Redner am Pult wechselt, wischt ein Mann mit Maske das Mikrofon ab. Das alles dauert, aber natürlich geht es dennoch schneller als in der Messehalle. Und: Die Bank kann die Fragen sortieren und bündeln und somit die besonders unangenehmen Fragen zu Geldwäsche-Risiken, Cum-Ex-Steuertricks und Rechtsrisiken in den späten Nachmittag schieben, wenn vielleicht nicht mehr so viele zuhören.

Achleitners düsteres Szenario

Und auch sonst dürften die Corona-Krise und die Verlegung der Hauptversammlung ins Internet der Bankführung durchaus zupasskommen. Denn wer wird es dem Institut in so einer Lage übel nehmen, dass es womöglich einige der ehrgeizigen Ziele verfehlt, die man sich im Juli 2019 gesetzt hat. Damals hat Sewing den x-ten tief greifenden Konzernumbau angekündigt.

Aufsichtsratschef Achleitner jedenfalls zeichnet ausführlich ein düsteres Bild der Corona-Krise. Sie stelle alles in den Schatten, "was Menschen meiner Generation in ihrem Berufsleben erlebt haben". Ob Asien- und Russlandkrise, ob der Kollaps des Neuen Markts oder die Finanzkrise vor zwölf Jahren - alles scheine zu verblassen "angesichts dessen, was wir zuletzt erlebt haben und worauf wir uns wahrscheinlich noch einstellen müssen".

Auch Bankchef Sewing betont, dass sich der Aktienkurs zwar bis Februar auf knapp über zehn Euro erholt habe, dass er sich im vergangenen Jahr zeitweise sogar besser entwickelt habe als der von fast allen anderen Banken im europäischen Branchenindex. Deswegen sei bei ihm eigentlich "so etwas wie Vorfreude" aufgekommen mit Blick auf die Hauptversammlung - bis die Corona-Krise die Aktienkurse weltweit abstürzen ließ.

Es passt, dass sich die Bank in der Corona-Krise nun als noch unabkömmlicher verkauft als sonst schon, allen voran als Kreditgeberin und damit Retterin der heimischen Wirtschaft. In den vergangenen Jahren habe man immer wieder darüber diskutiert, ob es in Deutschland und Europa internationale Banken brauche, die hier auch ihren Sitz haben, sagt Achleitner. Diese Frage stelle sich nun nicht mehr, "nachdem überall wieder Grenzen hochgezogen werden - erst im Handelsstreit und nun in der Corona-Krise". Wenn es stürmisch werde, sei Wirtschaftspolitik schnell wieder vor allem national, im besten Fall noch europäisch, aber sicher nicht mehr global. "Das finde ich persönlich bedauerlich, ist aber leider Realität", sagt er. Belege dafür, dass sich außereuropäische Banken zurückziehen, gibt es zwar noch nicht, und die US-Banken betonen, dass sie deutschen Unternehmen weiter zur Seite stehen. Es klingt aber gut im Livestream.

Die Kritik der Aktionäre fällt in diesem Jahr zwar einen Hauch milder aus. Unangenehme Fragen aber gibt es auch jetzt wieder zuhauf: Warum steht die Bank immer noch in der Kritik? Warum sind die Boni so hoch? Wie läuft der Konzernumbau? Wann wird die Deutsche Bank wieder einen Ruf genießen, wie sie ihn im letzten Jahrtausend noch hatte? Ist man mit dem Aktienkurs zufrieden? Und nicht zuletzt: Wie kann es sein, dass die New Yorker Niederlassung der US-Notenbank Fed am 31. März wieder einen kritischen Bericht über die Kontrollsysteme der Bank in den USA verfasst hat?

Bitte Geduld

Wie immer betonten Sewing, Privatkundenvorstand Karl von Rohr und Achleitner, dass die Deutsche Bank die Kontrollen verbessert und die Rechtsrisiken weitgehend abgearbeitet habe. Und wie immer bitten sie um Geduld: "Wir sind noch nicht am Ziel und müssen unsere Kontrollen weiter verbessern", sagt von Rohr, der derzeit noch für das Rechtsressort zuständig ist. Zu dem kritischen Bericht der Fed sagte Achleitner, er könne einen "angeblichen Brief angeblicher Regulatoren" nicht kommentieren. Im Übrigen sei die Entscheidung, die Entlastung des Vorstands zu empfehlen, vor dem 31. März gefallen. Und er sei weiterhin der Meinung, dass der Vorstand 2019 sehr gute Arbeit geleistet habe.

Und natürlich wollen die Aktionäre wissen, ob die Bank die Corona-Krise überstehen kann oder ob womöglich ein Staatseinstieg nötig ist, nachdem sie in der Finanzkrise darauf verzichten konnte. Auch in diesem Punkt gibt das Management Entwarnung. "Wir sind gut gerüstet, die Herausforderung zu meistern, die das aktuelle Umfeld mit sich bringt", sagt Sewing. Die Bank sei deutlich besser mit Kapital und Liquidität ausgestattet als vor ein paar Jahren. "Somit stellt sich die Frage nach einem potenziellen Einstieg nicht". Allerdings sei es wichtig, die Bank noch "wetterfester" zu machen, da keiner die Zweit- und Drittrundeneffekte der Corona-Krise abschätzen könne, sagte er.

Der Höhepunkt der Pandemie werde voraussichtlich erst in der zweiten Hälfte 2020 erreicht. Wie viele Kreditausfälle auf das Institut am Ende zukämen, lasse sich noch nicht seriös abschätzen. Weltweit hätten bis Anfang Mai mehr als 120 000 Kunden Anfragen für Kreditstundungen gestellt. Dem Großteil habe die Bank zugestimmt.

Um 18.42 schließt Achleitner die Versammlung. Später liegt das Ergebnis vor: Anders als im Vorjahr, als Achleitner nur mit 72 Prozent und Sewing nur mit 75 Prozent entlastet werden, bleibt eine Blamage aus. Wichtige Stimmrechtsberater hatten zuvor die Entlastung empfohlen, weil die Bank gut vorangekommen sei. Große Aktionäre halten sich in der Regel an diese Vorgaben. Achleitner wird mit fast 93 Prozent entlastet, Sewing mit fast 99 Prozent.

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Quelle:
SZ vom 22.05.2020
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