Deutsche Bank vor der Hauptversammlung:Eine Bank zwischen allen Stühlen

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Mit Josef Ackermann an der Spitze zählt das Geldinstitut international zu den Profitablen. Doch im eigenen Land hat es viel Kredit verspielt.

Martin Hesse

Die kleine Gruppe von Demonstranten hat sich um ein Fahrrad versammelt. Türkis der Rahmen, weiß der Sattel und schon etwas klapprig. Große Touren würde man damit nicht mehr unternehmen. Doch der Eigentümer, ein untersetzter Mann mit akkurat gestutzten grauen Haaren, hat mit dem Gefährt ohnehin anderes vor. Für Frank Schmall, den Anführer der Protestgruppe, ist das Fahrrad die Waffe des kleinen Mannes gegen eine große Bank. "Für mich nie wieder Deutsche Bank oder ihre Partner", steht auf einem an der Querstange montierten Blech.

Die wohl berühmteste Geste von Josef Ackermann: Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank rechnet im Düsseldorfer Landgericht mit seinem Freispruch (Foto: Foto: AP)

Kein anderes Unternehmen fordert Protest wie diesen so heraus wie Deutschlands größte und erfolgreichste Bank und ihr Vorstandschef. Josef Ackermann hat das Geldhaus umgebaut, globalisiert und auf Rekordgewinne getrimmt. In der Finanzwelt erntet er dafür Respekt. Zum zweiten Mal hintereinander wählte die Fachzeitschrift International Financing Review die Deutsche Bank 2005 zur "Bank of the year". In Deutschland aber hadern die Menschen mit der Bank und dem Mann, der sie führt.

Die Erklärungen für das gestörte Verhältnis der Deutschen zu ihrer Großbank beginnen beim Namen. Angelsächsische Investmentbanker sprechen von "Deutsche", wenn sie die Bank meinen. Weil es die "Deutsche" ist, geht es bei dieser Bank nicht nur um Erfolg, sondern immer auch darum, ob sich die Bürger - Kunden, Aktionäre oder neutrale Beobachter - mit dem Unternehmen und seiner Führung identifizieren können.

Doch die Deutschen und ihre Bank kommen nicht zusammen.

Das hat viel mit den kleinen und großen Pannen und Fehlern zu tun, die Ackermann und andere in den vergangenen Jahren aneinander gereiht haben. Da waren die Millionen-Prämien, die Ackermann als Aufsichtsratsmitglied Führungskräften des Mannesmann-Konzerns nach der Übernahme durch Vodafone gewährte, und an denen sich eine Diskussion um Moral in den Chefetagen der Wirtschaft entzündete. Im Herbst steht der Bankchef deshalb in Düsseldorf erneut vor Gericht. Um Moral und Verantwortung ging es auch im Februar 2005, als Ackermann einen Milliardengewinn meldete und im gleichen Atemzug ankündigte, die Bank werde mehr als 5000 Stellen abbauen.

Symbole für Fehltritte

Frank Schmall spielt mit den Begriffen und Zeichen, die zu Symbolen für diese Fehltritte geworden sind. Er hat sie in knalligen Farben auf Karosserie und Scheiben eines weinroten Renault gemalt: die zum Victory-Zeichen gespreizten Finger, die Josef Ackermann bei der Eröffnung des Mannesmann-Prozesses in die Luft reckte; das Wort "Peanuts", mit dem der frühere Bankchef Hilmar Kopper offene Handwerkerrechnungen nach der Pleite des Baulöwen Jürgen Schneider herunterspielte.

Und schließlich der Verweis auf Schmalls eigene Erfahrungen mit der Deutschen Bank. Er fühlt sich als Immobilienopfer, weil er vor zehn Jahren seine Altersvorsorge in eine völlig überteuerte Wohnung steckte. Die Deutsche Bank, die den Kauf finanzierte, habe ihn falsch beraten, meint er. Vor Gericht ist er in allen Instanzen unterlegen, moralisch fühlt er sich als Sieger. "Wenn ich mit meinem Fahrrad durch Frankfurt fahre, heben wildfremde Leute den Daumen", sagt er.

1996, in dem Jahr als Frank Schmall seine Immobilie kaufte, kam Josef Ackermann aus der Schweiz zur Deutschen Bank. Schon bald galt der brillante Investmentbanker als der starke Mann im Vorstand. "Er ist ein irrsinniger Taktiker", sagt ein früherer Wegbegleiter. Einer, der unverbindlich lächelt und Konkurrenten wie Verbündete auf Distanz hält. Schweizerisches Understatement kaschiert seinen Ehrgeiz, "Low-Key-Joe", den zurückhaltenden Joe, nennen sie ihn deshalb.

Die Deutsche Bank steht auch im internationalen Vergleich glänzend da (Foto: Foto: ddp)

2002 löste er Rolf Breuer als Vorstandssprecher ab. "Nie zuvor hat ein Mann in der Bank so viel Macht gehabt wie Ackermann", sagt ein ehemaliger Deutsch-Banker. Früher führte ein konsensorientierter Vorstand das Institut, sein Sprecher war der Primus inter pares. Ackermann aber schnitt die Führung von Jahr zu Jahr stärker auf sich zu. Den Gipfel seiner Macht erreichte er an einem kalten Februartag 2006, als ihn der Aufsichtsrat vom Sprecher des Vorstands zu dessen Chef beförderte, zum Chief Executive Officer. "Damit man mich im Ausland als 'speaker' nicht mehr für den Pressesprecher hält", sagte Ackermann dazu. Es sollte ein Scherz sein - doch was sie im Ausland denken, ist ihm wichtig. Vor allem in der Schweiz, wo er herkommt und wo sie ihn bei der Credit Suisse nicht ganz an die Spitze ließen. Und auch in London, dem Zentrum der Investmentbanker, wo die Deutsche Bank Dreiviertel ihres Gewinns erwirtschaftet.

Ackermann wird eine Erfolgsgeschichte präsentieren

Bei der Hauptversammlung an diesem Donnerstag wird Josef Ackermann vor der Festhalle der Messe Frankfurt eines von Frank Schmalls "Nie-wieder-Deutsche-Bank"-Fahrrädern begegnen. Schmall hat Aktien jenes Unternehmens gekauft, das er seit Jahren bekämpft, damit er dem Chef der Deutschen Bank bei der Hauptversammlung sein Heimspiel verderben kann. Ackermann habe in seiner Amtszeit für einen erheblichen Image-Verlust der Bank gesorgt, heißt es in der Begründung zu Schmalls Antrag, dem Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung zu verwehren.

Doch Ackermann hat andere Pläne für das Aktionärstreffen. Er wird den Eigentümern der Bank eine Erfolgsgeschichte präsentieren. Seine Erfolgsgeschichte. Und es wird so ähnlich klingen wie bei der Bilanzpressekonferenz am 2. Februar. Ein paar Wochen zuvor hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Mannesmann-Prozess neu aufgerollt wird. Wochenlang wurde über Ackermanns Rücktritt spekuliert, doch vor der Presse präsentierte der sich als starker Mann und legt einen Rekordgewinn von fast vier Milliarden Euro vor. Es ist das große internationale Geschäft, mit dem er glänzt - und einen Schatten wirft. Denn Schmall und andere Kritiker glauben, die Deutsche Bank habe den Bezug zu ihrem Heimatmarkt verloren. "Er hat die Kleinkunden vernachlässigt", sagt ein früherer Mitarbeiter Ackermanns. "Das sind die Menschen, die hier die Stimmung machen."

Ackermann weiß, dass sie das denken in Deutschland, und er will es nicht auf sich sitzen lassen. Doch er verteidigt sich mit Sätzen, die den Vorwurf eher bestätigen als entkräften. "Wir sind nach wie vor committed in Deutschland", sagt er dann, "aber wir wollen global mitspielen und müssen uns an die globalen Spielregeln halten." Es sind die Spielregeln der Kapitalmärkte. Sie verlangen, dass das eingesetzte Kapital 25 Prozent Gewinn abwirft, argumentiert Ackermann, und er hat es geschafft. Im ersten Quartal 2006 waren es sogar 40 Prozent. Für ihn ist es logisch, dass die Bank besonders dort wachsen muss, wo auch die Wirtschaft stark wächst: in den USA, in Indien, in Russland - nicht aber in Deutschland, wo die Konjunktur so rund läuft wie ein rostiges Fahrrad.

Ist dem Schweizer Ackermann also doch egal, was die Deutschen von ihm denken? Perlt es an ihm ab, wenn sie ihn darauf reduzieren, mit einem Jahreseinkommen von fast zwölf Millionen Euro einer der bestverdienenden Vorstandschefs in Deutschland zu sein? Ackermann spricht da viel lieber über seine Rekordzahlen. Doch als ihn einmal eine englische Journalistin nach der Neidkultur in Deutschland fragte, da nahm er den Ball dankbar auf: "Man könnte auch mal stolz auf den Erfolg der Deutschen Bank im Investmentbanking sein."

Einer der ihn kennt, beschreibt Ackermann als hoch rationalen Manager, zahlengetrieben und aufgabenorientiert. Was ihm fehle, sei eine Vision, wie sie Alfred Herrhausen gehabt habe, der von der RAF ermordete Bankchef. Er hatte Vorträge über gesellschaftliche Verantwortung gehalten und für einen Schuldenerlass für die Armen gekämpft. Vielleicht ist es das, was die Deutschen von der Bank und ihrem Chef wollen. Doch wenn Josef Ackermann von Verantwortung spricht, kommt er immer aus der Defensive. "Die Deutsche Bank ist davon überzeugt, dass zwischen ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung kein Widerspruch besteht", hebt er dann an. "Wir können ihr aber nur gerecht werden, wenn wir sie uns leisten können." Spricht so ein Visionär?

Es gibt auch Kunden, die ihre Bank verteidigen

Seine Visionen sind wohl eher konkreter Natur, sie sehen so aus wie "Die Deutsche Bank der Zukunft", die in der Berliner Friedrichstraße Gestalt angenommen hat. Zwischen Stefanel-Boutique und Rolex-Laden hat die Bank ein Versuchslabor eingerichtet, in dem Kunden "neue und zukunftsweisende Ideen und Konzepte für das Bankgeschäft" kennen lernen sollen. Ein blauer Bär bewacht den Eingang. Drinnen erwarten die Kunden Beratungszimmer im orangefarbenen Retrolook. Wird es ernst zwischen Berater und Kunden, werden die Glaswände auf Knopfdruck zu einer undurchdringlichen Wand aus Milchglas.

Ein Kunde, der seinen Namen nicht preisgeben will, hat den Parcour zwischen Premiere-Shop, Cocktail-Bar und WM-Artikel-Verkauf absolviert und ist begeistert. "Das ist absolut innovativ." In Leinenjackett, den Designerjeans und weißen Turnschuhen sieht er aus, als sei er einem der Werbeprospekte entstiegen. "Das Gefühl, dass sich die Deutsche Bank nicht um ihre Kunden in Deutschland kümmert, habe ich als Privatkunde nicht", sagt er. Für ihn stehe der Name für Solidität und Sicherheit. "Die Deutsche Bank ist eben eine Premium-Marke." Vielleicht ist das der Grund, weshalb sie mehr Prügel bezieht als ihre Konkurrenten, obwohl allein sie international konkurrenzfähig ist. Es ist das Mercedes-Benz-Phänomen: Kippt die A-Klasse im Elchtest, erregt das mehr Aufsehen als bei anderen Marken. Ein Premium-Anbieter darf sich keine Fehler erlauben.

Kern der Diskussion: Globalisierung und Moral

Aber es gibt sie noch, die Kunden, die die Deutsche Bank verteidigen. Und es gibt sogar eine Vereinigung, die die Bank bei ihrem Kurs anfeuern will. Stefan Engelsberger ist Gründer der privaten Initiative Pro-Deutsche-Bank, und erreicht man ihn in seiner Wohnung in Inzell, ätzt er mit oberbayerischem Zungenschlag gegen Politiker und Anlegeranwälte, die auf die Bank einschlagen, weil sie wissen, dass sie damit in die Medien kommen. "Das funktioniert, weil die Deutsche Bank ein Symbol ist", sagt er. Die Bank aber habe das nicht ganz realisiert.

Deshalb schrieb Engelsberger im Januar einen Brief an Josef Ackermann. "Es gibt nunmehr eine Stimme, die sich für eine Deutsche Bank einsetzt, die den globalen Herausforderungen gerecht wird und Mehrwert für Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter schafft", heißt es darin. Die Bank sei weder Retterin für überholte Finanzbranchen noch Risikoübernehmerin für Fondsanteilsinhaber. Den Deutschen aber gehe die wirtschaftliche Denkweise ab. "Die Kernkundschaft der Deutschen Bank ist noch nicht globalisierungsfähig", sagt Engelsberger.

Globalisierung und Moral - darum dreht sich letztlich die ganze Diskussion um Ackermann und die Deutsche Bank. Mag sein, dass es darum auch dem Fahrrad-Guerillero Frank Schmall geht. Doch in seinem Kampf gegen die Deutsche Bank drohen ihm die Symbole zu verrutschen. Ein Freund hat ihm einen dreiachsigen englischen Radpanzer organisiert, mit dem will er demnächst durch Frankfurt rollen. "60 Jahre nach Kriegsende rollen englische Panzer gegen die Deutsche Bank", soll auf dem Militärfahrzeug stehen.

© SZ vom 30.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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